Der Applaus fiel aus - epd medien

17.04.2025 07:40

Die Medienmanagerin Sandra Harzer-Kux (52), die vom NDR-Verwaltungsrat als Personalvorschlag für die NDR-Intendanz präsentiert worden war, ist bei der Wahl im Rundfunkrat am 4. April durchgefallen. Nur 30 der anwesenden 50 Rundfunkratsmitglieder stimmten für sie, 34 Stimmen hätte sie gebraucht. Der Verwaltungsrat kann bis zum 4. Mai einen neuen Wahlvorschlag machen. Diemut Roether analysiert, was bei der Wahl schiefgelaufen ist.

Die geplatzte Intendantenwahl beim NDR

Der Vorsitzende des NDR-Rundfunkrats, Nico Fickinger, war Mitglied der Findungskommission für die Besetzung des Intendantenpostens

epd Die Autorin Kathrin Röggla, die bis März Mitglied im RBB-Rundfunkrat war, machte ihrem Ärger über die Arbeit in dem Aufsichtsgremium im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) Luft: "Wie kann man Kontrolle ausüben, wenn man nur die Sicht der Geschäftsführung kennt?" fragte sie. Es gebe im öffentlich-rechtlichen System "vonseiten der Intendanz so ein Verständnis, dass man eine Show macht im Rundfunkrat: Alles ist wunderbar und toll, hier und da mal ein Problem, aber im Grunde hat man das alles im Griff, und wir sollen jetzt mal applaudieren."

Den 20 Mitgliedern des NDR-Rundfunkrats, die am 4. April nicht für die vom Verwaltungsrat präsentierte Kandidatin für das Intendantenamt, Sandra Harzer-Kux, stimmten, mag es ähnlich gegangen sein: Da wurde ihnen eine Kandidatin vorgesetzt, und sie sollten jetzt mal zustimmen und applaudieren.

Misstrauensvotum gegen den Verwaltungsrat

Schon in den Wochen, in denen die Findungskommission nach einer geeigneten Kandidatin oder einem Kandidaten für die NDR-Intendanz gesucht hatte, war in Kreisen der Rundfunkräte Unmut aufgekommen. Die Findungskommission, die sogar eine Personalberatung eingeschaltet hatte, um eine geeignete Person zu finden, sammelte Vorschläge, reduzierte das Bewerberfeld erst auf acht, dann auf drei Personen - und schließlich entschied sich der Verwaltungsrat einstimmig (!) für die Managerin aus dem Haus Bertelsmann, die dort lange Zeit im Corporate Publishing tätig gewesen war. Zuletzt hatte sie das Agenturgeschäft von Territory verantwortet.

Die Findungskommission achtete streng darauf, dass nichts von ihren Personalüberlegungen nach außen drang. Zwar war der Rundfunkratsvorsitzende Nico Fickinger Mitglied der Findungskommission, aber dem Vernehmen nach informierte auch er den Rundfunkrat nicht. Das Gremium konnte am Ende die Personalentscheidung des Verwaltungsrats nur noch abnicken - oder aber mit dem Nein zu der Kandidatin zugleich dem Verwaltungsrat sein Misstrauen aussprechen. Das wurde von den anwesenden Verwaltungsratsmitgliedern wohl auch so verstanden. Beobachter berichten, dass sie die Sitzung des Rundfunkrats verließen, nachdem Sandra Harzer-Kux nicht die notwendigen 34 Stimmen im Rundfunkrat erhalten hatte.

Wie könnte der Zweitbeste überzeugen, wenn schon die erste Kandidatin nicht die erforderliche Mehrheit fand?

Ausschlaggebend für die Entscheidung des Rundfunkrats war wohl vor allem der schwache Auftritt von Harzer-Kux vor dem Gremium. Als sie gebeten wurde, NDR-Sendungen zu nennen, die sie für besonders innovativ hielt, wollte sie sich nicht festlegen. Auch zur Rolle der NDR-Landesfunkhäuser wollte oder konnte sie sich nicht äußern, geschweige denn dass sie eine Strategie für den NDR präsentierte.

Neben Harzer-Kux sollen am Ende nur noch zwei männliche Bewerber aus dem NDR im Rennen gewesen sein. Einige Frauen, die zunächst auch in der engeren Auswahl waren, hatten ihre Kandidatur zurückgezogen.

Die entscheidende Frage ist, wie sich nun der Verwaltungsrat verhält. Für den 28. April wurde ein Save the Date an die Mitglieder verschickt. Das Gremium könnte sich nun für einen der zwei verbliebenen Bewerber entscheiden, doch der Redaktionsausschuss und die Personalvertretungen des NDR gaben bereits zu bedenken, dass diesem Vorschlag dann der Makel der zweiten Wahl anhaften würde: "Wie könnte der Zweitbeste bei einer Wahl überzeugen, wenn schon die erste Kandidatin nicht die erforderliche Mehrheit fand?"

Die Frau von außen

Personalräte und Redaktionsausschuss fordern mehr Transparenz bei der Intendantenwahl, sie wollen bei der Suche nach dem neuen Mann oder der Frau an der Spitze des Senders einbezogen werden. Das würde der Kandidatin oder dem Kandidaten die Möglichkeit geben, "während des Auswahlprozesses Einblick in die Themen zu bekommen, die die Mitarbeitenden bewegen", schrieben sie nach der geplatzten Wahl.

