13.12.2025 14:35
ZDF-Dreiteiler "37 Grad Leben: Göttlich gute Freunde"
epd Fünf Menschen unterschiedlichen Glaubens und eine Atheistin diskutierten in einer "Glaubens-WG" eine Woche lang über Gott und die Welt: als Konzept denkbar simpel, in der Umsetzung fesselnd, weil Aurelia Kanetzky (Buch und Regie) und Katharina Reinartz (Buch und Produktion) das Sextett immer wieder mit Denkanstößen von außen versorgten, mal in Gestalt von Gästen, mal in Form von Exkursionen. Das Format wurde als "Bestes Infotainment" mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet, und in der Tat bot "Against All Gods" eine überraschend kurzweilige Mischung aus Information und Unterhaltung.
Für die Fortsetzung gilt das nicht minder, zumal die Autorinnen einen neuen Ansatz gewählt und Josimelonie ins Zentrum gestellt haben. Die Kölnerin erfüllte in den ersten sechs Folgen gleich mehrere Funktionen. Einerseits war sie dank ihrer ansteckend guten Laune geradezu prädestiniert für die Rolle der Entertainerin, andererseits war sie als einzige Atheistin in der Runde auch Agent Provocateur. Der entscheidende Punkt ist jedoch ein anderer: Josi ist eine Transperson. Religionen, verkündete sie gleich zu Beginn ihre Kernthese, schließen queere Menschen aus.
Für die WG galt das selbstredend nicht, zumal die weiteren Männer und Frauen im Verlauf der Woche feststellten: Die Formen ihrer Religionsausübung mögen stark voneinander abweichen, aber ihre Weltanschauungen sind gar nicht so verschieden. Was also könnte eine Fortsetzung an neuem Erkenntnisgewinn bringen?
Abgesehen von der nun exponierten Rolle Josis als Presenterin ist der offenkundigste Unterschied das Konzept: "Göttlich gute Freunde" ist ein Reiseformat, denn die Protagonistin besucht die anderen in deren persönlichem Umfeld und zu teilweise besonderen Anlässen. Auf diese Weise können sich die als klassische Dokusoap gestalteten Folgen stärker auf die jeweiligen Besonderheiten konzentrieren. Dass es diesmal nur drei Episoden sind, war vermutlich geplant, erweist sich aber auch als Vorteil, denn nicht alle Stippvisiten sind gleichermaßen ergiebig. Mit dem Buddhisten Dharmasara zum Beispiel nimmt Josi an einem "Retreat" teil, das größtenteils aus Mediationen und Schweigen besteht. Das entpuppt sich nicht nur für die quirlige Josi als Herausforderung: Auch filmisch ist das wenig ergiebig.
Zum Muslim Omar, ohnehin nicht so extravertiert wie der Rest der Gruppe, ist den Autorinnen nicht viel eingefallen. Das gemeinsame Boxen mit Josi trägt zum Erkenntnisgewinn rein gar nichts bei, und ein Gespräch mit seinem konservativen Imam bestätigt prompt ihre These aus der ersten Staffel. Im Islamischen Zentrum trägt sie aus Respekt einen Hidschab, wobei sie sich nicht zum einzigen Mal in den drei Folgen "cringe" fühlt.
Ungleich handlungsreicher sind die drei anderen Ausflüge, weil sie an speziellen Feiern teilnehmen darf: Mit Lars begeht sie in dessen Freundes- und Familienkreis das jüdische Pessachfest. Das Gespräch über die symbolischen Bedeutungen der verschiedenen Speisen ist weitaus interessanter als das Stelldichein bei Omar, zumal die Runde bei aller Ernsthaftigkeit in der Sache sehr fröhlich ist. Sagitha hat Josi zu ihrem hinduistischen Junggesellinnenabschied geladen, und Gloria aus der Oberlausitz ist nicht nur Katholikin, sondern auch Sorbin. Die beiden Frauen besuchen das traditionelle Osterreiten, eine reine Männersache und somit ein weiteres Argument für Josis skeptische Haltung; aufs Pferd darf sie ausnahmsweise trotzdem.
Jenseits der inhaltlichen Ebene und Josis durchaus kritischen Fragen erfreut "Göttlich gute Freunde" erneut durch eine deutlich lebhaftere und einfallsreichere Machart als vergleichbare Produktionen. Schon der Prolog macht Lust auf mehr, weil Kanetzky das Talent und die positive Ausstrahlung ihrer Protagonistin für eine clevere On/Off-Kombination nutzt. Im Off führt Josi ins Thema ein, im On sorgt sie für ironische Ergänzungen, wobei die Regie gern noch eins drauf setzt: Josi erzählt, Omars Freundin sei zum Islam konvertiert, "komplett freiwillig"; dazu zwinkert sie, unterlegt mit passendem Glöckchenton, in die Kamera.
Typisch Doku-Soap sind dagegen die immer wieder zwischengeschnittenen Kommentare der anderen, angesichts von Josis Schlagfertigkeit auch mal nur auf amüsierte Reaktionen reduziert. Die fünf sitzen dabei an einem mit originellen Utensilien dekorierten Tisch, hinter ihnen eine Buchstabengirlande mit ihrem Namen. Ebenfalls typisch "Reality-TV" ist die Sprunghaftigkeit der Erzählung, was hier jedoch für zusätzliche Kurzweil sorgt. Die Reihe endet mit einem Klassentreffen, als das Sextett nach Köln kommt und noch mal über die zwei wichtigsten Themen von Josis Rundreise durch Deutschland und die Religionen diskutiert: Freiheit und Toleranz. Der entscheidende Satz in dieser Hinsicht stammt von Glorias Mutter: "Jeder Mensch ist von Gott gewollt."
infobox: "37 Grad Leben: Göttlich gute Freunde", dreiteilige Reportage, Regie: Aurelia Kanetzky, Buch: Aurelia Kanetzky, Katharina Reinartz, Kamera: Susanne Erler, Simon Schaffrath, Kai Hartmann, Produktion: Zoo Productions (ZDF-Mediathek seit 12.12.25, ZDF ab 14.12.25, jeweils sonntags, 9.03-9.30 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 13.12.2025 15:35
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Gangloff, Dokumentation
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