Der "Sandmännchen"-Effekt - epd medien

26.06.2025 10:56

Der Medienstaatsvertrag für die Reform von ARD und ZDF, der derzeit in den Länderparlamenten beraten wird, sieht vor, dass die öffentlich-rechtlichen Sender bis 2033 ihre Spartenkanäle ins Internet überführen sollen. Das gilt auch für den gemeinsamen Kinderkanal von ARD und ZDF, den Kika. Medienpädagogen sehen das kritisch.

Was passiert, wenn der Kika kein Fernsehkanal mehr ist?

Die Angebote des Kika sind auch online in den Mediatheken von ARD und ZDF zu finden

epd Stell’ dir vor, es ist Kika, und keiner guckt zu. Absurd? Durchaus nicht: In einigen Jahren wird der Kinderkanal von der Fernbedienung verschwinden. So sieht es jedenfalls die Reform des Medienstaatsvertrags vor, die die Ministerpräsidenten beschlossen haben: Spätestens bis 2033 sollen ARD und ZDF ihre Spartenkanäle ins Internet überführen, auch den gemeinsamen Kinderkanal von ARD und ZDF. Die Politik begründet diesen Entschluss mit der veränderten Mediennutzung junger Menschen und mit dem Argument, dass sich so Kosten sparen lassen.

Geld ist angesichts der Debatte um den Rundfunkbeitrag natürlich ein Thema, allerdings sind die Kosten für die terrestrische Verbreitung eines Senders vergleichsweise überschaubar, wie ein ARD-Insider sagt: Durch die Abschaltung ließen sich 880.000 Euro pro Jahr sparen. Das ist gemessen am Gesamtbudget des Kinderkanals von 100 Millionen Euro weniger als ein Prozent. Der Etat des Kika am Standort Erfurt beträgt nach Angaben des Senders rund 38 Millionen Euro, davon werden Programm, Personal, Technik und Verwaltung bezahlt; der Rest geht an ARD und ZDF für die Erstellung von "Content" und "programmliche Einbringung".

Klare Grenzen

Kritik an der von den Ministerpräsidenten verfügten Abschaltung kommt vor allem aus der Medienpädagogik. Im Idealfall schauen sich Eltern und Kinder Sendungen für die jüngste Zielgruppe zusammen im Wohnzimmer an. Das wird theoretisch auch in Zukunft möglich sein, da der Kika auch im Internet ein lineares Programm veranstalten darf. Trotzdem hat das klassische lineare Fernsehen nach Ansicht von Erziehungswissenschaftler Stefan Aufenanger gegenüber der Nutzung via Internet einen entscheidenden Vorteil: "Eltern können klare Grenzen setzen. Wenn das 'Sandmännchen' vorbei ist, geht’s ins Bett, der Fernseher wird ausgeschaltet."

Bei der Nutzung einzelner Sendungen im Internet, zum Beispiel über Youtube, sieht Aufenanger, Seniorforschungsprofessor an der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität, die Gefahr, dass die Zielgruppe immer mehr wolle: "Kaum ist eine Folge zu Ende, folgt wie in einer Endlosschleife umgehend die nächste." Andererseits müssten Kinder lernen, sinnvoll mit dem Angebot umzugehen. Hier sieht er wiederum einen Vorteil: "An vielen Geräten lassen sich mittlerweile feste Bildschirmzeiten einstellen, auf diese Weise können Eltern technisch Grenzen setzen."

Wir haben darüber diskutiert, ob die Gewalt in Zeichentrickserien schädlich für Kinder ist.

Seit geraumer Zeit spielt das Kinderfernsehen in der Öffentlichkeit keine Rolle mehr. In der Medienpädagogik und in der Kommunikationsforschung beobachtet Aufenanger das gleiche Phänomen: "Heute kann man sich kaum noch vorstellen, dass wir vor 50 Jahren hitzig über die Frage diskutiert haben, ob die Gewalt in Zeichentrickserien wie 'Schweinchen Dick' oder 'Tom und Jerry’ schädlich für Kinder ist."

Typisch für die kritische Haltung jener Zeit war der Bestseller "Die Droge im Wohnzimmer". Das 1979 erschienene Buch der amerikanischen Autorin Marie Winn trug den deutschen Titelzusatz "Für die kindliche Psyche ist Fernsehen Gift. Es gibt nur ein Gegenmittel: Abschalten!" Neil Postman konstatierte 1982, elektronische Medien wie das Fernsehen würden zum "Verschwinden der Kindheit" führen.

