19.11.2024 09:03
Wie die Finanzierung der Medienanstalten neu geregelt werden könnte
epd Die Politik sucht derzeit nach Wegen, um die Höhe des Rundfunkbeitrags stabil zu halten oder gar zu senken. Nach jahrelangem Zögern ringen sich die Länder gerade zu einer umfassenden Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch. Doch auch die vorgesehenen Einschnitte in das Programm sind unpopulär. Was liegt also näher, als den Beitrag durch weniger spürbare Maßnahmen zu reduzieren? Der von den Ländern eingesetzte Zukunftsrat und die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) schlagen deshalb vor, den Anteil der Landesmedienanstalten aus dem Aufkommen des Rundfunkbeitrags zu überdenken.
Von interessierter Seite wird immer wieder kolportiert, die Medienanstalten seien überfinanziert, eine Überprüfung ihrer Finanzausstattung überfällig. Wer sich die Mühe macht, das verwirrende Labyrinth der Vorschriften zur Finanzierung der Medienanstalten zu durchschreiten, findet gute Gründe, an ihrer wichtigsten Geldquelle festzuhalten und gleichzeitig den Mechanismus zur Festlegung der ihnen zustehenden Mittel zu reformieren.
Die Medienanstalten finanzieren sich ebenso wie die Rundfunkanstalten ganz wesentlich aus dem Aufkommen des Rundfunkbeitrags. Der Mechanismus zur Feststellung des jeweiligen Anteils am Beitragsaufkommen könnte jedoch unterschiedlicher nicht sein. Die Beitragshöhe orientiert sich allein am Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zur Sicherung seiner Staatsferne erfolgt die Bedarfsermittlung bekanntlich in einem dreistufigen Verfahren aus Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalten, fachlicher Bedarfsermittlung durch die sachverständige Kommission KEF und abschließender politischer Beitragsfestsetzung, die derzeit in § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags (RFinStV) geregelt wird.
Nach dem Willen einiger Länder könnte die Höhe künftig durch Rechtsverordnung der Landesregierungen festgesetzt werden - ein Vorschlag, dem das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom Juli 2021 zum Rundfunkbeitrag sein Placet erteilt hat.
Gemäß § 10 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag fließen 1,899 Prozent des Beitragsaufkommens den 14 Medienanstalten zu. Hiervon erhält jede Anstalt vorab einen Sockelbetrag von 511.290 Euro (für Mehrländer-Anstalten gilt eine Sonderregelung), der verbleibende Anteil steht jeder Anstalt im Verhältnis des Aufkommens aus dem Rundfunkbeitrag in ihrem Land zu.
Nicht jede Medienanstalt erhält indes den ihr nach diesem Schlüssel zustehenden Betrag. Denn die Länder dürfen gemäß § 112 Absatz 2 Medienstaatsvertrag (MStV) den Betrag durch einen "Vorwegabzug" kürzen. Den vollen Betrag erhalten nur die Medienanstalten in Bayern, Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die übrigen Medienanstalten müssen manchmal beträchtliche Abstriche hinnehmen: die Spannweite reicht von 20 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern bis zu 68 Prozent in Hamburg und Schleswig-Holstein. Die abgezogenen Mittel fließen an die jeweilige Landesrundfunkanstalt zurück, die diese wiederum für Film- und Medienförderung, Orchester oder Kulturveranstaltungen verwenden müssen. Mittel, die von einer Medienanstalt nicht verbraucht werden, gehen ebenfalls an die Sender.
Unabhängig davon, wie viel Geld am Ende bei jeder einzelnen Medienanstalt ankommt: Die Finanzierung aus dem Rundfunkbeitrag erfolgt anhand pauschaler gesetzlicher Zuweisungen. Eine fachliche Bedarfsermittlung - wie für die Rundfunkanstalten - findet nicht statt. Die Finanzausstattung der Medienanstalten steigt also, wenn der Rundfunkbeitrag steigt - und sinkt, wenn dieser sinkt.
Die Kritik stellt zwei Aspekte des Finanzierungsmechanismus infrage: Sollen die Medienanstalten tatsächlich aus dem Rundfunkbeitrag mitfinanziert werden? Und ist die Finanzausstattung in ihrer Höhe gerechtfertigt?
Die erste Frage hat Anfang des Jahres der von den Ländern eingesetzte Zukunftsrat aufgeworfen: Regulierungsbehörden seien eigentlich aus dem allgemeinen Finanzaufkommen der zuständigen Gebietskörperschaft zu finanzieren. Die Nähe der Landesmedienanstalten zu den Öffentlich-Rechtlichen sei begrenzt, sodass es finanzverfassungsrechtlich und sachlich naheliege, die Verwendung des Rundfunkbeitrags zur Finanzierung der Medienanstalten zu prüfen. Auch die KEF stellt in ihrem jüngsten Sonderbericht zu den Einsparpotenzialen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Finanzierung der Medienanstalten aus dem Rundfunkbeitrag unter dem Schlagwort "Neuzuordnung beitragsfremder Leistungen" infrage.
