Presserat rügt Video auf "bild.de" über mutmaßlichen Bielefeld-Täter - epd medien

30.09.2025 12:23

Der Pressekodex des Deutschen Presserats

Berlin (epd). Der Deutsche Presserat hat mehrere Rügen gegen das Internetportal "bild.de" ausgesprochen. Das Video mit dem Titel "Syrer sticht fünf Menschen in Bielefeld nieder - 'Bild' im Zimmer des Attentäters" habe gegen insgesamt vier Bestimmungen des Pressekodexes verstoßen, teilte das Selbstkontrollorgan der deutschen Presse am Dienstag in Berlin mit. Das Boulevardmedium hatte den Angaben zufolge den persönlichen Lebensbereich des mutmaßlichen Täters gezeigt, darunter sein Bett sowie einen Tisch mit persönlichen Gegenständen und einem Messer. Bei dem Angriff im Mai in Bielefeld waren vier Menschen lebensgefährlich verletzt worden.

Insgesamt erkannte der Presserat darin Verstöße gegen insgesamt vier Ziffern des Pressekodex, wonach der private Aufenthaltsort besonderen Schutz genießt. Ferner verletzte die Spekulation, ob der Verdächtige in kriminelle Organisationen verwickelt sei, die Unschuldsvermutung. Schließlich erachtete der Ausschuss die Berichterstattung auch als unangemessen sensationell.

Vorverurteilende Darstellung

Wegen einer Berichterstattung unter der Überschrift "Unternehmerin ersticht ihren Mann" und der Unterzeile "Messer-Mord in feinem Anwesen nahe der Nordsee" erhielt das Axel-Springer-Medium "bild.de" eine weitere Rüge. Der Beitrag informierte über den gewaltsamen Tod eines 32-jährigen Unternehmers. Der Presserat erkannte in der Headline eine vorverurteilende Darstellung.

Ebenfalls gerügt wurde "bild.de" wegen eines Artikels über einen Mann, der in Indonesien von einem Krokodil getötet wurde. Unter der Überschrift "Er liebte das Meer und fand im Wasser den Tod" zeigte das Portal demnach in einem Video, wie das Tier den Toten durchs Wasser zieht. Diese Szene verletzte nach Ansicht des Preesserats die Würde des Opfers und war zudem übertrieben sensationell. Zusätzlich veröffentlichte die Redaktion ein Standbild und ein identifizierbares Foto des Verunglückten, wie es hieß, ohne die erforderliche Zustimmung der Angehörigen darzulegen - ein Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit.

Keine Aussagen über Kausalitäten

Rügen gab es aber beispielsweise auch für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) und die "Neue Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Die FAZ hatte einen Gastkommentar veröffentlicht, der sich kritisch mit der Cannabis-Legalisierung befasste. Darin wurde laut Presserat fälschlich behauptet, eine dänische Studie belege, dass mindestens ein Drittel aller chronisch schizophrenen Erkrankungen auf schädlichen Cannabis-Gebrauch zurückzuführen sei. Die zitierte Studie, die nur 16- bis 49-jährige Personen berücksichtigte, habe jedoch klargestellt, dass keine Aussage über Kausalitäten getroffen werden könne.

Die NOZ erhielt eine Rüge wegen eines Online-Artikels, in dem sie die Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek zu Unrecht für tot erklärt hatte. Die Zeitung habe sich in dem Beitrag "Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek gestorben" auf den Post eines Fake-Accounts auf dem Kurznachrichtendienst X bezogen, kritisierte der Presserat.

Massive Verletzung von Sorgfalt

Zudem erhielt die "Schweriner Volkszeitung" eine Rüge wegen eines Beitrags mit dem Titel "Happy End nach dem Chaos? Der Thüringer Landtag hat einen neuen Präsidenten". Diesem lag eine Agenturmeldung zugrunde, die die Redaktion um eine darin ursprünglich nicht enthaltene, sehr kritische Äußerung über die Besetzung des Landesverfassungsgerichts erweiterte. Dies machte sie nicht kenntlich und behielt auch den Namen der Agentur-Redakteurin in der Autorenzeile bei. Der Beschwerdeausschuss erkannte hierin eine massive Verletzung von Wahrhaftigkeit und Sorgfalt.

Ebenfalls die "Schweriner Volkszeitung" wurde gerügt wegen der Veröffentlichung eines Leserbriefs mit dem Titel "Wären die politisch korrekten Begriffe legitim?". Der Leserbriefschreiber äußerte darin bezugnehmend auf eine Vorberichterstattung die Ansicht, niemand solle gezwungen sein, aus seiner ablehnenden Haltung ein Geheimnis zu machen. Wenn jemand "Juden und Farbige" ablehne, habe die Gesellschaft dies hinzunehmen, hieß es darin laut Presserat. Der Beschwerdeausschuss sah in der Veröffentlichung des Leserbriefs einen schweren Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot.

Rüge für Bericht über Föderl-Schmid

Bereits vergangene Woche wurde bekannt, dass der Presserat eine Rüge gegen die "Passauer Neue Presse" (PNP) wegen der identifizierenden Berichterstattung nach dem vorübergehenden Verschwinden der Journalistin Alexandra Föderl-Schmid ausgesprochen hatte. Die Presse dürfe nach Namen und Fotos vermisster Personen veröffentlichen, jedoch nur in Absprache mit den zuständigen Behörden, teilte der Presserat am 25. September dem epd mit. Die Rüge bezieht sich auf einen Artikel in der PNP vom 8. Februar 2024 (online), in dem die Zeitung über die polizeiliche Suche nach der Journalistin berichtete.

Nach Beschwerden hatte der Presserat im Juni 2024 vorerst festgestellt, dass der PNP-Artikel kein Verstoß gegen die publizistischen Grundsätze des Presserats darstelle, und erklärte die Beschwerden für unbegründet. Die Beschwerdeführer hatten der PNP zuvor vorgeworfen, gegen die in Richtlinie 8.7 des Pressekodexes geforderte Zurückhaltung bei einer Berichterstattung über Suizide nicht beachtet zu haben. Der Presserat begründete die Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens indessen damit, dass bei der Entscheidung im Juni 2024 die Auslegung von Richtlinie 8.5 des Pressekodex (Berichterstattung über Vermisste) nicht ausreichend berücksichtigt worden war.

Insgesamt sprach der Presserat nach eigenen Angaben 18 öffentliche Rügen, 3 nicht-öffentliche Rügen, 25 Missbilligungen und 34 Hinweise aus. 49 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet, eine Beschwerde war begründet, es wurde aber auf eine Maßnahme verzichtet. Bei neun Beschwerden handelte es sich um Wiederaufnahmen und Einsprüche. Insgesamt behandelt wurden 139 Beschwerdeakten.

rid/ema



Zuerst veröffentlicht 30.09.2025 13:26 Letzte Änderung: 30.09.2025 14:23

Schlagworte: Medien, Presse, NEU

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