Mehr als 2.000 Programmbeschwerden beim RBB - epd medien

09.10.2025 06:57

Die öffentlich-rechtlichen Sender werden seit einem guten Jahr mit Programmbeschwerden geradezu überflutet. Der RBB will daher den Umgang mit Programmbeschwerden neu organisieren. Der Rundfunkrat wies in seiner Sitzung am 1. Oktober mehrere Programmbeschwerden ab.

Gebäude des RBB in Berlin

Berlin (epd). Die Zahl der Programmbeschwerden hat sich beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) im vergangenen Jahr drastisch erhöht. Mehr als 2.000 Beschwerden seien seit Mitte Juni 2024 bis Ende September dieses Jahres eingegangen, sagte Intendantin Ulrike Demmer am 1. Oktober in der RBB-Rundfunkratssitzung. Im vorigen Jahr seien im Rundfunkrat knapp 30 Programmbeschwerden behandelt worden.

Der Anstieg sei vor allem auf online über das Portal "Rundfunkalarm" eingereichte Beschwerden zurückzuführen, sagte Demmer. Die Intendantin verwies auf Einschätzungen, dass dies eine "digitale Attacke" sei. "Damit sollen Systeme lahmgelegt werden", sagte sie. Diese Entwicklung betreffe auch andere Rundfunkanstalten. NDR und ZDF hätten bereits Änderungen beim "Umgang mit den Programmbeschwerden veranlasst". Das strebe die RBB-Geschäftsleitung auch an. Sie würde dazu mit dem Rundfunkrat und dem Programmausschuss beraten, um Programmbeschwerden auch in Zukunft angemessen bearbeiten zu können.

Beschwerden über "Rundfunkalarm"

Beim ZDF will der Fernsehrat das Verfahren für Programmbeschwerden aufgrund der gestiegenen Zahl von Eingaben verändern. Dazu gibt es derzeit Beratungen, die im Dezember abgeschlossen werden sollen.

RBB-Intendantin Demmer sagte, Programmbeschwerden seien ein "wertvolles Instrument", sie seien wichtig zur Qualitätssicherung. Der Dialog mit dem Publikum sei für den RBB ein "zentraler Baustein". Frank Feuerschütz, der Vorsitzende des Programmausschusses, sagte in der Rundfunkratssitzung, notwendig sei ein gut miteinander abgestimmter Weg im Umgang mit Programmbeschwerden. Die Gremien seien "darauf angewiesen zu hören, was das Publikum denkt".

Im Mai hatte das Recherchenetzwerk "Correctiv" darüber berichtet, dass die Zahl von Programmbeschwerden bei ARD und ZDF seit Mitte 2024 massiv angestiegen ist. Laut dem Bericht waren in den ersten fünf Monaten des Jahres 48.000 Beschwerden bei ARD und ZDF eingegangen. Ein Großteil sei über das im vergangenen Jahr gestartete Online-Portal "Rundfunkalarm" eingegangen. Dort können Bürger Programmbeschwerden erstellen, die dann laut Portalbetreiber "direkt an den Intendanten der zuständigen Rundfunkanstalt weitergeleitet" würden. Alle Beschwerden würden in "eine umfangreiche Klage" von "Beitragsblocker" einfließen, heißt es bei "Rundfunkalarm.

"Rundfunkalarm" ist mit "Beitragsblocker" verknüpft. Das Portal "Beitragsblocker" bietet gegen eine Gebühr "Hilfestellungen" an, "um alle Zahlungen an Rundfunkanstalten einzustellen". Gemeint ist damit der monatliche Rundfunkbeitrag. Beide Portale betreibt der Unternehmer Markus Bönig laut den Impressumsangaben von Amsterdam aus.

