Reformstaatsvertrag: ARD und ZDF müssen Inhalte ins Internet verlagern - epd medien

13.03.2025 08:36

Der Reformstaatsvertrag, den die Ministerpräsidenten im Umlaufverfahren unterzeichnen wollen, sieht vor, dass es Spartenangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) in einigen Jahren nur noch im Internet geben soll. ARD und ZDF dürfen aber weiterhin lineare Programme online verbreiten.

Im November 2024 feierte der Kultur- und Wissenschaftskanal 3sat noch sein 40-jähriges Bestehen in Berlin (v.l.n.r.: HR-Intendant Florian Hager, ORF-Generaldirektor Roland Weißmann, der österreichische Botschafter Michael Linhart, SRG-Generaldirektorin Susanne Wille, ZDF-Intendant Norbert Himmler)

Frankfurt a. M. (epd). Der von den Ministerpräsidenten beschlossene Reformstaatsvertrag gibt ARD und ZDF vor, ihre Spartenkanäle spätestens bis 2033 ins Internet zu überführen. Doch sie müssen die lineare Verbreitung ihrer gemeinsamen TV-Spartenangebote nicht vollständig beenden. Möglich seien dann linear über das Internet verbreitete Programme, teilte die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz dem epd mit.

Das erlaube der Reformstaatsvertrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, auf den sich die Ministerpräsidenten im Oktober 2024 geeinigt haben. Eine lineare Verbreitung im Web sei möglich, wenn ARD und ZDF dadurch ihren Auftrag besser erfüllen könnten als über reine Abruf-Angebote. Rheinland-Pfalz hat den Vorsitz in der Rundfunkkommission der Bundesländer.

Kompetenzen bündeln

Mit dem Reformstaatsvertrag soll unter anderem das öffentlich-rechtliche Angebot neu geordnet werden. Durch Zusammenlegungen soll die Anzahl der Sender reduziert werden. Zum 1. Januar 2027 sollen sogenannte Schwerpunktangebote entstehen. Ziel sei, vorhandene Kompetenzen zu bündeln, um Ressourcen einzusparen, erklärte die Mainzer Staatskanzlei. Zugleich gehe es darum, die Angebote und ihre Wahrnehmbarkeit zu stärken.

Den Reformstaatsvertrag wollen die Ministerpräsidenten der Länder im Umlaufverfahren unterzeichnen. Anschließend kann das parlamentarische Ratifizierungsverfahren beginnen. Stimmen dann bis Ende November alle 16 Landtage zu, kann das Vertragswerk Anfang Dezember in Kraft treten.

Inhalte von 3sat in Hauptprogramme integrieren

Künftig können ARD und ZDF gemeinsam zwei Angebote mit den Schwerpunkten Information, Bildung und Dokumentation betreiben. Bislang gibt es mit Tagesschau24, ARD-Alpha, Phoenix und ZDFinfo vier solcher Spartenkanäle. Der Sender One der ARD und ZDFneo sollen in einem gemeinsamen Angebot für jüngere Erwachsene aufgehen. Hinzu kommt noch der Kinderkanal (Kika), den ARD und ZDF seit 1997 gemeinsam veranstalten. Für die 14- bis 29-Jährigen bleibt das Online-Angebot Funk von ARD und ZDF erhalten.

Auch Arte und 3sat zählen laut Reformstaatsvertrag zu den Schwerpunktangeboten. Die Inhalte von 3sat sollen nach dem Willen der Länder in der Zukunft integriert werden in Arte und dessen Online-Angebot sowie in die beiden Hauptprogramme von ARD und ZDF. Verpflichtend soll dies im Staatsvertrag aber nicht festgeschrieben werden. Gleichwohl erwarten die Länder "eine konstruktive und konsequente Herangehensweise der Anstalten an diesen Auftrag", wie Sachsen-Anhalts Staatskanzleichef Rainer Robra (CDU) erklärte.

Das führt zu einem Verlust kultureller Vielfalt.

Gegen das damit verbundene Ende von 3sat gibt es seit Herbst 2024 Proteste aus der Kulturszene. Arte und 3sat hätten "jeweils eigene Profile", sagte Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, dem epd: "Eine Zusammenlegung beider Angebote würde zwangsläufig zu einer Reduktion des Angebots und damit zu einem Verlust an kultureller Vielfalt führen."

Die neu zu schaffenden Schwerpunktangebote sollen ARD und ZDF nach den Plänen der Länder in den folgenden Jahren nach und nach ins Web überführen, als "Angebote im Internet gleichartigen Inhalts". Das entspreche "dem sich stetig wandelnden Mediennutzungsverhalten", erklärte die rheinland-pfälzische Staatskanzlei: Der Zeitpunkt für die Verlagerung ins Internet orientiere sich "zunächst flexibel an der konkreten Nutzung der jeweiligen Angebote in ihren Zielgruppen". Die ARD/ZDF Medienstudie 2024 zeige, dass in den jüngeren Altersgruppen bereits heute die non-lineare Videonutzung dominiere.

