Hauptsache jung - epd medien

08.06.2025 09:30

Die Zahlen sind alarmierend: Anfang des Jahres legte die damalige Seniorenministerin Lisa Paus den Altersbericht vor, laut dem die Fälle von Altersdiskriminierung im Jahr 2023 um 70 Prozent zunahmen. Auch freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WDR werfen dem Sender Altersdiskriminierung vor, weil sie mit Erreichen des Rentenalters nicht mehr für den Sender arbeiten dürfen. Die größte ARD-Anstalt weist diese Kritik zurück, macht aber keine Angaben dazu, wie viele Personen von der Regelung betroffen sind.

Wie der WDR altgediente Mitarbeiter aussortiert

Anfang 2023 löste Moderator Louis Klamroth (Jahrgang 1989) den Moderator Frank Plasberg (Jahrgang 1957) bei "Hart aber fair" ab. Er soll zur Verjüngung des ARD-Programms beitragen

epd Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) will beim Thema "Altersdiversität" vorankommen. Der Sender startete im Februar ein Projekt, das diesen Titel trägt, im Intranet wurde es mit der wohlklingenden Überschrift "Brücken bauen und voneinander lernen" bekannt gemacht. Innerhalb eines Jahres sollen altersgemischte Beratungsteams konkrete Modellprojekte entwickeln. Denn, so die Begründung: "Wie bei anderen Diversitäts-Themen gilt nämlich auch beim Alter: Gemischte Teams sind besser."

Direktorin Andrea Schafarczyk wird mit dem Satz zitiert: "Mit diesem Projekt möchten wir das Verständnis füreinander stärken und eine lebendige, diverse Unternehmenskultur fördern - für Mitarbeitende aus allen Altersgruppen und Bereichen." Und Justiziarin Katrin Neukamm ergänzte: "Uns in der Geschäftsleitung und mir als Leiterin des Diversity-Beirats ist es wichtig, Vielfalt in allen Dimensionen im WDR zu fördern. Der WDR macht ein Programm für ein vielfältiges Publikum in NRW, daher müssen wir auch selbst diese Vielfalt leben und zeigen."

Für einige müssen diese Sätze wie Hohn klingen. Denn ein Jahr zuvor, im Januar 2024, fasste der WDR einen Beschluss in einem ganz anderen Geist. Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Rentenalter erreichen, sollen seitdem grundsätzlich nicht mehr weiterbeschäftigt werden. In internen Gesprächen, aber auch öffentlich wurde betont: Ausnahmen sollten nur für Prominente wie Götz Alsmann oder Christine Westermann gemacht werden.

Die Sprechstunden für die Freien sind überlaufen.

Im September 2024 wurde im WDR-Intranet unter der Überschrift "Arbeiten im Ruhestand" das folgende Verfahren kommuniziert: Ausnahmen sollen von der jeweiligen Direktion nach drei Kriterien geprüft werden. Sie können genehmigt werden, wenn eine Übernahme der Arbeit durch Jüngere nicht möglich sei. Und/oder wenn die Übernahme "durch eine:n Rentner:in" wirtschaftlicher sei. Und/oder wenn "ein hohes programmliches Interesse" bestehe, "weil keine Nachwuchskraft für die Aufgabe gefunden wurde oder das Format in besonderer Weise an die Person gebunden ist". In den vergangenen Monaten wurde betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach und nach mitgeteilt, dass ihre Beiträge bald nicht mehr erwünscht seien. Wie viele genau bisher angesprochen wurden, teilt der WDR freilich nicht mit.

Beim Personalrat ist das Thema nach wie vor von großer Bedeutung. "Die Sprechstunden für die Freien sind überlaufen", sagt Personalrätin Anja Arp, die selbst als freie Autorin für den WDR-Hörfunk tätig ist. Nachdem es zu Unmut auch wegen der Art der Kommunikation gegenüber den Freien gekommen war, werde nun immerhin mit denen, die es betrifft, in der Regel ein halbes Jahr zuvor ein Gespräch geführt. Außerdem zeichne sich ab, dass in Zukunft häufiger Tandems gebildet werden sollen, was bedeute: Ältere sollen Jüngere an die Hand nehmen. "Wenn ältere Kolleginnen und Kollegen ihr Wissen weitergeben, macht sich das langfristig für den Sender bezahlt", sagt Arp.

