Ein Sender, zwei Zahlen - epd medien

25.09.2024 08:50

Das ZDF gibt seine Ausgaben für die Sportberichterstattung im Zeitraum von 2019 bis 2022 mit insgesamt 812 Millionen Euro an. Die Finanzkommission KEF kommt hingegen auf mehr als eine Milliarde Euro. Hat sich da jemand verrechnet? Volker Nünning hat nachgefragt - und rät der Medienpolitik zu präzisen Formulierungen bei der anstehenden Staatsvertragsnovelle.

Wie das ZDF seine Sportkosten niedrig rechnet

ZDF-Sitz in Mainz-Lerchenberg

epd "Zu vertraglichen Details wie den Kosten einzelner Sportrechte-Pakete äußern wir uns grundsätzlich nicht." So oder ähnlich antworten stets private TV-Konzerne, aber ebenso ARD und ZDF, wenn Journalisten nach den Kosten für bestimmte Sportübertragungsrechte fragen. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender, die von allen Bürgern über den Rundfunkbeitrag finanziert werden, deklarieren solche Ausgaben als Geschäftsgeheimnisse. Transparenz gibt es hier nicht.

Die Rundfunkanstalten haben, wie es im Medienstaatsvertrag heißt, für "eine größtmögliche Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit Sorge zu tragen". Doch sie haben auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren. Die Ausgaben für Übertragungsrechte machen einen großen Teil der gesamten Sportkosten bei ARD und ZDF aus. Dazu gehören ebenso Aufwendungen, die etwa durch die Produktion der Sportsendungen entstehen, worunter auch Honorare für Reporter, Moderatoren und Experten fallen.

Durchschnittskosten pro Periode

Immerhin lassen sich auf den Internetseiten der Sender doch noch gewisse Informationen zu Ausgaben im Sportbereich finden, etwa wie hoch die Rechtekosten in einer bestimmten Periode im Schnitt pro Jahr ausgefallen sind. So macht es das ZDF auch bei seinen Sportausgaben insgesamt.

Nach Angaben des ZDF lag der durchschnittliche jährliche Aufwand für die Sportberichterstattung "im Zeitraum 2020 bis 2023 bei rund 207 Millionen Euro". Darin eingeschlossen seien Rechtekosten von durchschnittlich etwa 163 Millionen Euro pro Jahr, die "den größten Kostenblock im Gesamtaufwand für die Sportberichterstattung ausmachen". Diese Gesamtausgaben beliefen sich in den vier Jahren laut Sender also auf etwa 828 Millionen Euro.

Jährlich aktualisiert das ZDF auf seiner Webseite die Beträge, wodurch sich der Vierjahreszeitraum um ein Jahr verschiebt. Signifikante Änderungen gab es hier zuletzt nicht: Von 2019 bis 2022 betrugen beim ZDF die gesamten Sportausgaben im Schnitt pro Jahr laut Eigendarstellung etwa 203 Millionen Euro, davon rund 158 Millionen Euro für Rechtekosten. In dem Vierjahreszeitraum kommt man somit auf 812 Millionen Euro.

Zahlen stimmen nicht überein

Doch mit den Beträgen, die das ZDF zur Höhe seiner Gesamtkosten für die Sportberichterstattung veröffentlicht, ist das so eine Sache. Sie stimmen, wie epd-Recherchen ergeben, nicht mit den Zahlen überein, die die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) veröffentlicht. In ihrem 24. Bericht, den die KEF im Februar publizierte, werden die Kosten für das Ressort Sport beim ZDF allein für das Jahr 2022 schon mit 354,5 Millionen Euro angegeben. Und das Erstaunliche dabei: Dieser Betrag stammt von der Fernsehanstalt selbst. So erklärt es die Kommission auf epd-Nachfrage: Das ZDF liefere hier Zahlen zu. Eine eigene Berechnung der Kosten führe die KEF nicht durch.

Die Finanzkommission nennt auch die Aufwendungen, die das ZDF für die drei Vorjahre 2019 bis 2021 für das Ressort Sport mitgeteilt habe. Für 2019 seien es 191,3 Millionen Euro gewesen, für 2020 dann 172,8 Millionen Euro und 299,1 Millionen Euro für 2021. Damit beliefen sich die Sport-Gesamtkosten für die vier Jahre von 2019 bis 2022 auf knapp 1,02 Milliarden Euro. Im Schnitt waren dies pro Jahr 255 Millionen Euro - das ist auffallend mehr, als das ZDF für diese Periode auf seiner Webseite nennt. Dort wurde der jährliche Durchschnittsbetrag für diesen Vierjahreszeitraum mit den erwähnten rund 203 Millionen Euro angegeben - rund ein Fünftel weniger.

"Direkt zuordenbare Kosten"

Wie ist diese deutliche Diskrepanz zu erklären? Die beiden Darstellungen, auf der Online-Seite des ZDF und im KEF-Bericht, unterschieden sich "grundlegend in der Ermittlung bzw. im Umfang der einbezogenen Kostenbestandteile", teilt das ZDF dem epd mit. Für eine detaillierte Antwort benötigte der Sender dann zwei Wochen. Die auf der ZDF-Webseite veröffentlichten Zahlen bezögen sich "auf die direkt zuordenbaren Kosten, die buchhalterisch unmittelbar auf die Sportberichterstattung gebucht wurden", heißt es schließlich. Diese umfassten "vorwiegend Rechte, Honorare und produktionellen Aufwand".

Laut ZDF enthielten die im KEF-Bericht dargestellten Ausgaben von rund 355 Millionen für das "Sportjahr" 2022 mit mehreren Großereignissen noch weitere Aufwendungen. Dabei gehe es um Gemeinkostenbestandteile, "die dem Sport teilweise pauschal zugeordnet werden". Dadurch würden "alle Kostenbestandteile des Hauses auf die Programmbereiche verteilt".

