NDR sieht keine Verfehlung des Senders im Fall Seipel - epd medien

25.01.2024 15:27

Autor Hubert Seipel und Wladimir Putin im Jahr 2016

Hamburg (epd). Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) sieht in der Diskussion um die Russland-Zahlungen an seinen früheren Autor Hubert Seipel keine Verfehlungen beim Sender. Niemand beim NDR habe von den Zahlungen des russischen Oligarchen Alexej Mordaschow an Seipel gewusst, sagte NDR-Intendant Joachim Knuth am Donnerstag bei der Präsentation einer Untersuchung zu dem Fall in Hamburg.

NDR-Chefjustiziar Michael Kühn betonte, alle Compliance-Regeln seien eingehalten worden. Es habe kein pflichtwidriges Verhalten im NDR gegeben.

Der ehemalige "Spiegel"-Chefredakteur Steffen Klusmann war im November 2023 mit der Untersuchung zur Causa Seipel vom NDR beauftragt worden. Die ehemalige Moskau-Korrespondentin des Deutschlandradios, Gesine Dornblüth, analysierte dessen Filme. Klusmann kam zu dem Schluss, dass Seipel schon vor den Geldzahlungen Mordaschows eine Nähe zu Russlands Machthaber Wladimir Putin habe erkennen lassen. "Es sieht ganz so aus, dass Seipel Überzeugungstäter war", sagte Klusmann.

"Vom deutschen Feuilleton gefeiert"

Recherchen von ZDF und "Spiegel" hatten den Fall Seipel im vergangenen Jahr ins Rollen gebracht. Demnach soll der Journalist und Putin-Biograf für seine Arbeit 600.000 Euro aus Russland erhalten und dies vor dem NDR, seinem Buchverlag Hoffmann und Campe sowie der Öffentlichkeit verborgen haben. Hoffmann und Campe bietet Seipels Bücher nicht mehr zum Verkauf an.

Nach Angaben des NDR hatte Seipel im November auf Nachfrage eingeräumt, er habe über zwei "Sponsoring-Verträge" 2013 und 2018 Geld von Mordaschow erhalten. Das Geld sei für zwei Buchprojekte gewesen, erklärte der Autor demnach.

Klusmann verwies am Donnerstag darauf, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichungen in den 2010er-Jahren Seipel "vom deutschen Feuilleton und vom NDR gefeiert wurde". Man könne dem NDR deshalb höchstens den Vorwurf machen, dass er sich von den exklusiven Geschichten habe mitreißen lassen. Man habe Seipel damals hofiert und ihm "lange Leine gelassen". Seipel realisierte für den NDR unter anderem 2012 "Ich, Putin - Ein Portrait" sowie 2014 Interviews mit Edward Snowden und Wladimir Putin in Moskau.

Als Konsequenz aus der Untersuchung empfahl Klusmann, das Verhältnis zwischen Redaktionen und freien Autoren zu schärfen. Dafür könne ein Leitfaden entwickelt und die NDR-Compliance-Richtlinie etwa bei Spesen überprüft werden. Zugleich empfahl er die Bildung eines Clearing-Ausschusses. Intendant Knuth beauftragte nach eigenen Angaben bereits drei leitende Personen, die Empfehlungen zu konkretisieren und mit den vorhandenen Regeln abzugleichen. Justiziar Kühn stellte zugleich klar, eine Überprüfung von weiteren Autoren sei nicht beabsichtigt. Auch seien personelle Konsequenzen nicht ersichtlich.

"Phänomen seiner Zeit"

Kühn sagte, dass Seipels Produktionen vor dem Hintergrund der damaligen politischen Lage einzuordnen seien. "Der Petersberger Dialog, die kulturelle Zusammenarbeit mit Russland, es gab durchaus den Wunsch nach Harmonie und Aussöhnung mit Russland", sagte der Justiziar. Seipels Filme und Interviews mit Putin hätten damals einen Gegenpol zu den kritischen Beiträgen anderer Korrespondenten versprochen.

Dornblüth führte aus, dass die Dokumentationen und Interviews Seipels die Nähe zu Moskau erkennen ließen, beispielsweise in dem vom WDR in Auftrag gegebenen Film "Gigant Gazprom", bei dem der Autor "nicht wirklich kompetent in Bezug auf Russland" gewesen sei. "Insofern war er ein Phänomen seiner Zeit", sagte sie. In den Interviews habe Seipel dann "die verlogene Darstellung von Putin übernommen" und die Kernelemente der russischen Propaganda abgebildet. "Aber der Lüge darf kein Platz gleichberechtigt neben der journalistischen Recherche eingeräumt werden", so Dornblüth.

Für die Untersuchung hat das Team laut Klusmann rund 45 Personen im Umfeld von Seipels Produktionen angefragt und mit "allen relevanten Personen" gesprochen. Aufgabe war es laut Knuth, unter anderem zu klären, ob der Sender von Seipel getäuscht worden war, ob die Redaktionen und Abnahmen sorgfältig genug waren und ob jemand beim Sender oder der Produktionsgesellschaft von den Zahlungen an Seipel gewusst habe.

cd



Zuerst veröffentlicht 25.01.2024 16:02 Letzte Änderung: 25.01.2024 16:27

Schlagworte: Medien, Rundfunk, Seipel, Putin, Kühn, Klusmann, Dornblüth, Russland, cd, NEU

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