Riesiges Potenzial an Wissen, Kontakten, Vernetzung, Themen-Ideen.

Am neuen Projekt "Altersdiversität" werden jedoch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rentenalter ausdrücklich nicht beteiligt. Nach Angaben der WDR-Kommunikation richtet sich das Projekt "an Kolleginnen und Kollegen unterhalb des gesetzlichen Rentenalters".

Der Sender änderte mit dem Beschluss vom Januar 2024 eine nach Ansicht vieler Redaktionen bewährte Praxis. Personalrat und Redakteursvertretung kritisierten den Beschluss als altersdiskriminierend. Er schwäche außerdem das Programm und nehme den Redaktionen die Freiheit, selbst zu entscheiden, wen sie für die Übernahme von programmlichen Aufgaben am geeignetsten halten. In einem Brief an den Rundfunk- und Verwaltungsrat protestierten mehr als 100 Unterzeichner.

Der Sender verzichte "nicht nur auf das riesige Potenzial an Wissen, Kontakten, Vernetzung, Themen-Ideen. Sondern er zerstört Lebenspläne", heißt es in dem Brief. Außerdem: "Auch wir sind der Meinung, dass es wichtig ist, neue, junge Kolleginnen und Kollegen zu fördern. Erleben wir doch gleichzeitig auch die hohe Fluktuation bei neuen jungen AutorInnen, die den WDR oft nach kurzer Zeit wieder verlassen, weil sie 'alleine gelassen wurden'."

Verjüngung der Mitarbeiter

Die Rundfunkräte diskutierten das Thema bei ihrer Sitzung im Dezember 2024, folgten aber der Darstellung der Geschäftsleitung, nicht zuständig zu sein. Betroffen sind auch populäre Programmangebote wie das "Zeitzeichen" bei WDR5, für das ein knappes Dutzend Autorinnen und Autoren arbeitet, von denen einige seit Jahren das Rentenalter überschritten haben. Im Journalismus ist es nicht ungewöhnlich, dass freiberuflich arbeitende Medienschaffende über die persönliche Altersgrenze hinaus weiterarbeiten - zumal viele nur bescheidene Rentenansprüche erworben haben.

Mit dem Ziel, die Redaktionen zu einer Verjüngung des eigenen Mitarbeiterkreises zu zwingen, verzichtet der Sender nun auf Kolleginnen wie Heike Zafar (67), die für den WDR seit 1995 in Münster und Umgebung zahlreiche Geschichten recherchiert und Beiträge für verschiedene Formate in Hörfunk und Fernsehen geliefert hat, unter anderem für die "Tagesschau". Kirchliche Themen zählen zu ihrem Spezialgebiet. So beschäftigte sie sich unter anderem mehrfach mit dem Skandal des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen im Bistum Münster, zuletzt auch mit Vorwürfen wegen Machtmissbrauch im Ruderverein Münster. Mitte September 2024 war ihr mitgeteilt worden, dass sie ab dem 1. April 2025 nicht mehr für den WDR tätig sein dürfe.

Das fühlt sich diskriminierend an.

Dass die Expertise und die Kontakte einer erfahrenen, gut vernetzten Journalistin plötzlich nicht mehr gefragt sein sollen, konnten viele in Münster nicht nachvollziehen. Aber der Sender ließ sich auch nicht von einem Brief beeindrucken, in dem sich Kolleginnen und Kollegen des Landesstudios für eine Weiterbeschäftigung Zafars stark gemacht hatten.

Nach dem Gespräch im vergangenen September habe sie die Hoffnung gehabt, "die Kuh noch vom Eis zu bekommen", sagt Heike Zafar. Sie gehörte zu den Unterzeichnern des Briefs an den Rundfunk- und Verwaltungsrat und schilderte ihren Fall bei einer Personalversammlung Ende März vor rund 2.000 digital zugeschalteten Kolleginnen und Kollegen aus persönlicher Sicht. Doch aus der erhofften Weiterbeschäftigung wird nichts. Zafar gehört zu denen, für die beim WDR keine Ausnahme gemacht werden soll. "Das fühlt sich einfach diskriminierend an", sagt sie.

Ich muss mein Licht als Intellektueller nicht unter den Scheffel stellen.

