Medienforscherin: Desinformation spricht diffuse Ängste an - epd medien

15.08.2025 09:43

Friederike Herrmann ist Professorin für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt

Frankfurt a.M. (epd). Desinformation in sozialen Netzwerken ist nach Einschätzung der Medienwissenschaftlerin Friederike Herrmann auch deswegen so schwer zu bekämpfen, weil die falschen oder verzerrten Erzählungen diffuse Ängste ansprechen, die weit verbreitet sind. So wichtig es sei, falsche Informationen zu entkräften, so reiche dies oft nicht aus, schreibt Herrmann in einem Gastbeitrag für epd medien: "Desinformationen und Polarisierungen erreichen und überzeugen oft auf subtilerem Weg." Auch Journalisten würden mitunter unbeabsichtigt in ihren Beiträgen solche Erzählungen weiterverbreiten.

In einer Forschungsgruppe an der Universität Eichstätt untersucht Herrmann derzeit zusammen mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unbewusste Wirkmechanismen von Desinformation in Social Media. Das Projekt, an dem mehrere Forschungseinrichtungen beteiligt sind, will "Innovative Kommunikationsstrategien zur Intervention und Prävention bei digitalen Desinformationskampagnen" entwickeln. Es wird vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt gefördert.

Erzählungen von gewalttätigen Fremden

Desinformation werde nur aufgenommen und weiterverbreitet, wenn sie sich in einen Kontext einordnen lasse, schreibt Herrmann: "Diesen Kontext geben Narrative, die im öffentlichen Diskurs zirkulieren und mit bestimmten Affekten unterlegt sind; insbesondere Narrative der Angst oder sogenannte toxische Narrative. Sie greifen diffuse Ängste, Bedürfnisse und Gefühle des Publikums auf und geben ihm einen Namen." Als Beispiel nennt sie Erzählungen von gewalttätigen Fremden. Die desinformierenden Erzählungen böten eine Begründung für die Ängste, "indem sie einfache Erklärungen und scheinbare Ursachen anbieten und angebliche Schuldige benennen".

Dies sei ein Grund dafür, dass Desinformation sich so schwer durch sachliche Argumente entkräften lasse, schreibt die Wissenschaftlerin. Redaktionen oder das Community-Management von Medienunternehmen sollten in öffentlichen Diskussionen in sozialen Netzwerken diese Ängste und Gefühle berücksichtigen. Sie müssten erkannt und benannt werden, um sie dann in einem zweiten Schritt zu bearbeiten, "im Idealfall zu entgiften". Das könne "vielleicht eine Frage sein, eine Überlegung oder Reflexion", die Redaktion könnte von eigenen Erfahrungen berichten oder die Nutzerinnen und Nutzer danach fragen.

Falsche Fakten dürften in einer öffentlichen Diskussion unter Medienbeiträgen nicht stehenbleiben, schreibt Herrmann. Hilfreich seien dabei aber keine "besserwisserischen Richtigstellungen oder moralisierenden Aussagen", sondern eine "Haltung, die auf Augenhöhe bleibt und die mit dem Kommentar verbundenen Affekte ernst nimmt". Social Media böten auch die Chance, fremdenfeindlichen Erzählungen entgegenzutreten.

dir



Zuerst veröffentlicht 15.08.2025 11:43 Letzte Änderung: 15.08.2025 14:55

Schlagworte: Medien, Internet, Medienforschung, NEU

zur Startseite von epd medien