Was Fernsehen kann - epd medien

09.12.2025 07:45

Manches hat sich geändert, und doch ist viel beim Alten geblieben: Das Fernseh-Festival Televisionale ist von Baden-Baden nach Weimar umgezogen. Geblieben sind die öffentlichen Jury-Diskussionen, die sich unser Autor Rudolf Worschech allerdings manchmal etwas kontroverser gewünscht hätte.

Rückblick auf die Televisionale in Weimar

Das Team des Siegerfilms "No Dogs Allowed" bei der Televisionale

epd Die Televisionale ist gut in Weimar angekommen. Von 1989 bis 2024 residierte das Fernsehfilmfestival in Baden-Baden, im ersten Stock des Kurhauses. Wer es zum ersten Mal besuchte, konnte sich des Eindrucks eines Provisoriums nicht erwehren - im Erdgeschoss ging der Casinobetrieb weiter, und das Festival, dessen Besuch kostenlos ist, hatte damit zu kämpfen, dass die Zuschüsse immer weniger wurden. 2024 reichte das Geld nur für drei statt sonst fünf Tagen Festival: Die Filme wurden nur für einige Minuten angespielt (man konnte sie allerdings im Netz bei 3sat, dem Hauptkooperationspartner, komplett sehen), dann wurde diskutiert. Ein untragbarer und nicht sehr publikumsfreundlicher Zustand.

Schon damals war klar, dass das Festival nach Weimar wechselt. Zentraler Ort ist nun die Weimarhalle, ein moderner, aber passender Zweckbau am Rande der Altstadt, ausgestattet im Saal mit einer riesigen Leinwand, mit Foyer und Nebenräumen. Und es hat funktioniert: Die Besucherzahlen haben sich verdoppelt - und man konnte neben dem Branchenpublikum auch ein paar Weimarerinnen und Weimarer entdecken.

Ein starkes Zeichen für die kreative Kraft Mitteldeutschlands.

Dass zur Eröffnung Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU), Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine und MDR-Intendant Ralf Ludwig sprachen, zeigt eine Wertschätzung, die sich finanziell niedergeschlagen hat und hoffentlich in den folgenden Jahren auch nicht nachlassen wird. Ludwig sah im Umzug "ein starkes Zeichen für die kreative Kraft Mitteldeutschlands" - entsprechend regional war auch das Begleit- und Branchenprogramm ausgerichtet, mit Veranstaltungen wie "ostdeutsche Perspektiven", aber natürlich auch mit grundlegenden Panels, etwa zur immer noch ausgebliebenen "großen" Filmförderreform.

Daniela Ginten und Urs Spörri leiten seit 2022 das Festival, das von der Deutschen Akademie für Darstellende Künste und dem Sender 3sat veranstaltet wird und nun "Televisionale - Film- und Serienfestival Weimar" heißt. Sie haben zu Beginn ihrer Ära einen Serienwettbewerb ins Programm aufgenommen und warteten im Jahr des Umzugs mit weiteren Neuerungen auf. Der neu geschaffene Debütpreis der Mitteldeutschen Medienförderung ist für die beste Fernseh-Nachwuchsregiearbeit bestimmt und ersetzt den früheren MFG-Star, der MDM-Filmgewerkepreis zeichnet die besondere Leistung eines Filmgewerks aus - in diesem Jahr ging er an das Produktionsteam des nicht im Festivalprogramm laufenden Kinofilms "Vena". Und es gibt einen neuen Jugendfernsehfilmpreis für einen Film des Wettbewerbs, einen Kinderserienpreis, der in diesem Jahr an "Im Labyrinth der Lügen" ging, und den VFF Fernsehfilm-Musik-Preis, der den früheren Rolf-Hans-Müller-Preis für Filmmusik ersetzt.

Wir sind zum Loben hier.

Einige neue Preise also, aber nicht verändert haben Ginten und Spörri das Kernstück des Festivals: die öffentlichen Jury-Diskussionen im Fernsehfilm- und Serienwettbewerb.

Im Fernsehfilm-Wettbewerb diskutierten der Regisseur und Autor Andreas Dresen als Vorsitzender, Elsa van Damke (Regisseurin und Autorin), Hannah von Hübbenet (Musikerin und Filmkomponistin), Jerry Kwarteng (Schauspieler) und Cooky Ziesche (Dramaturgin und Autorin). Alles Kreative. Vor der ersten Diskussion sprach Dresen, der für seinen Fernsehfilm "Die Polizistin" 2000 selbst einmal den Fernsehfilmpreis bekam, von der Befangenheit den Kolleginnen und Kollegen gegenüber und den Schwierigkeiten, ein Urteil abzugeben: "Wir sind zum Loben hier", sagte er, versprach aber trotzdem eine kritische Sicht.

