14.08.2025 10:35
Hamburg (epd). Einem Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige in Deutschland stehen nach Expertenmeinung erhebliche rechtliche Hürden entgegen. Die deutsche Politik habe in diesem Bereich überhaupt keine Regelungskompetenz, sagte der Medienrechtler Stephan Dreyer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Anwendungsvorrang habe hier der Digital Services Act (DSA) der Europäischen Union.
"Der DSA regelt abschließend den Jugendschutz, wenn es um Plattformen geht", erklärte der Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut in Hamburg. "Ein deutsches Verbot von Social Media wäre also schlicht nicht wirksam." Die einzige Möglichkeit für eine Regelung bestünde darin, sie auf EU-Ebene umzusetzen.
Seitdem Australien ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige erlassen hat, wird auch in Deutschland verstärkt über einen solchen Schritt diskutiert. Einschränkungen für Jugendliche hatten zuletzt unter anderem Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) und der Grünen-Politiker Cem Özdemir gefordert. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hatte hierzu am Mittwoch zudem ein Diskussionspapier veröffentlicht.
Laut Dreyer würde auch das im europäischen Recht festgeschriebene Herkunftslandprinzip eine deutsche Regelung aushebeln. Für Online-Anbieter, die sich in der EU niedergelassen haben, gelte nur das jeweils nationale Recht ihrer Niederlassung, führte er aus: "Und das heißt bei den großen Plattformen: Es gilt irisches Recht. Deutsches Recht kann das nicht überschreiben."
Dreyer verwies zudem darauf, dass es keine klare Definition von Social Media gebe. "Es ist nicht so ganz klar, wer eigentlich alles reguliert werden soll." Unter den Begriff der Online-Plattformen fielen in der EU zum Beispiel auch Online-Marktplätze und App-Stores. "Das müsste man dann wieder auseinanderklamüsern."
Die Kinderrechte sind nicht nur Schutzrechte, sondern sie sind auch Teilhabe- und Befähigungsrechte.
In Australien etwa sei die Nutzung von Tiktok und Instagram für Jüngere untersagt, WhatsApp aber erlaubt. Dort sei für das Verbot entscheidend, ob man beim betreffenden Online-Dienst eigene Inhalte posten und mit den anderen Plattformnutzern interagieren könne.
Aus Sicht des Medienrechtlers sprechen auch die völkerrechtlich bindenden Kinderrechte gegen ein Komplettverbot. "Die Kinderrechte sind nicht nur Schutzrechte, sondern sie sind auch Teilhabe- und Befähigungsrechte", erläuterte Dreyer. Um diese drei Aspekte auszubalancieren, sei es sinnvoller, die Online-Angebote jeweils altersangemessen zu gestalten, als sie zu verbieten. So sollten bestimmte Funktionen erst ab einem bestimmten Alter freigeschaltet werden.
Dazu seien die Plattformen durch den DSA bereits verpflichtet, unterstrich der Medienrechtler. In diesem Zusammenhang habe die EU-Kommission auch bereits Verfahren gegen Tiktok und Instagram auf den Weg gebracht. "Politisch könnte man noch mehr Druck auf die Plattformen ausüben - aber der Rechtsrahmen steht", betonte Dreyer.
fu
Zuerst veröffentlicht 14.08.2025 12:35 Letzte Änderung: 14.08.2025 16:00
Schlagworte: Kinder, Internet, Medien, Recht, INT, BER, NEU
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