Aus der politischen Logik der "Beitragsstabilität" heraus mag eine solche Neuzuordnung reizvoll erscheinen, umfasst doch der an die Medienanstalten fließende Anteil am Rundfunkbeitrag vor Abzug der Rückflüsse an die Rundfunkanstalten immerhin 35 Cent.
Rechtlich gefordert ist die Neuzuordnung indes nicht. Bereits 2018 hat das Bundesverfassungsgericht in der Rundfunkbeitragsentscheidung den aktuellen Finanzierungsmodus gebilligt: Die Beaufsichtigung der privaten Anbieter durch die Medienanstalten komme allen Rundfunkteilnehmern zugute, denn sie gewährleiste, dass das Rundfunksystem in seiner Gesamtheit den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspreche. Ist auch der Rundfunkbeitrag einst zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eingeführt worden, so bestehen jedenfalls keine rechtlichen Bedenken, sein Aufkommen allgemein zur Sicherstellung einer verfassungskonformen (Gesamt-)Rundfunklandschaft einschließlich der hierfür notwendigen Aufsicht über private Anbieter einzusetzen.
Die grundgesetzliche Rundfunkfreiheit verlangt lediglich, dass die Art der Finanzierung staatliche Einflussnahme auf die staatsfernen Medienanstalten verhindert. Die Aufsicht über private Medienangebote darf nicht anfällig für eine staatliche Einmischung "über den Geldhahn" sein. Insofern gelten vergleichbare Anforderungen wie für die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, weshalb die Mitfinanzierung der Medienanstalten aus dem (weitgehend) staatsfern festzusetzenden Beitragsaufkommen naheliegt.
Wie der Gesetzgeber diese Vorgabe umsetzt, ist seine Sache. Jeder Alternativvorschlag muss aber vor dem Gebot der Staatsferne bestehen können. Das schließt übrigens - entgegen gängigen Behauptungen - selbst eine Finanzierung der Medienanstalten (oder gar der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten) aus dem Staatshaushalt nicht per se aus. Nur wäre hierbei sicherzustellen, dass die Höhe der zuzuweisenden Haushaltsmittel auf fachlicher Basis ermittelt wird und einer politischen Disposition durch den Haushaltsgesetzgeber weitestgehend entzogen ist.
Daneben steht auch die Höhe der den Medienanstalten zufließenden Mittel in der Kritik. Bereits 2017 hatten die Präsidenten der Rechnungshöfe von Bund und Ländern beanstandet, die starre Zuweisung führe zu einer "erheblichen strukturellen Überfinanzierung" der Medienanstalten. Vereinzelt haben die Rechnungshöfe auch unwirtschaftliches Handeln von Anstalten moniert. Die KEF schließt sich in ihren Berichten regelmäßig dieser Kritik an, verweist aber darauf, dass ihr aufgrund der gesetzlichen Regelung die Hände gebunden sind.
Sowohl das Grundgesetz als auch das europäische Medienrecht verlangen jedenfalls eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Das Bundesverfassungsgericht entnimmt der Rundfunkfreiheit die Notwendigkeit einer staatsfernen Aufsichtsinstanz im privaten Sektor. Diese muss in der Lage sein, die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Anforderungen durch die Anbieter sicherzustellen. Dazu haben die Länder die Aufsichtsbehörden hinreichend zu finanzieren.
Auch die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) verlangt in Artikel 30 Absatz 4 eine Ausstattung der nationalen Regulierungsbehörden mit angemessenen finanziellen und personellen Mitteln. Diese Vorschrift bezieht sich allerdings nur auf die Überwachung der in der Richtlinie enthaltenen, vorwiegend die Angebotsgestaltung betreffenden Vorgaben. Weitergehende Aufgaben der Medienanstalten sind davon nicht umfasst.
Demnach existiert ein Bestand an verfassungs- und europarechtlich zwingenden Aufgaben der Medienanstalten, für die die Länder angemessene Finanzmittel zur Verfügung stellen müssen. Zu diesen Aufgaben wird man auch die in jüngerer Zeit vor allem durch den 2020 in Kraft getretenen Medienstaatsvertrag hinzugekommenen Aufsichtsaufgaben zählen müssen. Sie umfassen insbesondere die subsidiäre Beaufsichtigung journalistischer Online-Angebote, die Regulierung von Medienintermediären oder die Public-Value-Regulierung auf Benutzeroberflächen.
Daneben bestehen aber auch "Kann-Aufgaben", die im Laufe der Zeit den Medienanstalten übertragen worden sind und politischer Entscheidung, nicht aber Vorgaben aus höherrangigem Recht entsprungen sind. Dazu zählen die Vermittlung von Medienkompetenz oder die Journalismusförderung. Hat der Gesetzgeber jedoch die Medienanstalten gesetzlich mit der Wahrnehmung solcher Aufgaben betraut, sind die Anstalten auch zu ihrer Erfüllung verpflichtet. Das "Ob" der Aufgabenwahrnehmung ist dann nicht mehr disponibel, lediglich hinsichtlich des "Wie" verfügen sie über Spielräume.