Werkstattgespräche

Um es vorwegzunehmen: allzu scharfe Kontroversen gab es bei dieser Jury nicht. Vielleicht wäre eine Stimme "von außen", ein Fernsehkritiker oder eine Fernsehkritikerin, sinnvoll? Dafür gab es kluge Diskussionen und Werkstattgespräche mit den immer zahlreich anwesenden Teammitgliedern, zu denen der omnipräsente und souveräne Moderator Urs Spörri überleitete. Die meisten ablehnenden Statements gab es bei den beiden Genrefilmen "Theken-Cowboys" (HR), einer schrägen Buddy-Komödie, und dem österreichischen Psychothriller "Ewig Dein" (ZDF/ORF). Aber vielleicht waren es auch die Filme selbst, deren Qualität in diesem Jahr wieder einmal sehr gut war, die wenig Kontroversen provozierten.

Der Fernsehfilmpreis der Deutschen Akademie für Darstellende Künste ist älter als das Festival in Baden-Baden, er wurde 1964 zum ersten Mal vergeben. Schaut man sich die Preisträgerwerke der frühen Jahre an, merkt man, wie innovativ das Fernsehen jener Zeit war. Eine solche szenische Verknappung und Kargheit wie in dem Dokumentarstück "In der Sache J. Robert Oppenheimer" von Heinar Kipphardt, dem ersten Preisträgerfilm, würde heute keine Sendeanstalt mehr durchgehen lassen. Und "Mord in Frankfurt" von Rolf Hädrich, ausgezeichnet 1968, wirkt in seiner Überlagerung mehrerer Erzählebenen moderner als viele Werke des jungen deutschen Kinos in jenere Zeit, sieht man einmal von Alexander Kluges Frankfurt-Film "Abschied von gestern" ab.

Ein Pionier der Fernsehunterhaltung

Im Jahr 1964 startete auch die erste Fernsehshow von Hans Rosenthal, einem Pionier der Fernseh-Unterhaltung: "Gut gefragt ist halb gewonnen". Das ZDF, von vielen damals aufgrund seiner Gründungsgeschichte als "Adenauer-Fernsehen" beschimpft, sendete da erst seit eineinhalb Jahren. Es hat seinen beliebten Showmaster nicht immer gut behandelt.

Der Film "Rosenthal" (ZDF) von Oliver Haffner nach dem Drehbuch von Gernot Krää, der ebenfalls im Wettbewerb um den Fernsehfilmpreis gezeigt wurde, kreist um die 75. Ausgabe von Rosenthals Sendung "Dalli Dalli" am 9. November 1978. Just an jenem 9. November jährt sich auch zum 40. Mal die Reichspogromnacht, derer 1978 sogar endlich offiziell gedacht wird, in Anwesenheit von Bundeskanzler Schmidt. Rosenthal, Überlebender des Holocaust, ist eingeladen und würde gerne den Termin für die Sendung verschieben, aber der ZDF-Programmchef verweigert dies. Der Moderator ist in einem Zweispalt.

Kluge Entscheidungen

Beeindruckend, wie der Film, einer der besten des Wettbewerbs, in ganz kurzen Szenen den immer noch latenten Antisemitismus heraufbeschwört (am Strand von Föhr heißt es: "Er ist doch ein guter Jud."). Großartig auch die Präzision und Nachahmungsgabe, mit der Schauspieler Florian Lukas den Showmaster verkörpert.

Der Film fand, mit Ausnahme der Rückblenden in die Zeit, als Rosenthal sich verstecken musste, die uneingeschränkte Sympathie der Jury. Dresen lobte die "klugen Entscheidungen von Buch und Regie", aber auch, dass das ZDF sich seiner Vergangenheit stelle, Ziesche hob hervor, dass es dem Film gelinge, in einem Moment alles zusammenzufassen. "Rosenthal" bekam immerhin den VFF Fernsehfilm-Musik-Preis, er ging an Lorenz Dangel und Fabian Zeidler. Man hätte ihm mehr Auszeichnungen gewünscht.

Opulenter Bilderbogen

Insgesamt gab es drei historisch angelegte Filme im Wettbewerb. In "Bach - ein Weihnachtswunder" (ARD) von Florian Baxmeyer und Christian Schnalke schreibt der Komponist Johann Sebastian Bach (Devid Striesow) an seinem aufwendigen Weihnachtsoratorium - gegen den Willen der Obrigkeit (Thorsten Merten, der in drei Filmen auf dem Festival vertreten war) und der protestantischen Geistlichkeit. Diese befürchten opernhafte Züge, die vom Wort Gottes ablenken könnten.