Ende der klassischen Fernsehausstrahlung

Im geplanten Reformstaatsvertrag gibt es aber nach Angaben der Staatskanzlei "für alle Schwerpunktangebote ein absolutes Enddatum für die Ausstrahlung als 'klassisches' Fernsehprogramm". Wenn die Verbreitung der Programme über Satellit, Kabel und IPTV ausläuft spart das Verbreitungskosten. Als Enddatum der klassischen Fernsehausstrahlung ist beim Kinderkanal sowie den beiden verbleibenden Informations- und Dokumentations-Sendern von ARD und ZDF der 1. Januar 2033 vorgesehen. Das Angebot für die jüngeren Erwachsenen soll spätestens Anfang 2029 nur noch im Internet verbreitet werden. Für Arte und 3sat gibt es kein fixes Datum. Hier sollen die Anstalten laut dem Staatsvertrag ebenfalls den Jahresbeginn 2033 anstreben.

Wie ARD und ZDF ihre Schwerpunktangebote dann im Netz aufstellen, ist ihnen überlassen. Den jeweiligen Konzepten müssen die Aufsichtsgremien von ARD und ZDF zustimmen. Zentral ist nach Angaben der Mainzer Staatskanzlei die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Dazu, ob das jeweilige neue Internetangebot dann linear, auf Abruf oder gegebenenfalls als Mischangebot ausgestaltet werde, mache der Reformstaatsvertrag keine Vorgaben.

Feste Ankerpunkte im Tagesablauf

Nach Angaben des ARD-Vorsitzenden Florian Hager haben die ARD-Intendanten bereits einen ersten Fahrplan zur Umsetzung der Vorgaben aus dem Reformstaatsvertrag beschlossen. Eine Sprecherin der ARD sagte dem epd, die Neuaufstellung der Spartenprogramme von ARD und ZDF habe "höchste Priorität". Näher wollte sich die ARD dazu nicht äußern. Eine abschließende Auslegung der Normen im Staatsvertrag sei noch nicht möglich. Das ZDF äußerte sich auf Anfrage ähnlich.

Anders als die Medienpolitiker heben Medienwissenschaftler die Bedeutung der linearen Programmausstrahlung hervor. Dies gelte besonders für den Kinderkanal, sagte Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZ), dem epd: "Für Kinder und Familien ist ein verlässliches, redaktionell sorgsam zusammengestelltes lineares Angebot mit festen Sendezeiten, das sich am Wohl des Kindes orientiert, wichtig." So gebe es in der Kika-Vorschulstrecke "Kikaninchen" nur Sendungen, die gezielt für diese Altersgruppe konzipiert seien. Das IZI gehört zum Bayerischen Rundfunk (BR).

Auch für Uwe Hasebrink, der seit vielen Jahren zur Mediennutzung forscht und wissenschaftlicher Direktor des Hans-Bredow-Instituts war, hat die lineare Ausstrahlung des Kinderkanals eine wichtige Funktion. Kinder und ihre Eltern erhielten so "feste Ankerpunkte im Tagesablauf", mit denen sich andere Abläufe wie das Zu-Bett-Gehen, verbinden ließen.

Die Vorteile des Programmfernsehens

Dass das Angebot für jüngere Erwachsene (ARD One/ZDFneo) ab Anfang 2029 nicht mehr linear verbreitet werden soll, erscheint Hasebrink dagegen nachvollziehbar. Insbesondere bei Jüngeren gebe es, wie die Mediennutzungsforschung zeige, "eine anhaltende Dynamik weg von linearen und hin zu nicht-linearen Angeboten". Das Zielpublikum dieses Angebots werde bis 2029 Bewegtbild-Inhalte "weit überwiegend nicht-linear" nutzen. Laut ARD/ZDF-Medienstudie nutzen nur noch 12 Prozent der 14- bis 29-Jährigen lineares Fernsehen, bei den 30- bis 49-Jährigen sind es 35 Prozent.

Insgesamt werde, so Hasebrinks Prognose, in acht Jahren die lineare Programmverbreitung aber noch relevant sein. So gebe es auch der Reformstaatsvertrag kein Enddatum für die lineare Verbreitung der öffentlich-rechtlichen Fernsehvollprogramme vor. Der Medienforscher verweist auf "besondere Vorteile" einer zeitlich festgelegten Struktur des "Programmfernsehens": Sie helfe, die Aufmerksamkeit zu lenken und sich im zunehmend unübersichtlichen Angebot an Bewegtbildinhalten zurechtzufinden. Hinzu komme die "Wahrnehmung, Teil eines Publikums zu sein, das gemeinsam ein bestimmtes Angebot verfolgt". Das könne "wiederum den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken".

vnn



Zuerst veröffentlicht 13.03.2025 09:36 Letzte Änderung: 14.03.2025 00:34

Schlagworte: Medien, Medienpolitik, Rundfunk, Spartenkanäle, Kika, 3sat, One, ZDFinfo, Tagesschau24, Phoenix, vnn, NEU

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