06.12.2025 09:25
ARD-Komödie "Prange - Man ist ja Nachbar"
epd Schon die Landesfarben zeigen es an: Es gibt das rote und das weiße Hamburg. Das weiße ist das der strahlenden Villen an der Elbchaussee oder in Alsternähe, das hanseatisch-gediegene, teure. Rot ist dagegen das proletarische, ursozialdemokratische Hamburg, das sich in den Backstein-Arbeitersiedlungen von Stadtteilen wie Bahrenfeld oder Barmbek materialisiert. Eindeutig Teil des roten Hamburgs ist der Titelheld dieses Films, der Mittfünfziger Ralf Prange (Bjarne Mädel), der allein in einer Barmbeker 60-Quadratmeter-Hochparterre-Wohnung lebt. Früher in einer Metträucherei tätig, geht er derzeit keiner Erwerbsarbeit nach und kann sich vollumfänglich seiner Lieblingstätigkeit widmen: Der brummelige Eigenbrötler nimmt die Pakete der gesamten Nachbarschaft an und hat sich dafür ein regelrechtes Ablagesystem eingerichtet.
Bei der Zeichnung seiner Protagonisten hat Autor Andreas Altenburg (nach seiner Romanvorlage "Man ist ja Nachbar - Prange nimmt an") durchaus dick aufgetragen: Der füllige Kassengestell- und Oberlippenbart-Träger Prange hat einen Papagei als Haustier, der sich immer mal mit Worten wie "Arschloch", "Pimmel" oder "Loser" vernehmen lässt. "Ich hab'n Vogel, und der hat Tourette", sagt Prange zur Erklärung. "Ja, das sacht sich so leicht", schallt es dann von gegenüber zurück.
Dort wohnt der ebenfalls alleinstehende Horst Rohde (Olli Dittrich), der mit Prange nach dem Kuckucksuhr-Prinzip auf den Flur tritt. Die beiden unterhalten ein herzliches "Du-mich-auch"-Verhältnis. Zu den Hobbys der Hauptfigur gehört neben Fernlenkboot-Steuern mit Schwester Silke (Gabriela Maria Schmeide) noch gelegentliches Biertrinken mit Paketbote Micki (Bozidar Kocevski). Eine Frau gibt es in seinem Leben nicht, zu befürchten steht, dass er noch nie ein Date hatte.
Doch dann tritt Dörte Krampitz (Katharina Marie Schubert) in den Mikrokosmos. Die zartgliedrige Kurierfahrerin der Firma Dropflex beeindruckt den Sonderling mit ihrer Leidenschaft für Wrestling und Mettbrötchen am Morgen, sodass er anfängt, wahllos Dinge zu bestellen, nur um sie wiederzusehen. Führen die Auslieferung eines Wasserkochers und eines Kugelgrills noch nicht zu einer Intensivierung des Kontakts, so ist es schließlich seine Vinyltapete, die ihr Interesse erregt. Nach einem nicht ganz zufälligen Treffen im Bramfelder Baumarktcafé kommen sich die beiden beim Schlendern durch die Schaumtapeten-Abteilung näher. Fast scheint das Happy-End greifbar - bis Ralf sich nach vorgegaukelter Tapezier-Expertise mit der Klebepistole blamiert. Und das, wo Dörte doch gerade keinen Schnacker mehr wollte!
Der dicke Pinselstrich bei der Figurenanlage wird aufgefangen durch feine, nuancierte Darstellungen. Bjarne Mädel fügt seinem weit gefächerten und doch ureigenen Figurenspektrum - von Ernie aus "Stromberg" über "Tatortreiniger" Schotty bis zu Sörensen, dem Polizisten mit der Angststörung - noch einen weiteren unverwechselbaren Charakter hinzu, und Katharina Marie Schubert steht ihm in punktgenauem Spiel nicht nach. Wenn die Nachbarn Prange und Rohde miteinander telefonieren, zum Beispiel wegen einer 18er-Multiplexplatte, setzt die Inszenierung auf Splitscreen-Technik, um jede mimische Reaktion gebührend einzufangen.
Regisseur Lars Jessen, ausgewiesener Fachmann für norddeutsche Milieustudien ("Fraktus", "Dorfpunks", "Jennifer - Sehnsucht nach was Besseres") ist sich seiner filmischen Mittel sehr sicher. Während die Kamera von Kristian Leschner immer wieder von oben auf die Szenerie blickt, um den Mikrokosmos im Stadtbild zu verorten, stimmen bei der Ausstattung auch die kleinsten liebevollen Details. So trägt Prange nicht nur eine Jacke mit dem Aufdruck "Barmbek Faustball", es kommt auch kurz eine an der Wand hängende Urkunde vom Faustball-Pfingstturnier des Jahres 1979 (1. Platz, männlich, D-Jugend) ins Bild.
Ein bisschen sozialkitschig, fast "Lindenstraßen"-artig mag es anmuten, dass die Hausgemeinschaft, zu der auch die frisch getrennte Mutter Julia (Angelika Richter) und ihr "Butschi" Malik (Samy Ghariani ) gehören, trotz aller Flur-Kabbeleien nicht nur Nikolaus, sondern auch Silvester zusammen feiert. Aber wahrscheinlich muss man "Prange - Man ist ja Nachbar" einfach als verkapptes norddeutsches Weihnachtsmärchen begreifen, als Liebhaber-Stück für Fans des trockenen Humors. Die Dialoge bleiben wunderbar lakonisch. Wie sagt Dörte beim zögerlichen Telefonnummernaustausch? "Wenn mal was wäre ..." Und Prange gibt zurück: "Vielleicht is ja mal was."
infobox: "Prange - Man ist ja Nachbar", Komödie, Regie: Lars Jessen, Buch: Andreas Altenburg, Kamera: Kristian Leschner, Produktion: Florida Film (ARD-Mediathek/NDR, seit 6.12.25, ARD/NDR, 10.12.25, 20.15-21.45 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 06.12.2025 10:25
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KNDR, Komödie, Jessen, Altenburg, Luley
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