19.12.2025 13:42
Hamburg (epd). Das Landgericht Hamburg hat am Freitag Klagen gegen das Recherchenetzwerk Correctiv im Zusammenhang mit der Berichterstattung zum sogenannten Potsdamer Treffen abgewiesen. Den Klägern Ulrich Vosgerau und Gernot Mörig stehe "hinsichtlich keiner der angegriffenen Äußerungen ein Unterlassungsanspruch zu", teilte das Gericht am Freitag mit. Correctiv hatte am 10. Januar 2024 unter der Überschrift "Geheimplan gegen Deutschland" über das Treffen von Rechtsextremen, AfD-Politikern und Unternehmern vom 25. November 2023 berichtet. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. (AZ: 324 O 6/25 und 324 O 7/25)
Mit dem Bericht hatte Correctiv Überlegungen zur Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund öffentlich gemacht. Der Jurist Vosgerau und der Aktivist Mörig, der Initiator des Potsdamer Treffens war, klagten dagegen.
Die Pressekammer des Landgerichts führte aus, aufgrund des "erkennbaren Kontrasts" zwischen der wörtlichen Wiedergabe bestimmter Äußerungen von Teilnehmern im Gegensatz zu anderen Umschreibungen des "Plans" gelangten Leserinnen und Leser nicht zu dem Verständnis, dass wörtlich von "Vertreibung" oder einer "Ausweisung" von deutschen Staatsbürgern gesprochen wurde. Die Aussage im Correctiv-Bericht, wonach die Ausweisung von deutschen Staatsbürgern Inhalt des "Masterplans" war, sei zulässig. In dieser Äußerung würden sich "wertende und tatsächliche Bestandteile vermengen".
Die Kammer stellte heraus, dass ein erhebliches öffentliches Interesse daran bestehe, was auf einem nicht öffentlichen Treffen - an dem auch Politiker teilgenommen hätten - mit Blick auf "nicht-assimilierte" deutsche Staatsbürger gesagt wurde. Der Vortragsredner Martin Sellner habe auf eine Frage zur Schwierigkeit einer Remigration von Menschen mit deutschem Pass ausgeführt, dass auf Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft unter Anwendung von Gesetzen ein "hoher Anpassungsdruck" ausgeübt werden könne. Diese Äußerung sei von Vosgerau und Mörig nicht bestritten worden sei und dürfe "in zulässiger Weise so bezeichnet werden, dass es um eine 'Ausweisung' deutscher Staatsbürger gegangen sei, nämlich um eine staatliche Maßnahme, die auf die Beendigung des Aufenthalts einer Person in einem Land abzielt", erklärte das Gericht.
Correctiv-Chefredakteur Justus von Daniels wertete die Urteile als "starkes Signal". Der Schutz der Pressefreiheit greife auch dann, wenn Klagen als Mittel genutzt würden, um gezielt Zweifel an der Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit zu säen, erklärte er.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) bezeichnete die Entscheidungen als "Sieg für die Pressefreiheit". Der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster erklärte, kritische Recherchen über die Neue Rechte würden von Anwaltskanzleien "immer wieder mit Einschüchterungsversuchen und Unterlassungsforderungen beantwortet". Jede Redaktion könne betroffen sein. Es gehe daher "um den Schutz unserer Pressefreiheit, die Verteidigung einer freien und ungehinderten öffentlichen Debatte - und damit um die Grundpfeiler unserer Demokratie".
Bereits Anfang Februar 2024 war Vosgerau wegen verschiedener Äußerungen in dem Artikel gegen Correctiv vorgegangen. Die Pressekammer des Landgerichts erließ daraufhin eine einstweilige Verfügung zur Wiedergabe von Äußerungen Vosgeraus in Bezug auf Wahlprüfungsbeschwerden (Az. 324 O 61/24). In den weiteren Punkten wies sie den Antrag zurück. Vosgerau legte Beschwerde ein, diese wies das Hanseatische Oberlandesgericht zurück (Az. 7 W 34/24).
Im Dezember 2024 ließen Vosgerau und Mörig die Beklagten abmahnen. Die Rezeption des Artikels durch Dritte habe zu der Erkenntnis geführt, dass doch davon auszugehen sei, dass die Grenze einer noch zulässigen Meinungsäußerung zur unzulässigen Erweckung eines falschen Eindrucks überschritten sei. Die Beklagten wiesen die Abmahnungen zurück. Neben Correctiv waren dies laut Gericht fünf weitere Beklagte, die bei Correctiv tätig sind und an dem Artikel mitgewirkt haben.
lnh/rid
Zuerst veröffentlicht 19.12.2025 13:03 Letzte Änderung: 19.12.2025 14:42
Schlagworte: Medien, Justiz, Rechtsextremismus, NEU
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