Getroffen hat es auch Max Merscheider (Pseudonym), einen freien Autor für WDR3 und WDR5. Er schreibt Features, Glossen und Rezensionen vor allem zu kulturellen und historischen Themen. Seitdem er bereits vor einigen Jahren das Rentenalter erreicht hatte, arbeitete er auch für andere Sender kontinuierlich freiberuflich weiter. "Es geht doch darum: Habe ich noch etwas zu sagen oder nicht?", erklärt er. "Ich muss mein Licht als Intellektueller nicht unter den Scheffel stellen." In einem mündlichen Gespräch war ihm ebenfalls mitgeteilt worden, dass der WDR kein Interesse an einer Weiterbeschäftigung habe. Merscheider wandte sich an Intendantin Katrin Vernau, erhielt jedoch als Antwort nur einen Brief aus der Personalabteilung, in dem der WDR den Vorwurf der Altersdiskriminierung zurückwies.

Nicht mehr für den Sender tätig sein darf auch Johanna Schenkel (68), die seit 44 Jahren fast ununterbrochen für den WDR freiberuflich tätig war, zuerst im Fernsehen, seit einigen Jahren vornehmlich im Hörfunk. Sie ist nicht nur Autorin, sondern führte auch Regie, war eng in den Redaktionsalltag eingebunden und gehörte zu den Freien, die einen arbeitnehmerähnlichen Status hatten. Im Januar wurde ihr in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass sie ab sofort keine "Prognosetage" mehr erhalte, also nicht mehr weiterbeschäftigt werde. Aufträge zu erhalten, sei allenfalls möglich, wenn sie für den WDR prominente Gesprächspartner herbeischaffen und diesen Kontakt niemand sonst herstellen könne. Als Begründung nannte eine Abteilungsleiterin unter anderem, dass auch die jungen Leute Sendeplätze bekommen müssten.

Es tut weh, dass das so aufgehört hat.

Bis dahin sei sie beim WDR immer gut behandelt worden, sagt Schenkel. Nun nennt sie das Vorgehen des WDR "extrem undankbar" und "indiskutabel". Eine Verabschiedung habe es nicht gegeben, obwohl sie immer loyal gewesen sei. Schenkel erinnert daran, dass sie 20 Jahre lang die "Funkhausgespräche" betreut und dabei in den Kontakten mit dem Publikum "den ganzen Hass" der Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abbekommen habe. Sie weist auch die Behauptung zurück, dass sie jungen Leuten im Weg stehe. Allerdings hätte sie sich gerne noch "ab und zu 300, 400 Euro" zur eigenen Rente hinzuverdient. "Es tut weh, dass es so aufgehört hat", sagt sie.

Dass sich langjährige freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einzelgesprächen "eiskalt abserviert" fühlten, wie es ein Autor gegenüber epd formulierte, weist darauf hin, dass der WDR in Sachen Unternehmenskultur noch immer Nachholbedarf hat. Nach außen hin gibt sich der Sender wenig auskunftsfreudig: Ende des vergangenen Jahres seien 2.490 arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeitende für den WDR tätig gewesen, teilt der Sender dem epd mit: "Aktuell erreichen ca. 60 freie Mitarbeitende pro Jahr das Rentenalter." Unklar bleibt dennoch, wie vielen Freien die Weiterbeschäftigung mittlerweile konkret aufgekündigt wurde oder noch in diesem Jahr aufgekündigt werden soll. Darüber, wie häufig die Ausnahmeregelung in Anspruch genommen wurde, führe der Sender keine Statistik, erklärt eine Sprecherin. Fast alle anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten, die der epd zu dem Thema angefragt hat, waren in der Lage, konkretere Angaben zu machen.

Rund 15.000 feste Freie

Seit jeher kommt kaum eine Redaktion ohne die Mitarbeit von Freiberuflern aus. Sie sind wichtige Stützen des öffentlich-rechtlichen Systems. Eine Umfrage des epd hat ergeben, dass Ende 2024 bei ARD, ZDF und Deutschlandradio (DLR) insgesamt rund 14.620 arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt waren, die meisten beim WDR (2.490), gefolgt von ZDF (2.243), MDR (1.721), SWR ("rund 1.700"), BR (1.675), NDR (1.411), RBB (1.262), HR (958), Deutschlandradio (696), Radio Bremen (251) und Saarländischer Rundfunk (213). "Programmgestaltend" oder "programmbezogen" tätig sind demnach der überwiegende Anteil, nämlich rund 13.470. Zur Einordnung: Der WDR beschäftigte laut Geschäftsbericht im Jahr 2023 insgesamt 4.135 fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Zahlen können freilich aus verschiedenen Gründen nur eine Annäherung sein. Zum einen können freie Autorinnen und Autoren für mehrere Sender arbeiten. Zum anderen sind in den Angaben nicht alle Honorarkräfte erfasst, die nur punktuell für die Anstalten tätig sind.

