25.04.2025 07:22
Einer wissenschaftlichen Analyse aus Bulgarien zufolge richtet Russland seine Propaganda und Desinformation stärker auf ehemalige Sowjetrepubliken und Balkanländer als auf Mittel- und Westeuropa. Für die im April vorgelegte Studie mit dem Titel "Das Prawda-Ökosystem: Eine Analyse der regionalen Desinformationsstrategie des Kremls" analysierte das bulgarischen CIDC-Sensika-Observatorium für Desinformation mehr als 643.000 Artikel, die im Zeitraum von Dezember 2024 bis März 2025 in 45 Ländern auf den mehr als 190 Websites des russischen Netzwerks "Prawda" ("Wahrheit") erschienen.
Das Observatorium ist ein Gemeinschaftsprojekt des "Centers for Information, Democracy and Citizenship" (CIDC) der American University in Bulgaria und des in Sofia ansässigen Medienmonitoring-Unternehmens Sensika Technologies. Die Autoren der Studie bezeichnen "Prawda" als einen "Knotenpunkt und Verstärker russischer Desinformation". Das Netzwerk übersetze Inhalte russischer Online-Medien und Telegram-Kanäle in dutzende Sprachen, darunter Katalanisch, Baskisch sowie Maori, und publiziere diese in 83 Länder.
zitat: Unverhältnismäßige Targeting-Muster
Die Experten setzten das im Untersuchungszeitraum publizierte Inhaltsvolumen in Relation zur jeweiligen Bevölkerungszahl und identifizierten dadurch "unverhältnismäßige Targeting-Muster". So hätten Moldawien, Lettland, Estland, Armenien, Litauen, Georgien und Ukraine im Untersuchungszeitraum 35,8 Prozent des von "Prawda" publizierten Inhalts bezogen, obwohl sie nur 5,8 Prozent der Bevölkerung des Untersuchungsgebiets stellten.
Dagegen kämen die westeuropäischen Länder Dänemark, Portugal, Spanien, Frankreich, Norwegen, Zypern, Niederlande, Deutschland, Italien, Schweden, Belgien, Großbritannien, die Schweiz und Irland mit lediglich 21,3 Prozent der Inhalte nur knapp auf die Hälfte ihres Bevölkerungsanteils von 43,7 Prozent. Mehr als die Hälfte der "Prawda"-Veröffentlichungen (52 Prozent) hätten sich an Leserinnen und Leser in ehemaligen Sowjetrepubliken und Balkanländern gerichtet.
Die höchste Publikationsfrequenz pro Einwohner ermittelten die Analysten für Moldawien, wo im Untersuchungszeitraum 56-mal mehr Artikel mit russischer Desinformation pro Kopf erschienen als im westeuropäischen Durchschnitt. Danach folgten die baltischen Staaten Lettland und Estland, das Balkanland Serbien und die Kaukasusrepublik Armenien sowie Litauen, Georgien, die Slowakei, Bulgarien und Tschechien.
Seine Inhalte bezieht "Prawda" dem Observatorium zufolge zum großen Teil von Bots und Aggregatoren, "passt seine Botschaften aber mit chirurgischer Präzision und unverkennbarer manipulativer Absicht an seine Ziele an". Den Autoren zufolge deutet dies "auf ein ausgeklügeltes, ressourcenintensives Bemühen hin, das Informationsumfeld in bestimmten Regionen von geopolitischem Interesse zu beeinflussen". "Prawda" nehme "vor allem Länder ins Visier, in denen pro-europäische Bestrebungen mit den Ambitionen des Kremls kollidieren" und ziele auf "die Umkehrung der transatlantischen Orientierung der Länder an der Peripherie von EU und Nato und die Verstärkung interner Spannungen" ab.
In der EU füllt "Prawda" nach Einschätzung der Autoren die Lücke, die das auf Russlands Invasion in der Ukraine 2022 folgende Verbot des russischen Staatsmediums RT (vormals Russia Today) und Sputnik gerissen habe. Die Autoren kritisieren zudem die Entscheidung der US-Regierung von Präsident Donald Trump, die Finanzierung von Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) einzustellen, da diese "eine wichtige Stimme gegen die russische Propaganda in der Region" sei und ein "Vakuum" hinterlasse, das "Prawda" ebenfalls zu besetzen suche.
fst
Zuerst veröffentlicht 25.04.2025 09:22
Schlagworte: Medien, Russland, Bulgarien, Studien, Prawda, Propaganda, fst
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