Die Länder dürfen zwar - zumal im Bereich der "Kann-Aufgaben" - die Mittelverwendung bis zu einem gewissen Grad lenken und begrenzen, jedoch nicht so weit, dass eine staatliche Einmischung in die Aufgabenerfüllung zu konstatieren wäre. Es ist also wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Art und Umfang der gesetzlichen Aufgaben steuern den Finanzbedarf der Medienanstalten.
Allerdings unterliegen die Medienanstalten als hoheitliche Behörden den für die öffentliche Hand geltenden Haushaltsgrundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Die Mittelverwendung muss folglich nach Minimal- und Maximalprinzip erfolgen: Die Aufgaben sind mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erfüllen, wobei die Mittel gleichzeitig den größtmöglichen Effekt erzielen sollen. Die Einhaltung dieser Prinzipien obliegt derzeit den Anstalten selbst, die nachträglich von den Rechnungshöhen kontrolliert werden. Eine Vorabkontrolle, wie sie die KEF mit der Bedarfsermittlung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vornimmt, existiert nicht.
Behält man die primäre Finanzierung der Medienanstalten über den Rundfunkbeitrag bei, wäre es sachgerecht, künftig die Mittelzuweisung an die Medienanstalten konkret anhand der Aufgabenzuweisung und -erfüllung zu bemessen. Dazu sollte - analog dem Verfahren zur Finanzierung der Rundfunkanstalten - ein dreistufiges Bedarfsermittlungsverfahren eingeführt werden:
• Auf der ersten Stufe melden die Medienanstalten ihren Bedarf zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben bei der KEF an.
• Die KEF prüft auf der zweiten Stufe die Bedarfsanmeldung am Maßstab von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Der so ermittelte Bedarf fließt als eigenständiger Rechnungsposten in den KEF-Vorschlag für die Höhe des Rundfunkbeitrags ein, der
• auf der dritten Stufe von der Politik - gesetzlich oder durch Rechtsverordnung - festgesetzt wird.
Auf diese Weise ließe sich eine rechtswidrige Unterfinanzierung der Anstalten ebenso ausschließen wie die befürchtete Überfinanzierung. Auch das komplizierte System von Vorabzuweisungen an die Rundfunkanstalten wäre dadurch hinfällig. Für die KEF entstünde freilich durch diesen Mechanismus ein enormer Mehraufwand: Sie müsste die Organisationsstrukturen und die Erfüllung der - sich deutlich von den Aufgaben der Rundfunkanstalten unterscheidenden - Aufgaben durch die 14 Medienanstalten durchleuchten. Eine Erweiterung des Personals der KEF einschließlich des in ihr versammelten Sachverstands dürfte daher erforderlich sein, aber keine unüberwindbare Hürde für eine solche Reform darstellen.
Seit der Medienstaatsvertrag 2020 in Kraft trat, haben sich die Medienanstalten zu umfassenden Medienaufsichtsbehörden entwickelt. Ihre gewachsenen Aufgaben können sie nur erfüllen, wenn ihre Staatsferne gesichert ist. Hierfür sorgt auch die primäre Finanzierung der Anstalten über den Rundfunkbeitrag. Sie ist rechtlich weder bedenklich noch geboten, doch muss sich jeder Alternativvorschlag am Gebot der Staatsferne messen lassen.
Die Kritik an diesem Finanzierungsmodus dürfte deutlich leiser ausfallen, sollte künftig der Anteil der Medienanstalten nicht mehr pauschal durch Gesetz zugewiesen werden, sondern fachlich durch die KEF ermittelt werden. So ließe sich die von den Kritikern befürchtete Überfinanzierung ebenso vermeiden wie eine verfassungs- und europarechtswidrige Unterfinanzierung. Niemand sollte indes erwarten, dass durch eine solche Reform automatisch der Rundfunkbeitrag sinkt: Die Finanzierung folgt Art und Umfang der Aufgaben, nicht umgekehrt. Und die gewachsenen und künftig wohl weiter - unter anderem durch den European Media Freedom Act (EMFA) - wachsenden Aufgaben könnten tendenziell sogar einen höheren Finanzbedarf auslösen.
Die Medienanstalten können ihrerseits einen Beitrag leisten, um die Diskussion um ihre Finanzierung zu versachlichen, indem sie eine durchgängig wirtschaftliche Mittelverwendung an den Tag legen und mit noch größerer Transparenz über die Verwendung berichten. Auf diese Weise werden sie nicht nur das Vertrauen in die Mittelverwendung, sondern allgemein in ihre Arbeit steigern.
Copyright: CBH Darstellung: Autorenbox Text: Rechtsanwalt Dr. Frederik Ferreau ist stellvertretendes Mitglied der Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW
Zuerst veröffentlicht 19.11.2024 10:03
Schlagworte: Medien, Aufsicht, Landesmedienanstalten, Finanzen, Ferreau
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