18.12.2023 16:40
Marl (epd). Die zukünftige Ausrichtung des Grimme-Instituts bleibt auch nach der Gesellschafterversammlung am 15. Dezember ungewiss. Die Belegschaft äußerte sich besorgt über Streichungspläne des in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Instituts. Der nordrhein-westfälische Medienminister und Staatskanzlei-Chef, Nathanael Liminski (CDU), sprach von einem "laufenden Prozess". Die Gesellschafter des Grimme-Instituts waren zusammengekommen, um über den Haushalt für das kommende Jahr und die weitere Ausrichtung des Hauses zu beraten.
Die Belegschaft des Instituts erklärte am 18. Dezember, sie habe erfahren, "dass ein struktureller Umbau des Hauses - die Abwicklung der Bereiche Grimme-Forschung und Grimme-Medienbildung - durch die Gesellschafter beschlossen wurde". Die Streichung dieser Institutsbereiche, die unverzichtbar für den Wesenskern des Hauses seien, "halten wir strategisch für den falschen Weg", erklärten die Mitarbeiter.
Aufgrund der höheren Tarifabschlüsse und der gestiegenen Energie- und Veranstaltungskosten erwartet das Institut für das kommende Jahr ein Defizit von 430.000 Euro. Offizielle wurden keine Ergebnisse der Gesellschafterversammlung vom 15. Dezember bekanntgegeben. Auch eine Stellungnahme des Instituts gab es bisher nicht. Der Jahresetat liegt bei etwa drei Millionen Euro. Derzeit hat die Einrichtung 13 Vollzeit- und 9 Teilzeitstellen. Ein Sprecher des Instituts sagte dem epd am 18. Dezember, dass es im Jahr 2024 keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde.
zitat: "Eine fatale Entwicklung"
Nach Darstellung der Belegschaft bedeuten die Sparmaßnahmen für das kommende Jahr auch, dass sowohl der Wettbewerb als auch die Preisverleihung des Grimme Online Award im 24. Preisjahr nicht wie gewohnt stattfinden könnten. Dies sei "im Hinblick auf die Relevanz dieses Preises in der deutschen Medien- und Onlinewelt eine fatale Entwicklung".
Der nordrhein-westfälische Medienminister Liminski sagte im Deutschlandfunk am 19. Dezember, dass bislang noch keine Entscheidung zum Grimme Online Award gefallen sei. "Erst mal ist es noch nicht entschieden, wie wir final am Ende mit den Preisen umgehen, sondern es ist gemeinsame Auffassung im Gesellschafterkreis, dass die Preise für uns Priorität haben." Daher werde jetzt eruiert, inwieweit Einsparungen an anderer Stelle vorgenommen werden könnten. "Das ist alles ein laufender Prozess, unterstützt durch Expertise seitens eines Beratungsunternehmens", so Liminski.
Die Leiterin des Wettbewerbs zum Grimme Online Award, Vera Lisakowski, schrieb am 20. Dezember im Newsletter des Preises als Antwort auf Liminskis Äußerungen im Deutschlandfunk: "In seiner Beschreibung klingt es so, als wäre über den Grimme Online Award im kommenden Jahr noch nicht final entschieden. Es wäre ja toll, wenn er doch stattfinden könnte - wir allerdings sehen nicht, wie wir das bezahlen könnten."
Liminski sagte weiter, das Grimme-Institut brauche jetzt "eine Fokussierung auf seine Kernaufgaben und damit verbunden sicherlich auch eine Erneuerung". Das Land Nordrhein-Westfalen habe 2023 durch eine Sonderzahlung sichergestellt, dass das Jahr ordentlich abgeschlossen werden könne. "Mit Blick auf die Zukunft werden wir als Land weiter engagiert bleiben, uns ist aber wichtig, auch im Sinne der Staatsferne des Grimme-Instituts, dass auch die anderen Gesellschafter, also der Volkshochschulverband, der WDR und andere engagiert bleiben", sagte Liminski. Probleme, die es in einer strukturell gesicherten Finanzierung beim Grimme-Institut offenkundig gab, dürften nicht dadurch gelöst werden, dass gegenüber dem Land die Hand aufgehalten wird. Stattdessen müsse in der Geschäftsführung sichergestellt werden, dass das Institut strukturell so aufgestellt sei, dass es seine Aufgaben mit den bereitgestellten Finanzen erfüllen könne.
Wie die Belegschaft erklärte, verzichtet sie für den Erhalt des Hauses auf die Tariferhöhung im kommenden Jahr und leiste so einen substanziellen Beitrag zur finanziellen Absicherung des Grimme-Instituts im Jahr 2024. Auch werde alles getan, um zusätzliche Mittel zu akquirieren. Ein ähnliches Engagement wünsche man sich von den Gesellschaftern und Partnern, um das Grimme-Institut auf eine solide finanzielle Basis zu stellen und so die Arbeit in allen Bereichen des Hauses weiterführen zu können.
Der Sprecher des Instituts hatte dem epd bereits am 15. Dezember bestätigt, dass die Direktorin und Geschäftsführerin Frauke Gerlach ihren zum 1. Mai 2024 auslaufenden Fünfjahresvertrag nicht verlängern wird. Die Juristin leitet das Institut seit 2014.
Größter Gesellschafter des Instituts ist der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) mit 40 Prozent. Weitere Anteilseigner sind das Land Nordrhein-Westfalen (NRW), die Stadt Marl, der Westdeutsche Rundfunk (WDR), das ZDF, die Film- und Medienstiftung NRW und die Landesanstalt für Medien NRW. Sie halten jeweils zehn Prozent. Hauptfinanzier des Grimme-Instituts ist das Land NRW. Aus dem Medienetat der Staatskanzlei gibt es jedes Jahr 2,345 Millionen Euro als sogenannte institutionelle Förderung. Die Stadt Marl stellt jährlich weitere 165.000 Euro bereit. Hinzu kommen Einnahmen aus Projekten sowie Sponsoringerlöse.
Im September feierte das Grimme-Institut sein 50-jähriges Bestehen. Die gemeinnützige Forschungs- und Dienstleistungseinrichtung, die sich mit Medien und Kommunikation beschäftigt, wurde am 23. September 1973 gegründet. Das Institut vergibt jährlich den Grimme-Preis für hochwertige Fernsehsendungen und den Grimme Online Award.
lwd/nbl
Zuerst veröffentlicht 18.12.2023 17:40 Letzte Änderung: 28.12.2023 15:48
Schlagworte: Medien, Personalien, Grimme-Institut, Gerlach, NEU
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