Zweistufiges Verfahren

Beim RBB wie bei den übrigen öffentlich-rechtlichen Sendern gilt im Grundsatz ein zweistufiges Verfahren zur Prüfung von Programmbeschwerden, je nach Anstalt weichen diese Verfahren leicht voneinander ab. Bei jeder Beschwerde ist anzugeben, welcher Programmgrundsatz verletzt worden sein soll. Auf eine Beschwerde muss zunächst die jeweilige Intendanz dem Beschwerdeführer innerhalb einer vorgegebenen Frist antworten. Überzeugt diesen die Antwort nicht, kann er innerhalb einer bestimmten Zeitspanne das zuständige Aufsichtsgremium einschalten. Dann befassen sich die Gremien und deren Ausschüsse mit der Programmbeschwerde: Sie prüfen, ob Programmgrundsätze verletzt wurden, und entscheiden schließlich über die Annahme oder Ablehnung einer Beschwerde.

Auch die Intendanz kann in der ersten Stufe Fehler eingestehen und Programmbeschwerden in Teilen stattgeben. Der RBB teilte dem epd mit, die Intendantin habe 2024 einer Programmbeschwerde stattgegeben und zwei weiteren teilweise. Wie aus den Sitzungsprotokollen des RBB-Rundfunkrats hervorgeht, prüfte das Gremium im vorigen Jahr insgesamt fünf Programmbeschwerden, die alle zurückgewiesen wurden.

Neun Beschwerden zu "Brennpunkt"

In seiner Sitzung am 1. Oktober befasste sich der RBB-Rundfunkrat mit mehreren Programmbeschwerden. Vier Beschwerden wies der Rundfunkrat ab, wie vom Programmausschuss empfohlen. Das Gremium wies außerdem neun Beschwerden zurück, die sich gegen den am 2. Mai ausgestrahlten ARD-"Brennpunkt" zur Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch durch das Bundesamt für Verfassungsschutz richteten. In der Sendung interviewte Moderator Matthias Deiß die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und den Co-Parteivorsitzenden der AfD, Tino Chrupalla. Produziert wurde der "Brennpunkt" vom ARD-Hauptstadtstudio, das dem RBB zugeordnet ist. Das Gremium wies die Programmbeschwerden mit einer Mehrheit von 14 Stimmen ab. Damit schloss es sich nicht dem Votum des Programmausschusses an, der einen Verstoß gegen Programmgrundsätze festgestellt hatte.

Laut dem Programmausschussvorsitzenden Feuerschütz rügten die Beschwerdeführer, dass durch das Interview mit Chrupalla der AfD "eine Bühne für verfassungsfeindliche Positionen geboten" worden sei. Das sei ein Verstoß gegen den RBB-Staatsvertrag. Der Programmausschuss hatte mit vier Ja-Stimmen und drei Nein-Stimmen empfohlen, den Beschwerden stattzugeben.

Programmbeschwerde gegen Radioeins

In der Rundfunkratssitzung sagte Markus Preiß, Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, in dem "Brennpunkt" seien die Hintergründe der Verfassungsschutz-Entscheidung journalistisch beleuchtet worden, auch in Interviews mit denen, die die Entscheidung betreffe. Chrupalla sei kritisch befragt worden. Preiß verwies darauf, dass die Partei Gegenstand der Berichterstattung sei, solange sie nicht verboten sei. Das sei die Einschätzung der Juristischen Kommission der ARD.

Im Juli hatte das Gremium erstmals seit Gründung des RBB vor 22 Jahren einer Programmbeschwerde stattgegeben. Beanstandet wurden Aussagen des Radioeins-Moderators Volker Wieprecht in einem Interview, das er Ende Januar mit einer in China geborenen Food-Bloggerin zum chinesischen Neujahr führte. In der eingereichten Programmbeschwerde wurden Aussagen des Moderators als Verstoß gegen die Programmgrundsätze eingestuft: Aus Sicht des Beschwerdeführers waren es diskriminierende und abwertende Stereotype über chinesische Esskultur, die Aussagen reproduzierten rassistische Narrative über asiatische Menschen. Die Foodbloggerin zeigte sich nach dem Interview entsetzt, wie aus einem Instagram-Post von ihr deutlich wurde. Moderator und Redaktion entschuldigten sich in der Folge bei ihr. Das Interview steht nicht mehr online.

vnn



Zuerst veröffentlicht 09.10.2025 08:57

Schlagworte: Medien, Rundfunk, Aufsicht, RBB, Rundfunkrat, Programmbeschwerden, vnn

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