Die KEF bekomme Vollkostenbetrachtungen, erklärt der Sender weiter. Enthalten in dem zusätzlichen Betrag seien unter anderem "redaktionelle Kosten, anteilige Kosten der Leitung und der zentralen Aufgaben des Programms, der Produktionsplanung und -ausführung, der Sendeabwicklung, der Studios". Außerdem noch "nicht abzugsfähige Vorsteueranteile sowie die Kostenverteilung für Intendanz, Organe, Beitragseinzug, Verwaltungsgemeinkosten und Ausstrahlungskosten".

Gleichwohl wäre im Sinne der Transparenz eine harmonisierte Darstellung sicherlich wünschenswert.

Auch die KEF bestätigt, dass sich um Vollkostenbetrachtungen handelt, die das ZDF hier für die jeweiligen Jahre liefere. Da stellen sich nun weitere Fragen. Ist das ZDF der Auffassung, die von der KEF veröffentlichten Angaben zu den Sportkosten des Senders stellten diese Ausgaben nicht reell dar, wenn es selbst niedrigere Kosten veröffentlicht? Darauf antwortete der Sender nicht. Ohne Antwort bleibt auch die Frage, warum das ZDF die deutlich niedrigen eigenen Angaben im Netz für eine reelle Darstellung dieser Ausgaben hält.

Die KEF hat hier eine klare Position, wie Geschäftsführer Tim Schönborn auf epd-Anfrage deutlich macht: Sie halte "die Vollkostenbetrachtung mit Blick auf eine transparente Aufschlüsselung des Finanzbedarfs für eine präzise Darstellung der Kosten im Sportbereich". Dazu zählten "auch andere, nicht unmittelbar dem Ressort Sport zuordenbare Kosten, die jedoch im Zusammenhang mit der Sportberichterstattung anfallen".

Dass sich die KEF so deutlich äußert, ist bemerkenswert. Es ist ein Fingerzeig der Kommission an das ZDF, die Sportkosten nicht mit Beträgen auszuweisen, die deutlich niedriger ausfallen als die, die der Sender selbst der KEF mitteilt. Ob das ZDF auf seiner Webseite die Angaben zu den Sportkosten auf eine Vollkostenbetrachtung umstellen wird, bleibt abzuwarten. Die KEF sieht es zwar nicht als ihre Aufgabe an, die Außendarstellung des ZDF zu bewerten: "Gleichwohl wäre im Sinne der Transparenz eine harmonisierte Darstellung sicherlich wünschenswert", erklärt KEF-Geschäftsführer Schönborn.

Staatsvertragliche Deckelung

Ob die Kosten im Sportbereich als Vollkostenbetrachtung oder in einer abgespeckten Form ausgewiesen werden, dürfte auch die Bundesländer interessieren. Sie beraten derzeit über einen Reformstaatsvertrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Mit dem Vertragswerk wollen die Länder auch die Ausgaben von ARD und ZDF im Bereich Sport begrenzen.

Die Aufwendungen nur für Sportrechte machten "derzeit etwa acht bis zehn Prozent des gesamten Programmaufwandes" aus, heißt es in dem Diskussionsentwurf der Länder vom 23. August für die Staatsvertragsnovelle, der dem epd vorliegt. In einem neueren Entwurf vom 19. September wird beim Erwerb von Sportrechten von einem "angemessenen Verhältnis" zum Gesamtprogrammaufwand ausgegangen, wenn die Rechtekosten "8-10 % abzüglich X %-Punkte" des gesamten Programmaufwandes in einer Beitragsperiode nicht überschreiten. Die Passage steht in Klammern, auf den X-Faktor wird es ankommen.

Ein Vorschlag im Länderkreis lautete zuletzt, fünf Prozent für Sportrechte anzusetzen. Was auch von der RTL-Gruppe unterstützt wird, wie jüngst deren Chef Stephan Schmitter im Deutschlandfunk erklärte. Seiner Ansicht nach ist zu merken, dass durch ARD und ZDF bei Sportrechteverhandlungen "mit den Gebührengeldern zum Teil die Preise nach oben getrieben werden". Doch die Begrenzung auf fünf Prozent haben die Länder inzwischen offenbar wieder verworfen. Dieser Wert sei zu niedrig angesetzt, heißt es dem Vernehmen nach.

Eindeutige Bezugsgrößen gefragt

Je nachdem, wie am Ende die Regelungen zur Begrenzung ausfallen - es muss darum gehen, präzise zu formulieren und eindeutige Bezugsgrößen festzulegen. Würden die Länder, wie in dem früheren Entwurf vorgesehen, statt der Rechtekosten den Programmaufwand im Bereich Sport als Bezugsgröße wählen (dort hieß es: "Rechteerwerb zzgl. Programmherstellung"), gäbe es Spielräume für Interpretationen und Abweichungen, wie das Beispiel ZDF zeigt.

Die KEF will die aktuellen medienpolitischen Überlegungen der Länder zum künftigen Sportetat bei ARD und ZDF zwar nicht bewerten. "Entsprechende Präzisierungen wären jedoch im Rahmen der Begründung eines Staatsvertrags möglich", erklärt Geschäftsführer Schönborn.

Volker Nünning Copyright: Foto: privat Darstellung: Autorenbox Text: Volker Nünning ist freier Journalist und regelmäßiger Autor von epd medien.



Zuerst veröffentlicht 25.09.2024 10:50

Volker Nünning

Schlagworte: Medien, KEF, ZDF, Sportrechte, Sport, Medienstaatsvertrag, Nünning, vnn, Medienpolitik

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