Kinderfernsehen ist nicht immer harmlos

Mittlerweile, bedauert Aufenanger, interessiere sich niemand mehr für die Frage, was Fernsehen für Kindheit bedeutet. Das hänge in erster Linie mit der Vielfalt der Angebote zusammen, die Kinder heute immer früher konsumieren könnten: "Sie bekommen ihr erstes Smartphone, wenn sie gerade mal im zweiten oder dritten Schuljahr sind. Das hat natürlich großen Einfluss auf ihre Mediennutzung. Im Vergleich zu den möglichen Gefahren in den sozialen Netzwerken - das Spektrum reicht ja von sexueller Belästigung bis zu Verschwörungserzählungen - wirken die Angebote im Kinderfernsehen in der Tat völlig unbedenklich. Das erklärt, warum sich der Forschungsfokus verlagert hat."

Dabei sei Kinderfernsehen keineswegs harmlos, sagt Aufenanger. Kinder könnten auch in Sendungen, die eigens für sie produziert worden sind, auf Aspekte stoßen, "die durchaus angsterregend sein können". Kindersendungen thematisierten oft Konflikte, zum Beispiel familiäre Probleme, die bei Kindern Ängste auslösen können. Dabei spiele auch die soziale Herkunft eine Rolle: "Bildungsorientierte Eltern kontrollieren eher, was ihre Kinder sehen. Das ist natürlich einfacher, wenn die Kinder im Wohnzimmer sitzen und ein flüchtiger elterlicher Blick genügt, um sich davon zu überzeugen, dass sie tatsächlich die 'Sendung mit der Maus' sehen. In bildungsfernen Familien dürfen die Kinder auch Sendungen für Erwachsene mit anschauen."

Es geht um Profite

Die Medienwissenschaftlerin Maya Götz sieht die Abschaltung der terrestrischen Kika-Ausstrahlung ähnlich kritisch: "Gegen den Abruf einzelner Sendungen in einer Mediathek hat die strukturierende Kraft eines linearen Angebots kaum eine Chance, vor allem, wenn die Suche danach auf einer ARD-ZDF-Mediathek mehr Aufwand bedeutet." Je mehr sich Kinder an die fragmentierte Nutzung einzelner Sendungen gewöhnten, desto herausfordernder werde es, sie an Programme heranzuführen, die sich von den "leicht zu konsumierenden Angeboten mit 'Abhängigkeits-Faktor' unterscheiden".

Die Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk denkt dabei vor allem an Produktionen wie die kanadische Animationsserie "Paw Patrol" (unter anderem bei Netflix), "die allein den Verkauf von Lizenzprodukten ankurbeln sollen."

Ähnlich wie Aufenanger warnt Götz vor kindlichem Medienkonsum ohne elterlichen Einfluss: "Wir leben heute in einer Zeit, in der die Eltern ihre Kinder mit dem ersten Smartphone in ein Haifischbecken lassen, das von kommerziellen Anbietern und sozialen Netzwerken aus den USA und aus China dominiert wird. Youtube und Tiktok sind nicht erfunden worden, um das Kinderwohl, die Identitätsentwicklung oder den sozialen Zusammenhalt zu fördern, sondern um Profite zu machen."

Politische Einflussnahme

Die Medienwissenschaftlerin ist zudem über eine Formulierung im Gesetz zum Reformstaatsvertrag gestolpert, die dringend korrigiert werden sollte: In Paragraf 26 heißt es: "So dienen Angebote für Kinder bspw. primär der Grundlagen- und Wertevermittlung, allgemeinem Weltwissen und der Entwicklung persönlicher Autonomie, nicht aber der politischen Meinungsbildung im engeren Sinne."

Götz kritisiert: "Mit diesem Satz ist ein Kinderfernsehen, das über leicht zu konsumierende Animationsangebote hinausgeht, der politischen Einflussnahme preisgegeben. Mit Blick auf die Entwicklungen etwa in den USA könnte dies das Ende von Wissenssendungen, Kindernachrichten oder Medienkompetenzangeboten bedeuten." Das gelte erst recht "für Dokumentationen mit Inhalten, die einzelnen Parteien nicht gefallen". Die Medienwissenschaftlerin denkt dabei in erster Linie an die AfD, die sich mehrfach kritisch zu einzelnen Kika-Sendungen geäußert hat.

Ein öffentlich-rechtliches Vollprogramm für Kinder, sagt Götz, "muss mehr beinhalten als nette Zeichentrickserien, es steht auch für demokratische Grundbildung, und zwar von Anfang an. Das ist wichtiger denn je." Sie warnt eindringlich vor einer Schwächung des Kika durch Einschnitte in Programmvielfalt und Finanzierung: "Die Entwicklungen von Smartphone und Social Media können wir nicht stoppen. Aber wir können als Gesellschaft einen medialen Freiraum bauen, in dem die Kinder sicher vor Monetarisierung sind."

