EU-Kommission warnt Meta vor Ende von Faktenchecks in der EU - epd medien

08.01.2025 14:14

Die Ankündigung des Facebook-Konzerns Meta, in den USA nicht mehr mit unabhängigen Faktenprüfern zusammenzuarbeiten, schlägt Wellen. Die EU-Kommission kündigt an, in Europa die geltenden Regeln durchzusetzen. Der Tech-Experte Matthias Spielkamp befürchtet, dass die Kehrtwende von Meta am Ende zu weniger Redefreiheit führen wird.

EU-Gebäude in Brüssel

Leipzig/Berlin (epd). Die EU-Kommission warnt den Facebook-Konzern Meta davor, das Faktencheck-Programm auch in der Europäischen Union zu beenden. Der Digital Services Act (DSA) sehe unter anderem vor, dass die Plattformen systemische Risiken wie "Desinformation oder negative Auswirkungen auf den zivilgesellschaftlichen Diskurs" minderten, sagte der Kommissionssprecher für Digitales, Thomas Regnier, dem Nachrichtenradio MDR Aktuell am Dienstagabend. Sollte Meta auch in der EU nicht mehr mit unabhängigen Faktenprüfern zusammenarbeiten, müsse die Plattform im Sinne des Gesetzes "eine eigene Risikobewertung durchführen und der Kommission einen Bericht vorlegen".

Falls sich die Plattform nicht an den DSA halten sollte, "könnten wir tatsächlich auch eine Geldstrafe erlassen, die bis zu sechs Prozent des weltweiten Umsatzes einer solchen Plattform mit sich ziehen könnte", erklärte Regnier. Es müsse sichergestellt werden, dass sehr große Plattformen sich an die in der EU geltenden Regeln haben, wenn sie dort ihre Dienste anbieten, betonte der Sprecher.

Meta-Chef Mark Zuckerberg hatte am Dienstag einschneidende Veränderungen für Facebook und Instagram angekündigt. Unter anderem werde - zunächst in den USA - die Zusammenarbeit mit externen Faktenprüfern beendet. Künftig erhielten Nutzer stattdessen die Möglichkeit, falsche oder irreführende Aussagen zu kennzeichnen.

Experte befürchtet weniger Redefreiheit

Der Journalist und Tech-Experte Matthias Spielkamp bezeichnete die Ankündigung Zuckerbergs als Kehrtwende. "Wir haben immer kritisiert, wie schlecht Meta die Inhalte der Plattformen moderiert", sagte der Geschäftsführer von Algorithm Watch am Mittwoch dem epd. "Aber die Plattformen haben den Druck verspürt, zu moderieren. Jetzt verspüren sie den Druck, alles laufen lassen." Offenbar wollten sich die Plattformen beim neuen US-Präsidenten Donald Trump anbiedern. Dies werde letztlich nicht zu mehr, sondern zu weniger Redefreiheit führen, so Spielkamp.

Elon Musk, Chef der Plattform X, und Zuckerberg argumentieren unter anderem damit, die Redefreiheit stärken zu wollen. "Was sie aber tun, ist, eher liberale Beiträge zu unterbinden und den Radikalen, vor allem den Rechtsradikalen, den roten Teppich auszurollen", sagte Spielkamp. Die von Zuckerberg in seinem am Dienstag bei Instagram veröffentlichten Video verwendete Sprache kritisierte der Experte als "gruselig".

Der Tech-Milliardär bediene rechtsradikale Narrative, wenn er von Zensur und "Legacy Media" (deutsch: Altmedien) spricht. "Das ist genau der Sprech, den hierzulande die AfD verwendet, um Journalismus zu diskreditieren. Diese Begriffe sind sehr eindeutig geprägt, das ist kein Zufall", sagte Spielkamp.

Rechtliche Situation unklar

Zugleich sei die EU-Kommission den geplanten Veränderungen von Meta nicht hilflos ausgeliefert. Mit dem nötigen politischen Willen sei es etwa möglich, eine Untersuchung anzustrengen. Die könnte zum Ziel haben, von Meta zu erfahren, was das Unternehmen genau plant und welche Auswirkungen das hätte, beispielsweise mit Blick auf die Menge der Beiträge, die moderiert werden. "Das ist kein stumpfes Schwert", sagte Spielkamp.

Insgesamt sei die rechtliche Situation aber unklar. Vieles von dem, was Plattformen machten, sei nicht Schwarz oder Weiß. "Wenn Facebook etwa auch in Europa Moderationen abbauen würde, kann man nicht einfach sagen, dass das gegen das Gesetz verstößt." Es müsse festgestellt werden, ob die demokratische Debatte dadurch gefährdet würde. "Und das müsste man Meta nachweisen", so Spielkamp.

dpa hat laufenden Vertrag

Meta-Chef Zuckerberg hatte kritisiert, dass sich Regierungen aus aller Welt gegen amerikanische Unternehmen stellten und zu Zensur drängten. Dagegen werde man mit Trump arbeiten. Meta setzt seit einigen Jahren auf ein Faktencheck-System, das unabhängige Organisationen in unterschiedlichen Ländern einbindet. Partner in Deutschland sind die Deutsche Presse-Agentur (dpa) und das gemeinnützige Recherchenetzwerk Correctiv. Ein dpa-Sprecher sagte am Mittwoch auf epd-Anfrage, die Agentur sei weiterhin Faktencheck-Partner von Meta: "Wir haben einen laufenden Vertrag, zu dessen Details wir uns allerdings nicht äußern können."

Matthias Spielkamp ist regelmäßig Sachverständiger in Anhörungen des Europäischen Parlaments und Europarats. Algorithm Watch ist eine Menschenrechtsorganisation, die sich dafür einsetzt, dass Algorithmen und Künstliche Intelligenz Gerechtigkeit, Demokratie und Nachhaltigkeit stärken.

fu/cph/nbl



Zuerst veröffentlicht 08.01.2025 08:21 Letzte Änderung: 08.01.2025 15:14

Schlagworte: Medien, Internet, EU, Spielkamp, Meta, DSA, Zuckerberg, Facebook, fu, cph, nbl, NEU

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