Amazons Ambitionen - epd medien

13.04.2024 08:00

Demnächst werden die Medienrechte für die Fußball-Bundesliga ab der Saison 2025/26 versteigert. Prime Video, der Streamingdienst von Amazon, wird vermutlich mitbieten. Bereits jetzt kooperiert der Konzern eng mit der Deutschen Fußball Liga (DFL).

Wie Prime Video auf dem Sportrechte-Markt agiert

Gebäude der Deutschen Fußball Liga (DFL) im Frankfurter Westend

Frankfurt a.M. (epd). Prime Video hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Der Streamingdienst von Amazon will bei Sportübertragungen die Nummer eins werden. "Unser Bestreben besteht darin, Prime Video zur führenden Anlaufstelle für Sportinhalte in Deutschland zu entwickeln", sagte Deutschland-Chef Christoph Schneider im vergangenen Herbst. Ein Hinweis darauf, dass die Spiele der Fußball-Bundesliga bald im Streaming-Angebot des Mega-Konzerns gezeigt werden könnten?

Aufschluss wird die Auktion für die Bundesliga-Rechte ab der Saison 2025/2026 geben, die in Kürze startet. Im Angebot sind verschiedene Pakete für Liveübertragungen und Spiele-Zusammenfassungen. Die Deutsche Fußball Liga (DFL), die den geplanten Einstieg eines Großinvestors kürzlich abblies, hofft auf eine erkleckliche Summe. Derzeit erlöst die DFL mit den Inlands-Medienrechten rund 1,1 Milliarden Euro pro Jahr.

Live-Rechte momentan bei Sky und DAZN

Amazon gibt sich mit Blick auf seine Bundesliga-Ambitionen zwar bedeckt und will auf epd-Anfrage dazu "keine Ankündigung" machen. Fachleute halten es aber für wahrscheinlich, dass Prime Video um die Live-Rechte für Pay-TV mitbieten wird. Die teilen sich momentan noch Sky und DAZN.

Derzeit ist das Sport-Engagement von Prime Video in Deutschland überschaubar: Live gezeigt wird das Top-Spiel der Champions League am Dienstagabend. Außerdem hat sich der Streamingdienst die Rechte für das Tennisturnier von Wimbledon ab diesem Jahr gesichert. Weitere Live-Übertragungsrechte besitzt Prime Video in Deutschland nicht.

Experimentierphase in den USA

In den USA hingegen tritt Amazon bereits stärker auf dem Sportmarkt in Erscheinung. "Das Unternehmen hat vor allem auf dem US-Markt eine fünf- bis zehnjährige Experimentierphase hinter sich", sagt der Medienwissenschaftler Christoph Bertling von der Deutschen Sporthochschule Köln. Jetzt habe Amazon ausreichend Erfahrung, um bei der Sport-Berichterstattung auch hierzulande stärker einzusteigen.

Bertling verweist insbesondere auf die digitalen Möglichkeiten, die der Online-Versandhändler ausspielen kann. Bereits jetzt arbeitet die DFL mit dem Amazon-Cloud-Dienst AWS zusammen, etwa bei der Vermessung großer Datenmengen mithilfe künstlicher Intelligenz.

"Mit AWS lässt sich während der Live-Übertragung zum Beispiel die Schussgeschwindigkeit ermitteln", erläutert der Kölner Wissenschaftler. Im März vereinbarten beide Seiten eine noch engere Zusammenarbeit mit dem Ziel, unter anderem automatisch generierte Live-Ticker in verschiedenen Sprachen zu entwickeln.

"Solche Anwendungsmöglichkeiten erleichtern die Vermarktung der DFL, auch international", sagt Bertling. "Es liegt nahe, dass Prime Video, das selbst die AWS-Infrastruktur nutzt, bei dieser Vermarktung eine wichtige Rolle spielen könnte."

Es geht darum, Kunden auf die Versandplattform zu holen.

Von wichtigen Konkurrenten unterscheidet sich Amazon nicht nur durch diesen digitalen Vorsprung, sondern auch durch das Geschäftsmodell. "Amazon ist kein Medienunternehmen, sondern ein Versandunternehmen", erklärt Bertling. Mit dem Erwerb von Sportrechten verfolge der Konzern bisher eine "Rammbock"-Strategie: "Es geht darum, Kunden auf die Versandplattform zu holen."

Der Sportökonom Marcel Fahrner von der Universität Tübingen formuliert es so: "Wenn Sie als Fan bei Prime Video die Champions League schauen, dann sind Sie genau da, wo Amazon Sie haben will: Sie hinterlassen Ihre Datenspur, nehmen Dienstleistungen in Anspruch oder kaufen womöglich bei der Gelegenheit etwas ein, was Sie sonst nicht gekauft hätten."

Prime bietet neben Video- und Musikstreaming seinen Kunden vor allem den priorisierten Versand von Produkten. Das Abo kostet im Monat rund neun Euro. Für Sportübertragungen fallen keine Zusatzkosten an - jedenfalls bislang.

Rechtekosten werden nicht refinanziert

Sky und DAZN setzen dagegen vor allem auf Abo- und Werbeeinnahmen. "Die Ausgaben für die Bundesligarechte bekommen die Sender dadurch aber nicht refinanziert", sagt Fahrner. DAZN versuche deshalb auch, über einen auf der Plattform integrierten Merchandise-Shop und Sportwettenangebote Erlöse zu erzielen. "Generell dient die Übertragung von hochklassigem Fußball zur Markenbildung der Sender und der Attraktivitätssteigerung beim Publikum."

Neu bei der aktuellen Ausschreibung der Bundesliga-Rechte ist der Wegfall der sogenannten No-Single-Buyer-Rule für die Live-Rechte im Pay-TV. Künftig ist es damit wieder möglich, dass ein Sender alle Live-Übertragungsrechte erwirbt. "Zugleich werden nun aber auch Sublizenzierungen erleichtert", erklärt Experte Fahrner. Es sei also denkbar, dass ein finanzstarkes Unternehmen wie Amazon alle Rechte erwirbt, einen Teil davon aber an Sublizenznehmer weitergebe.

Amazon macht auf epd-Anfrage klar, dass es nicht zwingend selbst Übertragungsrechte erwerben muss, um zur "führenden Anlaufstelle für Sport" zu werden. Beispielsweise könnten bereits jetzt in der Prime-Video-App externe Angebote wie der DAZN Channel abonniert werden. Gemeinsam mit der exklusiven Live-Übertragung am Dienstag werde damit innerhalb der App der gesamte Champions-League-Wettbewerb abgebildet und eine Anlaufstelle für Sport geboten.

Diese Aussage stehe allerdings "in keinem Zusammenhang mit der bevorstehenden Vergabe der Bundesliga-Übertragungsrechte", unterstreicht das Unternehmen.

Stefan Fuhr Copyright: epd-bild/Norbert Neetz Darstellung: Autorenbox Text: Stefan Fuhr ist Redakteur in der epd-Zentralredaktion in Frankfurt. Er drückt seinem Heimatverein VfB Stuttgart die Daumen.



Zuerst veröffentlicht 13.04.2024 10:00 Letzte Änderung: 15.04.2024 17:37

Stefan Fuhr