Keine Gespräche mehr über das Gesehene

Das Angebot eines derartigen "Schutzraums", der prosoziale Grundlagen vermittle, ist nach Ansicht von Götz nicht damit erledigt, eine Mediathek anzubieten. Daher plädiert sie dringend dafür, den Kika zumindest im Internet auch nach 2033 weiterhin linear anzubieten: "Das Angebot ist kuratiert und ausgerichtet auf die Förderung von Werteentwicklung." Eine fragmentierte Mediennutzung heiße auch: "Es wird keine Gespräche mehr über das Gesehene geben. Schon allein die Verhandlung, was man sich anschaut, fördert die Kommunikations- und Medienkompetenz."

Bei den beteiligten Sendern stellt man diese Einwände keinesfalls in Abrede. Doch die Abschaltung ist eine politische Entscheidung. Kika-Programmgeschäftsführer Roman Twork sieht die Situation jedoch undramatisch. Er ist Jahrgang 1989 und mit dem 1997 gestarteten Kinderkanal aufgewachsen. Er erinnere sich noch gut an die Warnungen in seiner Kindheit vor zu viel Fernsehen, sagt er. Damals hieß es, Fernsehen mache dumm oder: "Davon kriegt man viereckige Augen." Seither habe sich viel verändert: "Fernsehen hat heute eine ganze andere Funktion als im Gründungsjahrzehnt des Kinderkanals." Auch die Ansprüche der Kinder seien andere als damals. Der Kika erziele schon jetzt auf allen Ausspielwegen, also linear sowie auf Abruf, hohe Reichweiten.

45 Minuten Fernsehen am Tag

Maya Götz hält dagegen: Es gebe 10,9 Millionen Kinder unter 14 Jahren in Deutschland. Deren tägliche Mediennutzung betrage 127 Minuten, davon entfielen 46 Minuten auf lineares Fernsehen. "Neben alten Menschen sind Kinder die einzige Zielgruppe, die noch verlässlich durch lineares Fernsehen erreicht wird", sagt Götz. 40 Prozent dieser Fernsehzeit verbrächten Kinder gemeinsam mit ihren Eltern: "Fernsehzeit ist bei vielen Kindern also auch Familienzeit."

Im Entwurf zum Reformstaatsvertrag stehe die Formulierung, es "dominiert in den jüngeren Altersgruppen insgesamt bereits heute die nonlineare Videonutzung", sagt Götz. Die als Beleg angeführten Zahlen bezögen sich jedoch auf die Altersgruppe 14 bis 29 Jahre (88 Prozent). Der Entwurf ignoriere also die Kinder: "Auch diese Formulierung sollte daher dringend überdacht werden."

Medienpädagogischer Mehrwert

Seit mehr als 20 Jahren gebe es um 19 Uhr einen Knick in der linearen Nutzung des Kinderkanals durch Kinder, nach "Unser Sandmännchen", bestätigt Götz. Viele Eltern nutzten diesen Moment, um die Fernsehzeit zu beenden und ihre kleineren Kinder ins Bett zu bringen. Das sei wichtig für den Rhythmus des familiären Alltags.

Auch Twork weiß um die Bedeutung des "Sandmännchens" für die Strukturierung des familiären Alltags. "Aber das würde sich nicht ändern, bloß weil das Programm nur noch digital verbreitet wird", meint er. Er plädiert daher dafür, die Diskussion über die Zukunft des Kinderfernsehens "nicht auf Basis veralteter Standpunkte zu führen". Wichtiger sei die Frage: "Welche Funktion werden öffentlich-rechtliche Kindermedien in Zukunft haben?"

Viele Möglichkeiten auf der digitalen Spielwiese.

Twork sieht zwar den "medienpädagogischen Mehrwert" der linearen Ausstrahlung, geht aber davon aus, dass dieser Mehrwert auch im Digitalen abgebildet werden könne. Das Wissensmagazin "Checker Tobi" (BR) zum Beispiel werde auch auf Abruf sehr gern gemeinsam mit den Eltern geschaut: "Natürlich sind wir uns der Gefahr einer Vereinzelung der Kinder bewusst, doch das ist nicht das absolute Bild."

