11.07.2025 12:43
Berlin (epd). Eine Klage wegen nicht gelöschter antisemitischer Inhalte auf der Plattform X hat vorerst keinen Erfolg. Im Prozess um sechs judenfeindliche Beiträge, darunter die Leugnung des Holocausts, wies das Berliner Kammergericht am Donnerstag die Berufung zurück. Die Entscheidung des Landgerichts, wonach die deutsche Gerichtsbarkeit für das in Irland ansässige Unternehmen nicht zuständig sei, wurde damit bestätigt, wie eine Sprecherin der Berliner Zivilgerichte am Freitag mitteilte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (AZ: 10 U 104/24)
In dem Grundsatzprozess hatten die Geschäftsführerin der gemeinnützigen Organisation HateAid, Josephine Ballon, und die ehemalige Präsidentin der Europäischen Union Jüdischer Studierender, Avital Grinberg, geklagt. Das Landgericht hatte die Klage im Juni 2024 mit Verweis auf fehlende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte abgewiesen, weil die Klägerinnen keine Verbraucherinnen seien. Das wäre aber Voraussetzung, um auf europäischer Grundlage gegen die im Ausland ansässige Plattform vorzugehen.
Der zuständige Senat des Kammergerichts erklärte in der Berufungsverhandlung, er wolle der Entscheidung des Landgerichts folgen. Auch er sehe den Erfüllungsort in Irland. Es liege keine Verbrauchersache vor, unter anderem weil eine der Klägerinnen sich in ihrem Nutzernamen als Rechtsanwältin bezeichne. Die andere Klägerin habe keine Wohnadresse angegeben, was ihre Klage unzulässig mache, weil sie dafür keine nachvollziehbaren Gründe genannt habe.
Die klagende HateAid-Geschäftsführerin Ballon bewertete das Urteil im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) als "herben Schlag, weil sich in der Rechtssprechung eine enge Definition manifestiert, wer Verbraucher ist und wer nicht". Es sei damit "höchst fraglich, ob der vertragliche Schutz der Allgemeinen Geschäftsbindungen" wirke.
In seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen verbietet X Hass schürende Postings. Ballon verwies darauf, dass gegen die Entscheidung nach Zustellung des schriftlichen Urteils eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt werden könne. Diese Möglichkeit werde auf jeden Fall geprüft, sagte sie.
Ballon sah auch die Einschätzung des Gerichts, dass sie ihr X-Profil gewerblich nutze, "grundlegend anders". Die Klägerin ist selbst Anwältin und hat unter anderem im Verbraucherrecht gearbeitet. Sie unterstrich zudem, dass die Plattform den Prozess und die damit verbundene Löschung der Inhalte aktiv habe verhindern wollen. Vergleichbare Klagen gegen Social-Media-Unternehmen seien erfolgreich verlaufen, wenn diese die Klagen nicht gerügt hätten - X habe dies jedoch getan, kritisierte Ballon.
Ein Urteil zugunsten der Klägerinnen hätte laut HateAid grundsätzlich klären können, ob deutsche Gerichte in solchen Fällen zuständig sind und welche Schutzpflichten diese Plattformen gegenüber ihren Nutzern haben.
lob
Zuerst veröffentlicht 11.07.2025 11:12 Letzte Änderung: 11.07.2025 14:43
Schlagworte: Prozesse, Medien, Kammergericht Berlin, X, Recht, Antisemitismus, lob, NEU
zur Startseite von epd medien