Journalismus-Experte: RBB verpasst Chance, Schaden abzuwenden - epd medien

22.01.2025 07:32

Erfurt (epd). Nach dem Einräumen von Recherchefehlern zu Belästigungsvorwürfen gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar durch den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RRB) vermisst der Kommunikationswissenschaftler Fabian Prochazka mehr Erläuterungen durch den Sender. "Der RBB könnte in dieser Sache ausführlicher reagieren, um Schaden von sich abzuwenden", sagte Prochazka dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt. Der RBB habe den Fehler zwar zügig transparent gemacht und seine Berichterstattung zurückgenommen, jedoch fehlten weitere Erklärungen der Redaktion, wie es dazu kommen konnte, dass Vorwürfe gegen Gelbhaar vom Sender nicht besser geprüft wurden.

Gegen den Grünen-Bundestagsabgeordneten Gelbhaar hatte es bereits im Dezember Belästigungsvorwürfe gegeben, die der Politiker stets bestritten hatte. Unter anderem berichtete darüber auch der RBB, der sich bei seinen Recherchen auf Vorwürfe mehrerer Frauen berief.

"Geschichte hinter der Geschichte" erzählen

Am Wochenende wurden Zweifel an den Vorwürfen laut; in der Folge zog der RBB seine Berichterstattung in großen Teilen zurück. RBB-Chefredakteur David Biesinger erklärte, dass "journalistische Standards" womöglich "nicht vollumfänglich eingehalten worden" sind. So sei die hinter einer eidesstattlichen Versicherung liegende Identität von der Redaktion nicht ausreichend überprüft worden. Man habe Strafanzeige gegen die Person gestellt, die die Erklärung abgegeben habe.

Prochazka sagte, in der zögerlichen Aufarbeitung liege eine "verpasste Chance". Der Sender könnte offensiver mit dem Fehler umgehen und mit einer "Geschichte hinter der Geschichte" darlegen, wie es zu der fälschlichen Berichterstattung kam. Der Fall Gelbhaar habe "Krimi-Charakter" und daran könnte auch erzählt werden, wie Journalisten und Journalistinnen arbeiteten und wie Quellen nach journalistischen Standards geprüft würden. Aus der theoretischen Aufarbeitung müssten dann auch praktische Änderungen im internen Faktencheck des Senders folgen, betonte Prochazka, der an der Universität Erfurt zu Vertrauen in den Journalismus forscht.

Kein nachhaltiger Imageschaden erwartet

Einen nachhaltigen Imageschaden für den RBB erwartet der Kommunikationswissenschaftler indessen nicht: "Versäumnisse in der journalistischen Sorgfaltspflicht können das Vertrauen in Medien erschüttern, aber nicht als Einzelfall." Zwar könnten sich nun Menschen, die schon vorher eine zynische Haltung zum Journalismus oder zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehabt haben, bestätigt fühlen. Doch normalerweise misstrauten Menschen Medien erst dann, wenn ein Manipulationsverdacht durch Journalisten im Raum stehe. Dies sei in diesem Fall jedoch nicht gegeben. "Hier handelt es sich nach allem, was wir wissen, um keinen absichtlichen Fehler."

Auf epd-Anfrage hatte der RBB-Rundfunkrat am Dienstag mitgeteilt, dass zur Berichterstattung des Senders bereits mehrere Beschwerden eingegangen seien, über die der Programmausschuss am Mittwoch beraten wolle. Zudem bat der Rundfunkrat die Intendanz um eine Stellungnahme, wie die Gremiengeschäftsstelle des RBB mitteilte.

ema



Zuerst veröffentlicht 22.01.2025 08:32

Schlagworte: Medien, Journalismus, INT

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