08.08.2025 08:52
Journalismus in Afghanistan
Frankfurt a.M./Kabul (epd). Abdul Azimi ist einer der wenigen Journalisten in Afghanistan, die sich noch trauen, über ihre Arbeit zu sprechen. "Manchmal schäme ich mich vor mir selbst, wenn ich etwas schreibe oder berichte", sagt er. Alles, was er und seine Kollegen noch tun könnten, sei, positive Berichte über die neuen Dekrete des obersten Taliban-Anführers Hibatullah Achundsada zu schreiben.
Azimi heißt eigentlich anders, will seinen echten Namen aus Sicherheitsgründen aber nicht in der Öffentlichkeit sehen. Wenige Monate bevor die Taliban im Sommer 2021 in die afghanische Hauptstadt Kabul einmarschierten, begann der heute Anfang-Dreißig-Jährige seine Arbeit als Reporter für ein staatliches Medienunternehmen der ehemaligen Regierung, das nun von den Taliban geleitet wird.
Damals hätten er und seine Kollegen noch frei arbeiten können, selbst wenn ihre Berichte etwa bei Demonstrationen oder Protesten die damalige Regierung kritisierten, sagt Azimi. "Wir berichteten einfach im Sinne der Menschen und waren den lokalen Behörden keine Rechenschaft pflichtig." Doch mit der Rückkehr der Taliban habe sich das geändert.
Diese verboten nicht nur die Übertragung von nicht religiöser Musik und Filmen, sondern auch die Verbreitung von Inhalten, die sich gegen den Islam, die afghanische Kultur oder nationale Interessen richten. Die neuen Machthaber führten zudem strenge Vorschriften für Reporterinnen und Moderatorinnen im afghanischen Fernsehen ein. Sie müssen ihre Gesichter vor der Kamera verhüllen, von männlichen Kollegen getrennt arbeiten und dürfen mit diesen nicht gemeinsam auf einem Bildschirm zu sehen sein.
Für ihn und seine Kollegen gebe es heute keine journalistische Unabhängigkeit mehr, kritisiert Azimi. Vor der Veröffentlichung ihrer Berichte müssten sie zunächst das Einverständnis des lokalen Informations- und Kulturdepartements einholen. Bei besonders sensiblen Geschichten würden die Inhalte zudem zunächst in einer WhatsApp-Gruppe gepostet, in der ranghöhere Taliban-Vertreter aus Kabul diese entweder akzeptierten oder mit einem roten Kreuz-Emoji ablehnten.
Forciert wird die scharfe Kontrolle von ganz oben. Erst im April hatte der oberste Taliban-Führer Achundsada von einem "Propagandakrieg des Westens" gesprochen, den jeder Afghane mit Härte bekämpfen müsse. Ziel sei es, die westliche Berichterstattung zu übertreffen - etwa durch positive Beiträge über Infrastrukturprojekte oder gestiegene Staatseinnahmen. "In den Sitzungen sagen sie, wir seien jetzt die neuen Soldaten in diesem Krieg und müssten positiv berichten", erzählt Azimi.
Verschärft wurde die Situation im vergangenen Sommer auch durch das neue Tugendgesetz der Taliban: Es schreibt nicht nur strenge Kleidungsvorschriften für Männer und Frauen vor, sondern verbietet auch die mediale Darstellung von Lebewesen und fordert von Frauen, ihre Stimmen nicht in der Öffentlichkeit zu erheben. Zwar sind viele der Vorschriften nur vage formuliert und werden bisher nicht vollständig umgesetzt - im afghanischen Fernsehsender Tolo News sind etwa weiterhin Moderatorinnen zu sehen und auch der letzte verbliebene Frauensender "Radio Begum" ist weiter aktiv. Doch die Grenzen sind bewusst vage formuliert, das Risiko, einen Fehler zu machen, ist groß.
Auch die Vereinten Nationen äußern sich besorgt. Laut einem Bericht des UN-Menschenrechtsbüros sehen sich Journalistinnen und Journalisten im ganzen Land Einschüchterung, willkürlichen Festnahmen und Misshandlungen ausgesetzt. Reporter ohne Grenzen bezeichnet die Taliban als einen der "größten Feinde der Pressefreiheit weltweit". Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation liegt Afghanistan auf Platz 175 von 180.
Doch nicht nur die Taliban sind ein Problem. Auch der wirtschaftliche Druck auf die privaten Medienhäuser, die zum großen Teil auf internationale Entwicklungsgelder angewiesen sind, nimmt zu. Denn diese sind zuletzt dramatisch gesunken, nicht zuletzt wegen der Abwicklung der US-Hilfsagentur USAID. In seiner Region hätten bereits viele private Medien ihre Arbeit eingestellt, sagt Azimi. Gut bezahlte und einigermaßen sichere Stellen gebe es fast nur noch in staatlich kontrollierten Medien. Auch deshalb wage niemand, gegen die Regeln zu verstoßen.
Zuerst veröffentlicht 08.08.2025 10:52
Schlagworte: Afghanistan, Medien, Menschenrechte, KORR
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