Viele Puzzleteile - epd medien

08.07.2025 08:40

In "World White Hate" spürt Dirk Laabs rechtem Terror weltweit nach und rückt dabei auch den Widerstand gegen solche Taten ins Zentrum.

Arte-Dokumenation "World White Hate"

Extremismusforscherin Julia Ebner kommt in der Dokumentation als Expertin zu den Themen Rechtsextremismus, Online-Radikalisierung und Terrorismusprävention zu Wort

epd Oslo und Utøya 2011, Oak Creek 2012, München 2016, Charlottesville 2017, Pittsburgh 2018, Christchurch 2019, Halle 2019, Hanau 2020, Buffalo 2022, Bratislava 2022: Die Anschläge an diesen und weiteren Orten, von den Tätern häufig live gestreamt und in Manifesten angekündigt, nimmt die dreiteilige Arte-Dokuserie "World White Hate" zum Anlass, rechtsextremistischen Terror genauso in den Blick zu nehmen wie die globale Online-Community, die ihn anfacht und die (potenziellen) Täter und deren Anstifter unter der Klammer der vermeintlichen Überlegenheit der weißen "Rasse" miteinander vernetzt.

Autor Dirk Laabs hat sich in den drei 55-minütigen Folgen viel vorgenommen: Die Täter, deren Radikalisierung und die Anschläge stehen in der ersten Folge im Mittelpunkt. Die zweite Folge widmet sich rechtsradikalen Söldnern, Soldaten und Veteranen, während die dritte Folge die Präventions- und Aufklärungsarbeit von Aussteigern der Szene, Hinterbliebenen von Terroropfern und Aktivistinnen beleuchtet.

USA klar im Fokus

Trotz der weltweiten Perspektive stehen die USA klar im Fokus der Doku. Entwicklungen wie in Brasilien, wo Anhänger von Ex-Präsident Jair Bolsonaro Anfang 2023 Regierungs- und Parlamentsgebäude attackierten, werden schnell abgehakt. Im Eiltempo hastet der Film von Fall zu Fall und manchmal wieder zurück.

Dadurch gelingt es Laabs zwar, ein breites Panorama aufzuspannen, notgedrungen aber geht das zu Lasten größerer inhaltlicher Tiefe. Die letzte Folge begleitet unter anderem Serpil Unvar, deren Sohn Ferhat beim Anschlag von Hanau im Februar 2020 ermordet wurde. Zu sehen ist auch eine Rede des Hanauer Oberbürgermeisters Claus Kaminsky (SPD) bei einer Gedenkveranstaltung für Unvar im Jahr 2023. Von der Kritik, die Angehörige der Opfer immer wieder an der Stadt Hanau und ihrem Umgang mit dem Gedenken an den Anschlag geäußert haben, erfährt man dagegen wenig.

Laabs bietet eine beeindruckende Materialfülle auf, darunter zahlreiche Interviews mit Aussteigern, Hinterbliebenen, Journalisten oder ehemaligen und aktiven Ermittlern, Archivmaterial oder Bilder von den Orten der Gewalt. Das globale Bedrohungspotential des Rechtsterrorismus zeigt die Reihe ebenso gelungen auf, wie dessen fortschreitende Legitimierung etwa durch die Trump-Regierung. Die Idee, die letzte Folge dem Mut derjenigen zu widmen, die sich nicht einschüchtern lassen und etwa als Hinterbliebene auf ihre Weise gegen den Hass kämpfen, entspricht der häufig erhobenen Forderung, nicht nur die Täter in den Mittelpunkt medialer Aufmerksamkeit zu stellen, wenngleich der Film dabei streckenweise im Stil einer US-Dokumentation viel Pathos aufträgt.

Hass als Antriebsfeder

Nicht beantwortet wird dagegen die Frage, was die Täter außer ihrer Radikalisierung und Vernetzung in obskuren Online-Foren oder in den großen sozialen Netzwerken wirklich verbindet. Ihr Hass als Antriebsfeder für ihre Taten wird eindrücklich geschildert, das ideologische Grundgerüst dahinter dagegen eher verschwommen gezeigt.

So kommt eine Analystin zu Wort, die die "Manifeste" verschiedener Attentate linguistisch untersucht hat, doch wirklich in die Tiefe geht der Film hier nicht. Dass genau das wichtig wäre, wird angedeutet: Der Direktor des Lernzentrums Utøya beklagt im Interview, dass Norwegen nach Breiviks Anschlag vergessen habe, über die politische Ideologie hinter dem Massenmord zu sprechen. Aktuell zeigt etwa der Deutschlandfunk-Podcast "Die Peter Thiel Story", wie es gelingen kann, Ideologien zugleich theoretisch anspruchsvoll und journalistisch gelungen zu beleuchten.

Breivik und seine Nachahmer

Welche Rolle spielten die radikal christlichen Vorstellungen von Anders Breivik für seine Nachahmer? Und lässt sich das US-Problem radikalisierter Veteranen - dort, impliziert die Doku, ein gesellschaftliches Tabuthema - auf Deutschland übertragen? Der Film verweist hier auf den früheren Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder, der derzeit als mutmaßliches Mitglied der Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß angeklagt ist. Eder habe im Prozess erklärt, dass ihn die Auslandseinsätze mit der Eliteeinheit KSK traumatisiert hätten. Damit legt die Doku eine interessante Spur, die aber nicht weiter verfolgt wird.

Angelegt auf den ganz großen Überblick, wirft "World White Hate" zahlreiche Puzzlestücke auf den Tisch, die aber nicht an jeder Stelle überzeugend zusammengefügt werden. Breivik und seine Nachahmer, rechtsextreme (Ex-)Soldaten, das Engagement von Terroropfern und Szene-Aussteigern: All das hätte jeweils eigene Doku-Reihen verdient. "World White Hate" zeigt dennoch eindrucksvoll, wie massiv das Problem des rechten, rassistischen Terrors ist - und wie beschämend das Achselzucken darüber in Teilen der Gesellschaft.

infobox: "World White Hate", dreiteilige Dokumentation, Regie und Buch: Dirk Laabs, Kamera: Thomas Lütz, Florian Geyer, Grégoire Ausina, Sylvestre Campe, Produktion: Ventana Film (Arte/SWR, 8.7.25, 20.15-23.00 Uhr, und in der Arte-Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 08.07.2025 10:40

Dominik Speck

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), Dokumentation, KArte, dsp

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