04.06.2025 12:04
Brüssel/Berlin (epd). Wegen mutmaßlicher Verstöße gegen den Jugendschutz hat die Europäische Kommission ein förmliches Verfahren gegen vier große pornografischen Internet-Plattformen eröffnet. Die Kommission beruft sich bei ihrem Vorgehen gegen die Anbieter Pornhub, Stripchat, XNXX und XVideos auf das Gesetz über digitale Dienste (DSA). Parallel zur EU-Kommission sollen die Mitgliedstaaten Maßnahmen gegen kleinere pornografische Plattformen ergreifen.
Henna Virkkunen, Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie, erklärte am 27. Mai: "Der Online-Raum sollte eine sichere Umgebung für Kinder sein. Unsere Priorität ist es, Minderjährige zu schützen und ihnen zu ermöglichen, sicher online zu navigieren. Gemeinsam mit den Koordinatoren für digitale Dienste in den Mitgliedstaaten sind wir entschlossen, mögliche Schäden für junge Online-Nutzer anzugehen."
In ihren Untersuchungen der Kommission zu Pornhub, Stripchat, XNXX und XVideos stellte die Kommission vorläufig fest, dass die Plattformen mehrere Anforderungen nicht erfüllen. So fehlten unter anderem geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen, die ein hohes Maß an Privatsphäre, Sicherheit und Gefahrenabwehr für Minderjährige gewährleisten, "insbesondere mit Instrumenten zur Altersüberprüfung, um Minderjährige vor Inhalten für Erwachsene zu schützen".
Der Schutz junger Nutzer im Internet ist nach Aussage der EU-Kommission eine der wichtigsten Durchsetzungsprioritäten im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste. Online-Plattformen müssten sicherstellen, dass die Rechte und das Wohl von Kindern für die Gestaltung und das Funktionieren ihrer Dienste von zentraler Bedeutung sind. Die Einleitung eines förmlichen Verfahrens greife dem Ergebnis jedoch nicht vor, stellte die Kommission klar.
Die Kommission werde nun vorrangig eine eingehende Untersuchung durchführen und weiterhin Beweise sammeln, die das Versenden zusätzlicher Auskunftsersuchen, die Durchführung von Befragungen oder Inspektionen umfassen könnten. Mit der Einleitung eines förmlichen Verfahrens werde sie ermächtigt, weitere Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen. Dies umfasse etwa den Erlass einstweiliger Maßnahmen, hieß es in der Mitteilung. Die Kommission sei ferner befugt, Verpflichtungen von Pornhub, Stripchat, XNXX und XVideos zur Behebung der im Verfahren aufgeworfenen Fragen anzunehmen.
Parallel dazu kündigt die Kommission die Beendigung der Benennung von Stripchat als sehr große Online-Plattform an, weil die Zahl der durchschnittlichen monatlich aktiven Empfänger von Stripchat in der EU während eines ununterbrochenen Zeitraums von einem Jahr unter dem entsprechenden Schwellenwert gelegen habe. Die besonderen Verpflichtungen von Stripchat als sehr große Online-Plattform erlöschen vier Monate nach der Aufhebung der Einstufung.
Während die großen Porno-Plattformen unter die Zuständigkeit der EU fallen, sind für kleinere Plattformen die Mitgliedstaaten zuständig. Die Landesmedienanstalten in Deutschland, die für private Radio- und Fernsehprogramme sowie Telemedien zuständig sind, begrüßen Verfahren der EU-Kommission als "Signal erfolgreicher Aufsicht" und "Bestätigung für das erfolgreiche Zusammenspiel nationaler und europäischer Regulierung".
Tobias Schmid, Europabeauftragter der Medienanstalten sowie Beauftragter für das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG), erklärte, es gebe "kaum ein vergleichbar irritierendes Beispiel für Unternehmen, die so hartnäckig den gesetzlichen Schutz von Kindern und Jugendlichen ignorieren und ihr geschäftliches Interesse über den Schutz von Kindern stellen". Die Einleitung der Verfahren durch die EU-Kommission sei entsprechend wenig überraschend, folgerichtig und unterstützenswert.
Bereits 2019 hatten die Medienanstalten erste Verfahren gegen Pornoplattformen wie Pornhub und xHamster eingeleitet. Das Vorgehen sei bereits mehrfach gerichtlich bestätigt worden, hieß es. Die tatsächlichen Auswirkungen blieben aber bislang überschaubar.
Im März 2022 hatte die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) beispielsweise beschlossen, den Aufruf der in Zypern ansässigen Porno-Plattform xHamster in Deutschland sperren zu lassen. Die Sperrverfügung der KJM, die fünf große Internet-Provider hierzulande umsetzen mussten, hebelte der Betreiber der Porno-Seite allerdings schnell aus: Es wurde eine neue Subdomain eingerichtet, sodass das Portal darüber auch in Deutschland wieder abrufbar war. Die Sperre galt nur für die bisherige Subdomain.
Mit dem neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der am 1. Dezember in Kraft treten soll, wird sich die Rechtslage in Deutschland ändern: Dann können auch "Angebote, die mit bereits zur Sperrung angeordneten Angeboten ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind" - sogenannte Mirror Domains - gesperrt werden.
Eva Flecken, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) betonte in der Stellungnahme der Medienanstalten: "Weder der DLM noch der KJM geht es darum, Online-Pornografie für alle Altersgruppen zu verbieten, sondern darum, das Recht von Kindern auf ein sicheres Netz durchzusetzen." Eine Sperrverfügung sollte dabei das letzte Mittel bleiben.
koe
Zuerst veröffentlicht 04.06.2025 14:04
Schlagworte: Medien, Internet, EU, Justiz, Pornografie, Medienanstalten, koe
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