26.12.2025 09:10
ARD-Kurzfilm "Eine halbe Stunde ist viel Zeit" mit Anke Engelke
epd Eine halbe Stunde haben die Macher dieses Kurzfilms für ihre Hochzeitsgeschichte, und eine halbe Stunde hat die Hochzeitsgesellschaft für ihre Feier auf dem alten Schloss, denn danach hat schon eine andere Kundschaft diese Location gebucht. Es gilt also vor allem eins: Eile. Um nicht zu sagen: Hektik. Oder Hochdruck. Oder, wie die Braut es ausdrückt: "Ich will, dass diese Hochzeit mich nicht mehr so stresst."
Die Produzenten Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann standen in den vergangenen drei Jahren für die Kurzfilme mit dem Titel "Kurzschluss", in denen ein von Anke Engelke und Matthias Brandt gespieltes odd couple daran gehindert wird, Silvester zu feiern und stattdessen die Chance bekommt, sich kennenzulernen. Diese Geschichte mit ihren Variationen scheint auserzählt. Heuer haben wir statt eines Kammerspiels ein großes Gewimmel an Figuren und statt einer Kammer ein Schloss als Schauplatz. Geblieben ist einzig Anke Engelke in der Hauptrolle.
Hochzeitsfilme sind seit Jahrzehnten ein Genre für sich. Sie heißen zum Beispiel "Die Braut, die sich nicht traut", und in ihnen ist die junge Frau in Weiß die Hauptfigur. In "Eine halbe Stunde" steht die Hochzeitsplanerin im Zentrum. Mareike (Anke Engelke) rauscht, rennt oder stürmt, das Handy immer fest ans Ohr gepresst, durch die Säle des Schlosses, in dem die Hochzeitsgäste erwartet werden. Sie stellt fest, dass nichts funktioniert - außer ihrer Planung, versteht sich.
Die Fotografin hat abgesagt. Wo ist die Pianistin? Und die Service-Frau? Und die Champagner-Pyramide? Ach, und die Torte. Da kommt der Bote mit einer falschen. Und was ist das da am Horizont? Etwa ein Gewitter? Das große Hochzeitsfoto soll open air geschossen werden.
Mareike sieht sich gezwungen, ihren Ex, der Berufsfotograf ist, herzubitten - eine Notlösung. Das Gewitter ist so freundlich, mit dem Ausbrechen zu warten, bis das große Foto aufgenommen ist, aber dann flüchten alle ins Schloss, wo in aller Eile geredet, getanzt, getrunken und schließlich der Brautstrauß geworfen werden soll.
Der Ablauf ist minutiös getaktet. Das Handy am Ohr stakst Mareike herum, nervös wie ein Zitteraal, und gibt Anweisungen, die niemand befolgt. Denn die Festfreude hat ihre eigene Zeitstruktur, auch auf diesem Fest, wo sich niemand freut. Der Vater des Bräutigams hält eine viel zu lange öde Rede, der Bräutigam selbst (Angelo Alabiso) küsst die Pianistin und die Braut (Katharina Gieron) die Hochzeitsplanerin. Geht's noch?
Hier klappt überhaupt nichts. Sogar der Brautstrauß weiß nicht, was sich gehört und landet im Schoß der uralten Erbtante. Immerhin kann Mareike dem Boten dann doch die richtige Torte entreißen.
Die schöne Grundidee dieses Schwanks ist, dass die Regel, derzufolge es in Hochzeitsfilmen die Braut zu sein hat, die die Hauptrolle spielt, dann doch in Kraft gesetzt wird, denn Mareikes Ex, der Fotograf (Michael Ostrowski), führt etwas im Schilde: Er will seine Liebste zurückgewinnen, und am Schluss sieht es so aus, als als gelänge ihm das. Mareike ist nun insgeheim selbst die Braut, während die eigentliche Braut das Leben, das ihr der Schwiegervater in seiner öden Rede skizziert, empört ablehnt.
Der Bräutigam steht die ganz Zeit eher unfroh herum und sieht so aus, als wolle er vor Langeweile einschlafen. Auch der Rest dieser Hochzeitsgesellschaft wäre wohl lieber woanders. Das Schlimme ist aber, dass sich dieses allgemeine Unwohlsein allmählich auf die Zuschauerin vor dem Fernseher überträgt.
Alle Ideen dieser Kurzkomödie sind gut, auch die schauspielerischen Leistungen lassen zu wünschen nichts übrig, aber es ergibt sich keine gelöste Grundstimmung, die gebraucht wird, wo Komik sprießen soll. Man hofft mit den Gästen, dass alles bitte bald vorbei sein möge. Und muss dem Fotografen zustimmen, der resümiert. "Hochzeiten sind die Rache Gottes an den Menschen."
Man kann eine zutreffende Kritik an der Planungswut der Eventmanagerinnen dieser Welt aus dem Film herauslesen, denn es ist ja so, dass zur Festfreude die Spontaneität gehört, die zuverlässig eliminiert wird, wenn die Gäste nur noch Anweisungen befolgen. Aber im Grunde passt so ein kritischer Ansatz nicht zu einem solchen Klamauk und lag wohl auch nicht in den Absichten von Michael Ostrowski, der hier auch für Buch und Regie verantwortlich zeichnet. Der wollte sich einfach nur einen Spaß machen. Herausgekommen ist ein an seinen eigenen Turbulenzen erstickendes Tohuwabohu. Eine halbe Stunde ist manchmal auch zu viel Zeit. Soll heißen, man ist zuweilen ganz dankbar, wenn sie rum ist.
infobox: "Eine halbe Stunde ist viel Zeit", Komödie, Regie: Michael Ostrowski, Helmut Köpping, Buch: Michael Ostrowski, Kamera: Wolfgang Thaler, Produktion: Bildundtonfabrik (ARD/WDR, seit 26.12.25, ARD 30.12.25, 23.00-23.30 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 26.12.2025 10:10
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KWDR, Komödie, Ostrowski, Köpping, Sichtermann
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