Wie nun auch der WDR ziehen fast alle ARD-Anstalten Altersgrenzen. Allein der Mitteldeutsche Rundfunk erklärt: "Freie Mitarbeitende können auch nach Erreichen des Regelrentenalters für den MDR tätig sein." Tatsächlich waren dort Ende 2024 elf Freiberufler im Rentenalter "kontinuierlich" beschäftigt. Wie sich jedoch zeigt, führt eine strengere Regelung ("nur in Ausnahmefällen") nicht zwingend zu einer strengeren Praxis. Denn sowohl der Hessische Rundfunk als auch der Bayerische Rundfunk beschäftigen nach eigenen Angaben mehr arbeitnehmerähnliche Freiberufler im Rentenalter als der MDR: Beim HR sind es 16, beim BR 13. Beim SR sind es sieben, bei RB vier und beim RBB drei.

Weiterbeschäftigung in Ausnahmefällen

Die Zahl der Honorarkräfte liegt deutlich höher. Beispiel Norddeutscher Rundfunk: Der NDR gibt zwar ebenfalls an, dass für freie Mitarbeitende mit Erreichen der Regelaltersgrenze das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis automatisch ende. "Verfügen erfahrene freie Mitarbeitende über eine besondere Expertise oder ein spezifisches Wissen, können sie in Ausnahmefällen weiterbeschäftigt werden." So seien im vergangenen Jahr 122 Rentnerinnen und Rentner auf Honorarbasis für den NDR tätig gewesen, teilt der Sender mit. Etwa zehn Prozent würden den Statuts der Arbeitnehmerähnlichkeit erreichen. Die Gesamtzahl der bei der ARD beschäftigten freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rentenalter mit arbeitnehmerähnlichem Status lag im vergangenen Jahr demnach bei rund 55 - ohne den WDR.

Bei ZDF und Deutschlandradio gilt wie beim MDR keine Altersgrenze. Allerdings kann das ZDF keine näheren Angaben machen, weil die Zahl der Freiberufler im Rentenalter nach Angaben des Senders statistisch nicht erfasst wird.

Auch bei der Deutschen Welle heißt es: "Eine pauschale Regelung existiert bei der DW nicht." Über eine weitere Zusammenarbeit werde immer individuell entschieden. Der Auslandssender beschäftigte 2024 weltweit 3.993 freie Mitarbeitende, im Inland sind es 2.595, davon seien 1.819 Personen arbeitnehmerähnlich beschäftigt. Wie hoch die Zahl der Freiberufler im Rentenalter ist, darüber liege keine Auswertung vor.

Leistungsfähigkeit älterer Menschen

Das Deutschlandradio gibt an, dass die Zahl derjenigen, die "honorarpflichtig für unser Haus einmalig oder wiederholt tätig waren", bei circa 4.000 liege. Und von diesen 4.000 hätten "mindestens 394 das gesetzliche Rentenalter erreicht" - also fast jeder Zehnte. Davon hätten wiederum 41 einen arbeitnehmerähnlichen Status.

Aus allen zum Teil unvollständigen Angaben ergibt sich: Im Jahr 2024 dürften mehr als 100 arbeitnehmerähnliche Freiberufler im Rentenalter in öffentlich-rechtlichen Anstalten beschäftigt gewesen sein. Sollte die Zahl der Freiberufler im Rentenalter insgesamt, einschließlich der Honorarkräfte, wie bei NDR und DLR um den Faktor zehn höher liegen, würden hochgerechnet mehr als 1.000 Personen über die Altersgrenze hinaus freiberuflich arbeiten.

