Moderner Medienthriller - epd medien

18.12.2025 11:20

Die junge Reporterin Aga Novak will krasse Geschichten liefern, die "etwas verändern". Ihr Chefredakteur schickt sie in ein Dorf in Hessen, wo ein Mädchen vermisst wird. Aga soll über den Fall berichten.

Fernsehfilm "Bis es blutet" mit Elisa Schlott

Die ehrgeizige Reporterin Aga Novak (Elisa Schlott) wühlt sogar im Müll, um Berichtenswertes im Fall eines verschwundenen Mädchens zu finden

epd Autor und Regisseur Daniel Sager hat in sehenswerten Dokumentarfilmen die Arbeit von Investigativreportern der "Süddeutschen Zeitung" begleitet ("Hinter den Schlagzeilen") und die Relotius-Affäre des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" aufgearbeitet ("Erfundene Wahrheit"). Sein fiktionales Debüt "Bis es blutet" ist eine schonungslose Abrechnung mit den Methoden des Boulevards - und der gelungene Versuch eines modernen Medienthrillers.

51 Jahre nach "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" und 48 Jahre nach Günter Wallraffs "Der Aufmacher" ist nicht mehr explizit "Bild" das Ziel. Vielmehr sind es populistische Plattformen, die mit einfachen Botschaften und rücksichtsloser Skandalisierung auf hohe Klickzahlen aus sind. Der Name "True Newz" des fiktiven Online-Portals klingt nach einer Mischung aus Donald Trumps Plattform "Truth Social" und dem vom ehemaligen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt geleiteten Online-Medium "Nius". Vorsichtshalber wird zu Beginn auf einer Schrifttafel beteuert, die Handlung und alle im Film handelnden Personen seien frei erfunden.

Bereit fürs Witwenschütteln?

Die junge Reporterin Aga Novak (Elisa Schlott) träumt davon, "krasse" Geschichten zu liefern. Geschichten, "die etwas verändern". Bisher durfte sie bei "True Newz" allerdings nur Sportler interviewen. Dass sie hartnäckig und auch dreist sein kann, beweist das Interview mit einem prominenten Fußballer, mit dem der Film beginnt. Das Video weckt das Interesse des Chefredakteurs. Andreas Meixner (klasse: Thomas Loibl) sucht jemanden, der im Fall eines verschwundenen Mädchens in Hessen "da runtergeht und mir eine Vermisstennummer baut".

Aga und zwei Kolleginnen müssen sich wie bei einem Schönheitswettbewerb vor Meixner und einem weiteren männlichen Kollegen aufstellen - #MeToo lässt grüßen. Obwohl Meixners Kollege glaubt, Aga sei noch nicht bereit fürs "Witwenschütteln", also das Befragen von Angehörigen, bekommt die junge Reporterin ihre Chance.

Euch lesen nur Leute mit Theaterkartenabo.

Die Männer haben das Sagen, die Frauen stechen sich gegenseitig aus. Sexismus, Zynismus, harter Konkurrenzdruck. Sager kommt schnell zur Sache. Sein Film ist aber keine pauschale Anklage gegen die "Lügenpresse". Dass es auch seriös arbeitende Journalisten gibt, dafür steht eine von Matthias Matschke gespielte Nebenfigur. Frederik von Ruetzow war mal Agas Lehrer an der Journalistenschule, er trifft seine talentierte Ex-Schülerin nun in dem Ort in Hessen wieder, wo Vanessa, die Tochter eines mittelständischen Unternehmers, verschwunden ist. Für von Ruetzow ist Meixner "das Böse in Person", für Aga ist von Ruetzow ein Typ von gestern: "Euch lesen sowieso nur Leute mit Theaterkartenabo."

Auch wenn die medienkritische Botschaft schnell klar wird: "Bis es blutet" ist ein bis zuletzt packendes Drama. Aga reist mit dem Fotografen Thorsten Meier von Hagen (Franz Pätzold) in das hessische Kaff und scheitert beim ersten Versuch, Vanessas Eltern (Bernd Hölscher, Malina Ebert) für ein Interview zu gewinnen. Nun sammelt Aga erst einmal "Vox Pops", also "Volkes Stimme" in Straßeninterviews. Doch weil Meixner Druck macht und vor Ort in Gestalt von Ole Reinert (David Rott) ernst zu nehmende Boulevard-Konkurrenz auftaucht, lassen Aga und Thorsten nach und nach alle berufsethischen Standards fahren. Bis sie buchstäblich im Müll wühlen, um irgendeinen Hinweis zu finden, mit dem sie einen Vorwurf gegen Vanessas schwarzen Freund Welat Nail (Francisco Akudike) konstruieren können.

Alltäglicher Sexismus

Zwischendurch sieht man als Vorausblende kurze Ausschnitte aus einer Art Verhör, bei der sich eine im Gesicht verletzte Aga den kritischen Fragen von Eva Berger (Patrycia Ziólkowska) stellen muss. Wer diese Eva Berger ist, bleibt offen. Was oft mit einer aufdringlichen Journalistenmeute in vielen Filmen angedeutet wird, wird hier in scharf formulierten Dialogen und ohne Hänger im Tempo ausbuchstabiert.

Dass die Hauptfigur keine Sympathieträgerin ist, ist für den Film kein Nachteil - dank Elisa Schlott. Sie spielt die von polnischen Eltern abstammende Aga als ambivalente Figur. Die junge Reporterin legt einen unbedingten Willen zum Aufstieg an den Tag und erlaubt sich keine Schonung. Sie muss sich mit Tabletten wach halten und bekämpft den immensen Druck, indem sie ihre Hände in heißes Wasser taucht. Gleichzeitig ist sie als attraktive Frau dem alltäglichen Sexismus ausgesetzt, von taxierenden Blicken bis zu offener Anmache.

Letztlich ist sie ein funktionierendes Rädchen im System, das ungerührt die eigenen Skrupel über Bord wirft, Verständnis heuchelt oder die Konfrontation sucht. Eine preiswürdige Leistung. Hoffentlich schauen nicht nur Leute mit Theaterkartenabo zu.

infobox: "Bis es blutet", Fernsehfilm, Regie: Daniel Sager, Buch: Oskar Sulowski, Daniel Sager, Kamera: Nicolai Mehring (Arte/ZDF, 5.12.25, 20.15-21.45 Uhr, Arte-Mediathek bis 3.1.26)



Zuerst veröffentlicht 18.12.2025 12:20

Thomas Gehringer

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KArte, Fernsehfilm, Sager, Sulowski, Gehringer

zur Startseite von epd medien