Den Kika-Programmgeschäftsführer treibt eher die Frage um, wie in Zukunft auf digitale Programminhalte hingewiesen werden kann, "mit denen ein Kind vielleicht nicht unbedingt in Berührung gekommen wäre". Aber er sieht für den Kika "viele Möglichkeiten auf der digitalen Spielwiese". In einem kuratierten linearen Programm schauen sich Kinder auch Sendungen an, die sie in einem Mediatheken-Angebot nicht abrufen würden. Das sei "mit Blick auf die Erweiterung der eigenen Lebensrealität und der Wahrnehmung der Welt enorm wichtig", räumt Twork ein. Die Nutzung des linearen Angebots sei in den letzten Jahren jedoch deutlich zurückgegangen.

Kinderprofil in der ARD-Mediathek

In den nächsten sieben Jahren dürfte sich noch viel ändern. Schon jetzt, so Twork, werde die Medienwelt und somit auch die Mediennutzung in allen Altersgruppen immer fragmentierter: "Fernsehen wird noch geraume Zeit unser Standbein bleiben, aber Youtube, Netflix, Amazon und Social Media werden in Zukunft im Leben der Kinder an Bedeutung sicher noch zunehmen. Unser Vorteil ist das enorme Vertrauen, das sich der Kika seit seiner Gründung erarbeitet hat. Wenn jemand nach einem qualitativ hochwertigen Angebot für Kinder sucht, soll er auch in Zukunft bei uns landen."

Ende 2024 hat die ARD ein "Kinderprofil" in der Mediathek gestartet. Das sei "ein sicheres, werbefreies, altersgerechtes und pädagogisch kuratiertes Angebot für Kinder", sagt Jana Brandt, MDR-Programmdirektorin und ARD-Koordinatorin für den Programmbereich Kinder und Familie. Sie begrüßt den Reformstaatsvertrag als "entscheidenden Hebel, der die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Kinderangebots maßgeblich mitbestimmt. Er bietet die Möglichkeit, den Nutzungsanforderungen von Kindern und Familien an die digitalisierte Medienwelt Rechnung zu tragen."

In dem Kinderprofil, an dem sich in absehbarer Zeit auch das ZDF beteiligen wird, wird unterschieden zwischen Vorschule (3 bis 5 Jahre), Grundschule (6 bis 8 Jahre) und Preteens (9 bis 13 Jahre). Jede Altersstufe hat laut Brandt "ein eigenes Design und eigens ausgewählte Inhalte. Die Eltern steuern die Auswahl für ihre Kinder mit der Alterseingabe."

Neue Zielgruppen erreichen

Auch "Social Media" werden für die Kinderredaktionen von ARD und ZDF immer wichtiger. Michael Stumpf, Leiter der ZDF-Hauptredaktion Kinder und Jugend, sagt: "Wenn wir neue Zielgruppen erreichen wollen, müssen wir dorthin, wo sie sich aufhalten." Aus dieser Strategie des ZDF ergebe sich für seine Abteilung ein Dreiklang: "Wir wollen im linearen Fernsehen relevant bleiben, wir wollen das nonlineare Angebot relevanter machen und auf Drittplattformen relevanter werden."

Auf den Sendestrecken samstags und sonntags sei das ZDF häufig Marktführer in der Zielgruppe 3 bis 13 Jahre, sagt Stumpf. Auch die neue Streaming-Plattform des ZDF sei auf einem guten Weg. Auf den Drittplattformen setze der Sender größtenteils auf etablierte Marken wie "Logo!", "Pur+" und "Löwenzahn".

Traditionelle Gewohnheiten

"Logo!" habe seit April 2024 auch einen WhatsApp-Kanal mit inzwischen mehr als 100.000 Abonnenten, sagt Stumpf. Viele klickten dort auf die Links, die zum Streaming-Portal des ZDF oder zu "logo.de" führen. Die Redaktion überlege sich sehr genau, "mit welchen Inhalten wir auf Tiktok, Instagram und Youtube vertreten sind". Einige Formate funktionierten sehr gut, allen voran das Format "un.logo". Die 2022 gestartete "News-Comedy" richtet sich an eine etwas ältere Zielgruppe, die angebotenen Videos gehören laut Stumpf zusammen mit "Heute-Show" und "ZDF Magazin Royale" zu den erfolgreichsten ZDF-Videos auf Youtube.

Doch die deutschen Kinder bleiben offenbar gern traditionellen Gewohnheiten treu. Stumpf erzählt, Kolleginnen und Kollegen aus dem europäischen Ausland seien immer wieder überrascht, "dass wir hier noch so viele linear ausgestrahlte Kindersender haben". Deshalb investiere das ZDF den Großteil seines Budgets immer noch in klassische Produktionen und nicht in Inhalte, die in erster Linie für die Drittplattformen entstehen.