Grundsätzlich - und unabhängig von aktuellen politischen Diskussionen - stellt sich die Frage, ob ein pauschaler Ausschluss von älteren Menschen, die noch arbeiten können und wollen, zeitgemäß ist. Gesundheit und Leistungsfähigkeit vieler älterer Menschen hätten sich deutlich verbessert, heißt es im Neunten Altersbericht der Bundesregierung, der im Januar vorgelegt wurde. Auch liege die Grenze, ab wann man sich selbst als alt wahrnehme, mittlerweile deutlich höher als die Rentenaltersgrenze. "Angesichts dieser alterswissenschaftlichen Befunde muss die Begründung für Altersgrenzen mit der Annahme eines allgemeinen altersbezogenen Leistungsabfalls als Altersdiskriminierung gewertet werden", zitiert der Bericht einen bereits 2013 veröffentlichten Befund des Sozial- und Rechtswissenschaftlers Thomas Klie.

WDR verweist auf Tarifvertrag

Ein juristisches Vorgehen, zum Beispiel eine Entschädigungsklage wegen Altersdiskriminierung gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), wird von einzelnen Betroffenen beim WDR nach epd-Informationen angestrebt. Der WDR verweist auf den Tarifvertrag für den Sozial- und Bestandsschutz, der es als Normalfall vorsehe, "dass mit Erreichen der Regelaltersgrenze das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis automatisch endet". Was früher unterschiedlich gehandhabt wurde, sei mit dem Beschluss vom Januar 2024 nur vereinheitlicht worden.

Doch an dieser Darstellung haben auch Arbeitsrechtler Zweifel. In einem Artikel für das Ver.di-Magazin "M - Menschen machen Medien" zitierte der Journalist Ulli Schauen, Autor des Freien-Handbuchs "Das WDR-Dschungelbuch", den Arbeitsrechtler Tobias Ziegler, der eine Klage "für nicht aussichtslos, aber auch keineswegs einen Selbstläufer" hält. Ein undifferenzierter Ausschluss allein nach Lebensalter ohne Einzelfallprüfung sei zweifelhaft. Und der Tarifvertrag verlange keinesfalls eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern beinhalte im Gegenteil die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung, indem er etwa einen Anspruch auf Urlaubsgeld für Menschen im Rentenalter vorsehe.

Das ist wie bei einem Maler, der nicht mehr malen darf.

In einer alternden Gesellschaft, in der gerade die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer das Rentenalter erreichen, verändern sich die Bedingungen des Zusammenlebens und -arbeitens. Der Anteil der Älteren wächst, auf den Jüngeren lastet ein hoher Arbeits- und Erwartungsdruck. Damit stellt sich erst recht die Frage, ob eine Verjüngungsstrategie mit der Brechstange wie beim WDR noch der Realität gerecht wird. Mit der Begründung, die Redaktionen personell und inhaltlich zu verjüngen, wurden Jüngere und Ältere vielmehr gegeneinander ausgespielt. Das wohlklingende Projekt "Altersdiversität" wirkt da wie Augenwischerei. Statt die Erfahrung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzubeziehen, weist der Sender ihnen die Tür und sorgt für ein schmerzhaftes Ende ihrer langen Karriere, die oft mehr war als eine reine Arbeitsbeziehung.

"Radiomachen ist mein Leben", sagt eine Autorin, die seit mehr als 30 Jahren für den WDR tätig ist und Hunderte von Beiträgen für renommierte Hörfunk-Formate geliefert hat. Der Beschluss der WDR-Geschäftsführung, auf die Mitarbeit von freien Autorinnen und Autoren im Rentenalter generell zu verzichten und nur wenige Ausnahmen zuzulassen, hat sie überrascht und persönlich getroffen. "Das ist wie bei einem Maler, der nicht mehr malen darf." Dass sie nun keine Aufträge mehr erhalten soll, weil sie angeblich zu alt sei, widerspreche auch der Realität der kreativen Berufe. Sie fühle sich keineswegs als Rentnerin, sagt sie. "Ich bin ja kein Dachdecker." Außerdem gehe es doch um Kompetenz: "Wir bewerben uns ja mit unseren Themen." Der Umgang des Senders mit ihr habe sie "sehr verbittert", sagt sie.

Thomas Gehringer Copyright: Foto: privat Darstellung: Autorenbox Text: Thomas Gehringer ist freier Journalist und Autor von epd medien.



Zuerst veröffentlicht 08.06.2025 11:30 Letzte Änderung: 08.06.2025 13:40

Thomas Gehringer

Schlagworte: Medien, Rundfunk, WDR, Altersdiskriminierung, ARD, Freie Mitarbeiter, Gehringer, BER, NEU

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