Die ARD auf neuem Terrain - epd medien

25.09.2025 12:00

Die ARD hat ihre neue Reality-Show "Werwölfe" als "gnadenloses Spiel aus Manipulation und Täuschung" angekündigt. Für die Show sind 13 Menschen in ein abgelegenes Dorf gezogen, jedem wurde eine geheime Rolle zugewiesen. Die ersten Folgen stehen seit dem 25. September in der ARD-Mediathek.

"Werwölfe" und der Trend zum Misstrauen im Reality-TV

Die Reality-Show "Werwölfe - Das Spiel von List und Täuschung" ist am 25. September in der ARD-Mediathek gestartet

epd Als sich Ende 2024 in der "Carolin Kebekus Show" im Ersten neun Prominente an einem Tisch versammelten, um 30 Minuten lang ein am Kartenspiel "Werwölfe von Düsterwald" angelehntes Rollenspiel zu spielen, war schwer vorstellbar, dass aus dem von verbaler Erzählung und von Fantasie geprägten Spiel mal ein vielversprechendes Realityformat der ARD werden könnte. Von abgefilmten Spielrunden am Tisch, mit denen vor allem die Hamburger Rocket Beans das Nischengenre lange geprägt hatten, haben sich derlei Rollenspiele inzwischen aber zu aufwendig inszenierten Reality-Shows gemausert. Insbesondere der internationale Erfolg von "The Traitors", hierzulande als "Die Verräter - Vertraue Niemandem!" von RTL adaptiert, machte aus Rollenspielen massentaugliche Fernsehformate voller List, Täuschung und Misstrauen.

Während RTL nach drei Staffeln munter weiter Prominenten die Rollen der "Loyalen" und der "Verräter" zuweist, gelangt mit der nun angelaufenen Adaption des "Werwölfe"-Kartenspiels ein ähnlich gelagertes Spielformat auf die deutschen Fernsehbildschirme: "Werwölfe - Das Spiel von List und Täuschung" - in Auftrag gegeben von BR, WDR und SWR.

Kritik von der privaten Konkurrenz

Die Ankündigung der ARD, mit diesem Format eine Reality-Sendung ins öffentlich-rechtliche Programm zu holen, stieß bei der privaten Konkurrenz allerdings auf Missfallen. Stephan Schmitter, Chief Executive Officer von RTL Deutschland, erinnerte bei epd an den Rundfunkbeitrag, den er als "ein großes Privileg" für die Öffentlich-Rechtlichen bezeichnete. Dieses Privileg verpflichte aber, so Schmitter, "zur Zurückhaltung bei kommerziellen Formaten". "Ohne Not und abseits des Auftrags" dränge man mit der Beauftragung der "Werwölfe"-Adaption "auch in die letzte große Domäne der privaten Anbieter vor: Reality-TV".

Doch dass eine Reality-Gameshow nicht auftragskonform sein soll, ist dem Medienstaatsvertrag nicht zu entnehmen - im Gegenteil: Unterhaltungsendungen, ausdrücklich auch Spiele, sind sehr wohl Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Auch verwundert, dass Schmitter den Eindruck erweckt, Adaptionen von Lizenzformaten wie etwa "Werwölfe" oder "Gefragt - Gejagt" seien primär Privatsendern vorbehalten. Hinter der herbeifantasierten Verpflichtung zur "Zurückhaltung" steckt also wohl eher der Wunsch, die Marktmacht eines Mitbewerbers zu zähmen.

Ob sich die ARD mit "Werwölfe" nun tatsächlich, wie vielerorts vermeldet, erstmals ans Reality-TV wagt, ist des schwammigen Genrebegriffs wegen strittig. Schon Formate wie "Down the Road” und "Motorsägen Masters”, beide vom SWR, wurden von ihrem Haussender einst als Reality-Sendungen vorgestellt und dienten als "Best Practise Cases" in einem Werkstattgespräch auf der re:publica 2024. Der Titel der Runde: "Reality TV in der ARD - Vom Warum zum Wie". Nach Doku-Soaps, Dating-Shows und Competition-Formaten ist die nun gestartete Reality-Gameshow, die Strategie und List verbindet, für die Öffentlich-Rechtlichen aber tatsächlich ein Schritt auf ziemlich neues Terrain.

Düstere Bildsprache

Vorreiter ist die ARD damit aber nicht: Mit ihren Werwölfen rennt sie einem aktuellen Trend in der TV-Unterhaltung hinterher. Denn Reality-Formate, in denen es eine ganze Staffel lang darum geht, dass Spieler sich gegenseitig täuschen oder entlarven sollen, sprießen derzeit geradezu aus dem Boden: Nach "Die Verräter" bei RTL folgte kürzlich bei Joyn "The Power - Wer hat die Macht?". Auch in diesem Spiel, können Prominente einander nicht vertrauen, weil einer von ihnen der unerkannte mächtige Power Player ist. Und mit "FBoy Island" bei Prime Video steht im Oktober die deutsche Adaption der gleichnamigen Dating-Realityshow aus den USA an. Darin müssen drei Single-Frauen herausfinden, welche der 20 Männer, mit denen sie ihre Zeit auf einer Trauminsel verbringen, wirklich ernsthafte Absichten verfolgen - und wer dies nur vortäuscht, um ans Preisgeld zu kommen.

Diesem Trend ist die Mitte 2020 gezeigte Sat.1-Realityshow "The Mole - Wem kannst du trauen?" womöglich ein paar Jahre voraus gewesen. Es wird spannend sein zu beobachten, ob die ARD bloß ein weiteres von vielen derartigen Formaten umsetzt oder ob sie tatsächlich eigene Impulse setzt. Die ersten Folgen von "Werwölfe - Das Spiel von List und Täuschung" deuten an, dass das von ITV Studios Germany produzierte Format die Messlatte für Reality-TV weit nach oben setzen könnte: mit einer coolen düsteren Bildsprache, mit einer anspruchsvollen Vielschichtigkeit an Rollen, mit weniger prominenten, dafür umso pfiffigeren Kandidaten und mit dem spannenden Kniff, dass auch die Zuschauer nicht alles zu jeder Zeit wissen. Kein schlechter Start für eine öffentlich-rechtliche Reality-TV-Show.

infobox: "Werwölfe - Das Spiel von List und Täuschung", zwölfteilige Reality-Show, Produktion: ITV Studios Germany (ARD-Mediathek/BR/SWR/WDR, ab 25.9.2025, ARD, zwei Folgen am 2.10.25, 22.50-23.50 Uhr)

Lukas Respondek Copyright: Foto: fernsehserien.de Darstellung: Autorenbox Text: Lukas Respondek ist Fernsehkritiker und Redakteur bei "fernsehserien.de" und "TV Wunschliste".



Zuerst veröffentlicht 25.09.2025 14:00 Letzte Änderung: 25.09.2025 14:16

Lukas Respondek

Schlagworte: Medien, Fernsehen, ARD, Reality-Show, Respondek, BER, NEU

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