13.05.2025 08:09
Mainz (epd). Nach Einschätzung des Medienrechtlers Dieter Dörr ergeben sich aus der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch durch das Bundesamt für Verfassungsschutz keine Änderungen für den journalistischen Umgang mit der Partei. Dies gelte auch für die Einladungspraxis der Talkshows öffentlich-rechtlichen Sender, sagte Dörr epd im Mainz. "Wen man in Sendungen einlädt und wie man mit Vertretern solcher Parteien in Interviews umgeht, obliegt auch bei ARD und ZDF in erster Linie der journalistischen Verantwortung."
Die Einladung von AfD-Politikern in Talkshows stehe auch nicht im Widerspruch zu den Programmgrundsätzen der Öffentlich-Rechtlichen, sagte Dörr. Zwar hätten die Sender einen Wertvermittlungsauftrag, der die Grundwerte der Verfassung einschließe. Das komme in den Programmgrundsätzen zum Ausdruck, wonach der öffentlich-rechtliche Rundfunk etwa für Menschenwürde und Demokratie einzustehen habe.
Solange eine Partei nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten ist, bleibt sie eine Partei mit allen Rechten.
"Dies geschieht beispielsweise durch die Wahl der Fragestellung und Kommentierung in einer Sendung", sagte der Gründungsdirektor des Mainzer Medieninstituts. Die journalistische Verantwortung, ausgewogen und vielfältig zu berichten, schließe auch die Auseinandersetzung mit verfassungsfeindlichen Ansichten ein.
"Solange eine Partei nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten ist, bleibt sie eine Partei mit allen Rechten", betonte Dörr. Dies habe viele Folgen. "So darf sie etwa bei Wahlwerbezeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht benachteiligt werden, mögen ihre Wahlwerbespots auch noch so verfassungswidrig sein, so das Bundesverfassungsgericht." Die Grenze sei bei Wahlwerbespots erst durch die Verletzung strafrechtlicher Regelungen erreicht.
Dörr widersprach mit seiner Einschätzung den Äußerungen des Hamburger Journalistik-Professors Volker Lilienthal. Dieser hatte dem epd zuvor gesagt, die Podien in Talkshows, "diese Wahlkämpferbühnen zur besten Sendezeit", seien seit der Einstufung durch den Verfassungsschutz "als ein Verstoß gegen die geltenden Programmgrundsätze zu klassifizieren". Dies sei nicht mehr nur eine politische, sondern auch eine medienrechtliche Frage: "Vielleicht sogar irgendwann ein Fall für die Rechtsaufsicht - wenn sich nichts bessert", so Lilienthal.
Das ZDF erklärte auf epd-Anfrage zu den Aussagen Lilienthals, der Sender sei sich der Verantwortung "sehr bewusst, keine Plattform für verfassungsfeindliche Positionen zu bieten". Staatsvertraglich sei das ZDF verpflichtet, ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit zu vermitteln. Zugleich hätten die öffentlich-rechtlichen Sender den Auftrag, die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats zu unterstützen und die Menschenwürde zu achten.
"In diesem Spannungsverhältnis wägen die Redaktionen des ZDF sorgfältig und kontinuierlich ab, ob und in welcher Form die AfD, deren Vertreter und ihre Positionen im Programm dargestellt werden", teilte der Mainzer Sender mit. Eine kritische, journalistisch fundierte Auseinandersetzung mit der AfD in Beiträgen und Dokumentationen sei vor diesem Hintergrund geboten. "Mögliche diskriminierende oder verfassungsfeindliche Aussagen in Interviews bleiben nicht unwidersprochen, sondern werden für die Zuschauerinnen und Zuschauer eingeordnet."
Auch die ARD verwies auf Nachfrage auf die journalistische Verantwortung. Man berichte über die AfD und ihre Repräsentanten "unter Beachtung der üblichen journalistischen Sorgfaltspflichten und des gesetzlichen Auftrags zu unabhängiger, sachlicher, wahrheitsgemäßen und umfassender Information entsprechend der Grundsätze von Objektivität und Unparteilichkeit".
Der Vorsitzende der Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD, Klaus Sondergerld, sagte dem epd: "Ein staatsfern aufgestellter Journalismus, wie ihn der öffentlich-rechtliche Rundfunk ermöglicht, braucht keinen Anstoß durch eine der Regierung unterstehende Behörde, um immer wieder selbstkritisch zu reflektieren, ob seine Berichterstattung dem demokratischen Auftrag entspricht."
Träger der Rundfunkfreiheit seien die Intendantinnen und Intendanten, unterstrich Sondergeld. Sie und ihre programmverantwortlichen Mitarbeitenden seien am Zuge, die aktuelle Debatte im Sinne ihrer Programmhoheit zu bewerten. "Die jeweils zuständigen Aufsichtsgremien werden sich mit den Ergebnissen kritisch befassen - unaufgeregt, mit aller notwendigen Besonnenheit." Auf ARD-Ebene werde dies der Programmbeirat tun.
Auch die großen Privatsendergruppen ProSiebenSat.1 und RTL reagierten auf die Debatte zum Umgang mit der AfD. ProSiebenSat.1-Chefredakteur Sven Pietsch sagte dem epd, die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextreme Partei verändere nichts an der journalistischen Grundhaltung des Konzerns. "Wir berichten in unserer Nachrichtensendung 'Newstime' faktenbasiert und objektiv über jede Partei. Falschaussagen werden eingeordnet - bei jeder Person, bei jeder Institution und auch bei jeder Partei."
Eine RTL-Sprecherin erklärte auf epd-Anfrage, die Fragen zum zukünftigen Umgang mit der Partei und ihren Vertretern seien noch nicht abschließend geklärt.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD Anfang Mai als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft. Dagegen geht die AfD juristisch vor. Die Einstufung ist daher ausgesetzt, bis das Verwaltungsgericht Köln über einen entsprechenden Eilantrag entschieden hat.
nbl/cph
Zuerst veröffentlicht 13.05.2025 10:09 Letzte Änderung: 13.05.2025 11:13
Schlagworte: Medien, Parteien, Rechtsextremismus, AfD, ARD, ZDF, nbl, cph, Dörr, NEU
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