"Bach" ist ein breit angelegter Bilderbogen mit opulenten production values. Er zeigt, so Dresen, "was das öffentlich-rechtliche Fernsehen leisten kann". Von Hübbenet hob hervor, dass der Film nicht nur um das "Genie Bach" kreist, sondern auch sein Verhältnis zu seiner Familie ausführlich thematisiert, von Bachs Ehefrau Anna Magdalena (Verena Altenberger) hätte sie sich allerdings mehr gewünscht. Und für Ziesche hätte der Weg zu Bachs Katharsis durchaus länger sein können.

Eikon-Produzent Mario Krebs hätte sich für den erfolgreich gelaufenen Film (9 Millionen Zuschauer zu Weihnachten 2024, fünf im linearen TV und vier in der Mediathek) auch mehr Zeit als die üblichen 90 Minuten gewünscht, aber das Fernsehen mit seiner festen Programmstruktur denkt eben in Slots.

Politische Sprechblasen-Rhetorik

Wie "Rosenthal", spielt auch "Stammheim - Zeit des Terrors" von Niki Stein in den 70er Jahren. Der Film verfolgt den Prozess gegen die erste RAF-Generation um Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan Carl Raspe von 1975 bis 1977 und konzentriert sich nicht ausschließlich auf den Gerichtssaal wie vor 40 Jahren Reinhard Hauffs "Stammheim". Es ist die Innenansicht einer Gruppe, die nicht nur durch den Hochsicherheitstrakt in die Isolation getrieben wird, man merkt auch, dass ihre politische Sprechblasen-Rhetorik keine Bodenhaftung mehr hat.

Bei der Jury fand der Film, der auch die Perspektive des stellvertretenden JVA-Leiters Horst Bubeck einbezieht, großen Anklang. Kwarteng lobte, "wie Enge eingefangen wird", ein Mitglied der Studierenden-Jury zeigte sich beeindruckt von den kinematografischen Mitteln, etwa Kreisfahrten um die Tische herum. Allerdings kam aus der Studierenden-Jury auch der Einwand, dass der Film überästhetisierend verfahre und zu heroisch wirke. Dem pflichtete Jurorin van Damke bei: Die Terroristen "sehen aus wie Superstars". Die sie damals in manchen linken Kreisen auch waren.

Eine Partynacht vor 30 Jahren

Polizisten gehören im deutschen Fernsehen zu der wahrscheinlich am häufigsten vertretenen Bevölkerungsgruppe, meist fixiert in festen Formaten. Drei Filme im Polizeimilieu landeten im Wettbewerb (im gesamten Programm waren es sogar fünf). Der Kölner "Tatort" mit dem Titel "Colonius" und den altgedienten Kommissaren Ballauf und Schenk (ihr 93. Fall) verknüpft sehr geschickt die Ereignisse einer Partynacht vor 30 Jahren mit einem Mord in der Gegenwart.

Jurorin van Damke vermisste allerdings die Repräsentation von people of colour (POC) in diesem Film. Ein Sachverhalt, den die Jury auch bei "Morden auf Öd. Ein Inselkrimi - Tag der Abrechnung" (RTL) von Richard Huber und Holger Karsten Schmidt diskutierte, der einzigen Produktion eines Privatsenders im Wettbewerb. Auf dem Revier auf dem Festland gegenüber der fiktiven Insel gibt es einen schwarzen Polizisten, der durch einen etwas dämlichen Dialog auffällt. Van Damke fühlte sich "als junge Generation nicht abgeholt" bei diesem Film.

Kriminelle Machenschaften

Kritik musste der Film auch wegen seiner Musik einstecken, "die immer Spannung aufbauen muss", wie von Hübbenet anmerkte, die von vornherein bedrohlich wirkt - ein Erfordernis der Werbeunterbrechungen. Interessant ist, dass in dem lakonisch erzählten und wunderbar fotografierten "Morden auf Öd" eine verdeckte Ermittlerin die kriminellen Machenschaften zweier Polizisten aufdeckt.

Auch in "Die Nichte des Polizisten" (SWR/NDR) von Dustin Loose - ein weiteres Highlight im Wettbewerb - werden kriminelle Verbindungen angedeutet, diesmal ins rechtsradikale Umfeld. Das Vertrauen in unsere Ordnungskräfte scheint erschüttert. "Die Nichte des Polizisten" ist inspiriert vom realen Fall der 2007 in Heilbronn erschossenen Polizistin Michèle Kiesewetter - ein Mord, der aufgrund der Tatwaffe dem sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zugerechnet wurde, der zwischen 2000 und 2006 in deutschen Städten neun rassistisch motivierte Morde verübt hatte.