Dennoch fragt sich Stumpf: "Wird man in gut sieben Jahren überhaupt noch differenzieren, woher ein Signal kommt? Wenn ich mein TV-Signal nicht mehr über Satellit oder als DVB-T, sondern als DVB-I empfange: Ist das dann noch Fernsehen oder nicht eher ein 24/7-Stream? Anders gesagt: Können wir angemessen über die Zukunft sprechen, wenn wir dabei veraltete Begriffe verwenden? Möglicherweise verstehen wir 2033 etwas ganz anderes unter 'linearem Fernsehen' als heute."

Familiäres Lagerfeuer

Matthis Körnich, der seit 2023 die Programmgruppe "Kinder und Familie" beim WDR leitet, bestätigt: "Auch wenn die Fernsehnutzung vor allem bis ins Grundschulalter noch recht hoch ist, sind Streaming-Angebote im Kinderfernsehen bereits unverzichtbar, ihre Bedeutung wird weiter zunehmen." Die "Sendung mit der Maus" sei im Fernsehen wie im Streaming sehr erfolgreich: Zusätzlich zu den sonntäglichen Zuschauerzahlen von jeweils über eine Million habe es allein in diesem Jahr bereits mehr als elf Millionen Abrufe gegeben.

Für Eltern von Kindern im Vorschulalter sei ein "On-Demand"-Angebot perfekt, um den Medienkonsum zu steuern und eine Sendung in den familiären Tagesablauf zu integrieren. Trotzdem bezeichnet Körnich die "Sendung mit der Maus" mit Blick auf die hohen Reichweiten bei der linearen Ausstrahlung als "familiäres Lagerfeuer". Der Klassiker sei nach wie vor die meistgesehene Sendung im Kinderprogramm der ARD am Sonntag und auf Platz eins bei der gemeinsamen familiären TV-Nutzung. Die "Maus" meistere "den Spagat zwischen digitaler und analoger Welt generationsübergreifend", sagt Körnich: "Sie ist sowohl linear als auch in der Mediathek, auf Youtube und Social Media extrem erfolgreich. Es ist eine Mischung aus Ritual und individueller Mediennutzung."

Wie für das ZDF sind auch für den WDR Drittplattformen unverzichtbar - "trotz berechtigter Kritik an den Betreibern", wie Körnich betont: "Gerade bei unseren jungen Zielgruppen ist ein exklusives, nur auf unseren Plattformen stattfindendes Angebot eher chancenlos." In den digitalen Netzwerken gebe es Potenziale, die der WDR über die klassischen Wege nicht erreiche; diese Zielgruppen ließen sich vielleicht auch für öffentlich-rechtliche Inhalte gewinnen. Über Social Media würden eher die mit diesen Medien aufgewachsenen Eltern von Vorschulkindern angesprochen, sagt Körnich. "Bei 'Wissen macht Ah!' oder 'Neuneinhalb' wird es künftig unter anderem Tiktok sein, wo wir die Preteens erreichen wollen."

Die Perspektiven der Kinder

Youtube sei für viele bereits eine Art Fernsehsender geworden, der auch auf dem Fernsehgerät genutzt werde, sagt Körnich: "Wenn der Kika zum Streaming-Angebot wird, heißt das nicht, dass ich ihn nicht mehr auf dem Fernsehgerät sehe." Der WDR-Programmmacher sieht die geplante Abschaltung des Kika als Fernsehkanal "zunächst optimistisch". Das komme den Nutzungsgewohnheiten näher und biete auch neue Chancen.

Dennoch sind auch für Körnich noch viele Fragen zu klären: "Wir dürfen nicht vergessen, dass es um Generationengerechtigkeit geht und unsere Zielgruppen an vielen Stellen nicht gesehen und gehört werden." Umso wichtiger sei es, dass die Rolle des öffentlich-rechtlichen Systems hier nicht geschwächt werde. "Das wäre auch gesellschaftlich fatal", meint er. Insgesamt sollten "die Perspektiven unserer Zielgruppen auch im Gesamtangebot eine viel größere Rolle spielen", fordert Körnich Als Beispiel führt er die Aktion "#KinderStören" von Carolin Kebekus im Ersten vor dem "Tatort" an: Kebekus hatte am 18. August 2024 das Programm gekapert, um auf das Thema Kinderrechte hinzuweisen.

Tilmann Gangloff Copyright: Foto: Privat Darstellung: Autorenbox Text: Tilmann Gangloff ist freier Journalist und regelmäßiger Autor von epd medien. Er schreibt seit Jahrzehnten über Kinderfernsehen.



Zuerst veröffentlicht 26.06.2025 12:56

Tilmann Gangloff

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kinder, Kinderkanal, Kika, Gangloff

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