05.11.2024 14:34
Frankfurt a.M. (epd). Der Hessische Rundfunk (HR) sieht sich gut aufgestellt, um mit den von der Ministerpräsidentenkonferenz vereinbarten Programmreduzierungen für den ARD-Hörfunk umzugehen. Sollten diese Beschlüsse Mitte 2025 in Kraft treten, sei es zwar anspruchsvoll, sie umzusetzen, erklärte HR-Intendant Florian Hager am 1. November in der Sitzung des HR-Rundfunkrats: "Aber durch unsere Radiostrategie sind wir die einzigen, die sich mit dem Thema überhaupt schon befasst haben."
Beim HR gebe es bereits einen Prozess, wie man inhaltlich-gestaltend zu einer Reduktion im Hörfunkbereich komme. Andere ARD-Sender erführen "die Reduktion jetzt quasi im Gesetzestext", sagte Hager. Sie müssten dann "innerhalb von anderthalb Jahren mehrere Kanäle abschalten". Ende Oktober hatten sich die Länderchefs auf einen Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verständigt. Unter anderem soll die Anzahl der ARD-Hörfunkprogramme ab Anfang 2027 reduziert werden. Daneben sollen ARD und ZDF mehrere TV-Spartenkanäle zusammenlegen.
Der HR hatte im Juni seine Radiostrategie vorgestellt, mit der auf eine deutlich sinkende Hörfunknutzung in jüngeren Zielgruppen reagiert werden soll. Zunächst will die Sendeanstalt ihre sechs Programme fokussieren. Bis 2028 soll bei HR1, HR3, HR4, YouFM, HR-Info und HR2-Kultur der Fokus auf die stark genutzten Zeiten am Morgen gelegt werden. Im reichweitenschwächeren Tagesprogramm soll es mehr Synergien geben, auch durch ARD-Kooperationen.
Das weitere Szenario des HR für den Hörfunk sieht bisher vor, dass es bis 2032 nur noch drei Vollprogramme mit eigenproduzierten Inhalten gibt. Weitere Wellen könnten laut HR "im ARD-Verbund oder durch interne Zusammenarbeit durchaus weiter bestehen". Bisher hat der Sender noch nicht entschieden, welche seiner Programme dann betroffen sind.
Die Vereinbarungen der Ministerpräsidentenkonferenz bedeuteten, dass der HR ab Januar 2027 bis zu fünf Radioprogramme anbieten dürfe, sagte Hager in der Rundfunkratssitzung. Darauf müsse man in der Radiostrategie reagieren. Möglich seien auch Kooperationsprogramme. Damit ist gemeint, dass die Länder es den ARD-Anstalten erlauben wollen, gemeinsam Radiowellen zu betreiben. Dabei werden "bis zu zwei Kooperationsprogramme jeweils als ein halbes Programm der beteiligten Anstalten gerechnet", wie es im Staatsvertragsentwurf heißt. Auf epd-Nachfrage erklärte der HR, dass nicht zwingend ein HR-Programm ab 2027 komplett wegfallen müsste. Es gehe hier auch um "die Auslotung von programmlichen ARD-Kooperationen".
Der HR-Rundfunkrat verabschiedete in seiner Sitzung am 1. November eine Stellungnahme, in der er die Radiostrategie begrüßte. Das Gremium hob darin die Erwartung hervor, regelmäßig über die Umsetzung der Strategie informiert zu werden. Angesichts des Veränderungsdrucks durch die Audiostrategie und die ARD-Reformagenda sei im Blick zu behalten, was eine mögliche "Überlastung der Organisation" angehe. Eine solche Überlastung werde im HR-Jahresbericht 2023 als Risiko benannt.
Der Rundfunkrat hält es laut Stellungnahme zudem für notwendig, dass alle Bereiche "einen Beitrag zur finanziellen Sicherung der Zukunft" des HR leisten. Bei der Weiterentwicklung der Hörfunkwellen will das Gremium mehrere Punkte beachtet wissen. Dazu gehöre beispielsweise die "Sicherstellung von Relevanz, Reichweite und Akzeptanz des HR". Auch müsse es um einen Beitrag "zur Förderung des Zusammenhalts in der Gesellschaft" gehen. Ferner soll der HR bei der Umsetzung der Radiostrategie den Dialog mit Nutzerinnen und Nutzern intensivieren. Im Blick behalten soll der Sender auch den "Erhalt der Qualität und Relevanz journalistischer Recherche, von Hintergrund und Analyse".
Der HR-Rundfunkratsvorsitzende Harald Freiling kritisierte in der Sitzung zudem die Entscheidungen der Ministerpräsidentenkonferenz zum Reformstaatsvertrag. "Statt die Schärfung des öffentlich-rechtlichen Auftrags mit einer finanziellen Planungssicherheit zu verbinden, spielen die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auf Zeit", sagte er. Wer von Beitragsstabilität spreche, müsse wissen, "dass der Rundfunkbeitrag in den letzten 20 Jahren umgerechnet lediglich um durchschnittlich 0,4 Prozent pro Jahr gestiegen ist".
In der Zeit hätten ARD und ZDF "ihr Angebot deutlich verändert, um angesichts eines veränderten Mediennutzungsverhaltens möglichst viele Menschen zu erreichen". Der HR-Rundfunkrat erwarte "von den Ländern jetzt Gesetzestreue bei der Umsetzung des verfassungsrechtlich begründeten KEF-Verfahrens", hieß es in einer Mitteilung des Gremiums.
Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hatte im Februar den Ländern vorgeschlagen, den Rundfunkbeitrag ab Januar 2025 um 58 Cent auf dann 18,94 Euro pro Monat zu erhöhen. Davon können die Länder nur unter eng definierten Bedingungen abweichen. Einen Beschluss zum Rundfunkbeitrag haben die Länderchefs auf Dezember vertagt.
Die Vereinbarungen der Ministerpräsidenten zu den öffentlich-rechtlichen Online-Angeboten bezeichnete Hager in der Rundfunkratssitzung als "Einschränkungen". Es sei im Grundsatz so, dass die Anstalten künftig bei Text im Internet immer einen klaren Sendungsbezug ausweisen müssten. Davon gebe es nur wenige Ausnahmen, etwa bei Breaking News. Bei Ereignissen von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung dürften sich "Texte auch auf Sendungen in der Zukunft beziehen". Doch um welche Ereignisse es dabei gehe, sei unklar, so Hager. Hier gebe es "extrem viel Spielraum für Interpretation".
Auch mehrere Mitglieder des Rundfunkrats kritisierten die geplante Neuregelung zur öffentlich-rechtlichen Textberichterstattung im Internet. Würde etwa auf "hessenschau.de" landespolitische Berichterstattung wegfallen, die es in vielen Printmedien so gar nicht mehr gebe, wäre dies ein Verlust, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Marius Weiß.
Khola Hübsch, entsandt von den muslimischen Glaubensgemeinschaften in Hessen, machte einen konkreten Vorschlag: Der HR müsse "einfach viel, viel mehr audiovisuelle Inhalte produzieren". Diese müssten "niedrigschwellig" sein, sich schnell produzieren lassen und für Social Media ausgelegt sein. Dadurch gebe es dann einen Sendungsbezug, so dass sich "auch textbezogene Inhalte generieren" ließen, erklärte Hübsch.
vnn
Zuerst veröffentlicht 05.11.2024 15:34
Schlagworte: Medien, HR, Hager, Radiostrategie, Freiling, Gremien, Rundfunkrat
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