Ein Film von archaischer Gewalt.

Der Film beschreibt, wie die junge Polizistin Rebecca um Aufnahme in eine Spezialeinheit der baden-württembergischen Polizei kämpft. Eine Aktion gegen einen Drogen- und Waffenschmugglerring schlägt fehl, wahrscheinlich wegen durchgestochener Informationen. Viel Zeit verwendet der Film auf die nachgerade militärisch wirkende Ausbildung. Der Film entfalte einen "unglaublichen Sog", befand Jurorin Ziesche, "das Wir-Gefühl stellt sich unfassbar plastisch dar". Für Dresen war "Die Nichte des Polizisten" ein Film "von archaischer Gewalt, der Angst macht, der zu Recht Angst macht".

Die Produzentin Gabriele Sperl, die auch die sogenannte NSU-Trilogie von 2016 verantwortete, betonte, dass sich der Film "sehr streng an die Geschichte der Michèle Kiesewetter halte - ohne eine Lösung dafür zu haben". Der Film erhielt drei Auszeichnungen: den Filmpreis der Studierenden, einen Sonderpreis für die herausragende Kamera (Clemens Baumeister) und den Jugendfernsehfilmpreis. Immerhin.

Große Sensibilität

Die Jury für den Fernsehfilmpreis entschied sich für "No Dogs Allowed" (ZDF) von Steve Bache. Im Mittelpunkt steht der 15-jährige Junge Gabo mit pädophilen Neigungen, der sich, anfangs zögerlich, auf ein sexuelles Abenteuer mit einem älteren Mann einlässt. Als der - wegen eines anderen Jungen - angezeigt wird, versucht Gabo, sich aus der Affäre zu ziehen, bis er sich am Ende seine Neigungen eingestehen muss. "Ich wurde schockiert, ich habe mich unwohl gefühlt und war sprachlos. Ich bin dankbar für die Sensibilität, mit der dieser Film gemacht wurde", sagte Jurorin van Damke. Ziesche hob die Mehrschichtigkeit des Films hervor, es sei das klügste Buch, das sie seit Jahren gelesen habe. Nur aus den Kreisen der Studierenden-Jury kam eine leise Kritik: die Figur der Mutter sei widersprüchlich.

Das Publikum, das alle Filme in der 3sat-Mediathek sehen konnte, votierte für "Sterben für Beginner" (ZDF) von Christian Klandt, eine mitunter exaltierte Komödie um die Freundschaft zweier Männer, von denen der eine an einem Hirntumor stirbt und der andere bei einem Bestattungsinstitut anheuert. Gut gelingt dem Film die Verschränkung von Tragik und Komik, er ist voll kleiner, liebenswerter Details.

Im Serienwettbewerb entschied sich die Jury unter dem Vorsitz der Schauspielerin Désirée Nosbusch für die ARD-Serie "Schwarze Früchte", die sich um den schwarzen und queeren Mittzwanziger Lalo dreht und verfolgt, wie er immer wieder gegen Wände rennt. Nominiert waren außerdem die skurrile schwäbische Serie "Tschappel" (ZDFneo), die auf dem Land spielt, "Chabos" (ebenfalls ZDFneo) um eine Jungsclique in den 2000er Jahren, die Anthologie-Serie "Uncivilized" (ZDF), die erzählt, wie sich Ereignisse wie 9/11 oder die Morde von Hanau auf die migrantische Community auswirken, und die furiose Krankenhaus-Serie "Krank Berlin" (Apple TV/ZDFneo).

infobox: Die Televisionale fand vom 1. bis 5. Dezember in Weimar statt. Im Wettbewerb um den besten deutschsprachigen Fernsehfilm konkurrierten zehn Produktionen, im Wettbewerb um den Deutschen Serienpreis waren fünf Produktionen nominiert. Der Debütpreis der Mitteldeutschen Medienförderung ging an die ZDF-Serie "Chabos", den Kinderserienpreis erhielt "Im Labyrinth der Lügen" (Kika/ZDF). Der Serienpreis der Studierenden ging an "Uncivilized" (ZDF). Mit dem Ehrenpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste wurden Heide und Christian Schwochow ausgezeichnet.

Rudolf Worschech, Copyright: epd-bild/Heike Lyding Darstellung: Autorenbox Text: Rudolf Worschech war bis 2023 Leitender Redakteur von epd film.



Zuerst veröffentlicht 09.12.2025 08:45

Rudolf Worschech

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Festivals, Televisionale

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