Die Frau von außen - der Vorschlag hatte auf den ersten Blick Charme, nachdem im NDR in den vergangenen Jahrzehnten der Intendantenposten immer mit Männern von innen besetzt worden war. Erst seit fünf Jahren gibt es erstmals eine stellvertretende Intendantin im Sender, davor waren auch die Stellvertreter stets Männer. Der Unternehmenskultur war das nicht zuträglich, wie nicht zuletzt der "Klimabericht" belegte, den der amtierende Intendant Joachim Knuth im Jahr 2022 in Auftrag gegeben hatte.

Lebendige Konfliktkultur

Der im April 2023 veröffentlichte Bericht hatte der Geschäftsleitung kein gutes Zeugnis ausgestellt: "Viele Mitarbeitende haben kein Vertrauen in die Geschäftsleitung", hieß es da. "Sie vermissen Orientierung und klare Entscheidungen hinsichtlich der strategischen Ausrichtung des NDR. Gute Führung gebe es an manchen Stellen "nicht wegen der Strukturen beim NDR, sondern erstaunlicherweise trotzdem". Die Mitarbeitenden hatten sich mehr "echten Dialog" und eine lebendige Konfliktkultur gewünscht. Die Unternehmenskultur zu verbessern und die Mitarbeitenden wieder mehr einzubeziehen, wird auch Aufgabe der neuen Senderspitze sein.

Der NDR kann allerdings nichts für seinen Staatsvertrag, in dem die Intendantenwahl geregelt wird, denn dieser wird von den vier Ländern gemacht, für die der NDR sendet. Danach obliegt es dem Verwaltungsrat, "Vorschläge für die Wahl und die Abberufung des Intendanten oder der Intendantin" zu machen. Der Intendant oder die Intendantin werde "vom Rundfunkrat auf Vorschlag des Verwaltungsrats für die Dauer von fünf Jahren gewählt".

Über die Interpretation des Wortes "Vorschlag" wird derzeit diskutiert. Heißt "Vorschlag" zwangsläufig, dass nur eine Person zur Wahl gestellt werden kann oder könnte ein Vorschlag auch mehrere Personen umfassen? Der Rundfunkratsvorsitzende Fickinger ist der Auffassung, dass das Wort Vorschlag im Singular wörtlich zu nehmen ist. Die Personalräte und der Redaktionsausschuss stellen das infrage. Freilich wird es nicht einfacher, in einem Wahlgang eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen, wenn mehrere Personen zur Wahl stehen. Und mehrere Wahlgänge, wie in anderen Sendern üblich, sind im NDR-Staatsvertrag nicht vorgesehen.

Die ständige Rede von Transparenz bei gleichzeitiger Verdunkelung.

Alle Augen werden sich nun am 28. April auf den Verwaltungsrat richten. Dieser kann laut Staatsvertrag einen neuen Vorschlag machen. Klar ist, dass Sandra Harzer-Kux nicht ein zweites Mal vorgeschlagen werden kann. Macht der Verwaltungsrat keinen Vorschlag, könnte der Rundfunkrat das Verfahren selbst in die Hand nehmen und neue Kandidatinnen und Kandidaten suchen. Das hätte den Vorteil, dass die Mitglieder von Anfang an stärker eingebunden werden können.

Denn eines ist klar: Die Geheimniskrämerei, die der Verwaltungsrat und die Findungskommission bei der Suche nach der neuen Senderspitze betrieben haben, ist weder dem Amt noch dem Sender zuträglich. Kathrin Röggla beklagte im Interview mit der FAS, dass das Schlagwort "Transparenz" im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine "Nebelkerze" sei: "Die ständige Rede von Transparenz bei gleichzeitiger Verdunkelung." Das betrifft auch und gerade die Gremien, die das Wort Transparenz gern wie eine Monstranz vor sich hertragen, aber manchmal agieren wie Geheimgesellschaften.

Der NDR ist ein öffentlich-rechtliches Medienhaus mit rund 3.200 Planstellen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist seit einigen Jahren unter Beschuss wie noch nie. An der Spitze des drittgrößten Senders der ARD muss ein Mensch stehen, der im Wortsinn Gesicht zeigt. Der für die öffentlich-rechtliche Idee brennt und die Akzeptanz des Senders beim Publikum steigert. Dieser Mann oder diese Frau muss bereit sein, in jede Bütt zu steigen, um für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu werben - beim Publikum und bei den vier Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der Länder, für die der NDR sendet. Und er oder sie muss in der Lage sein, für echte Transparenz zu sorgen und die Kommunikationskultur im Sender zu stärken.

Offenes Verfahren

Die Rundfunkräte, die am 4. April mit Nein stimmten, haben sich zu Recht gefragt, ob eine Frau, die in den vergangenen 20 Jahren hauptsächlich im Corporate Publishing und in der kommerziellen Kommunikation tätig war, tatsächlich die Richtige für diesen Posten ist. Die Agentur Territory, die Harzer-Kux bis Ende vergangenen Jahres geleitet hat, wirbt für sich damit, dass sie in der Lage sei, "Markenbotschaften auf allen relevanten Kommunikationskanälen mit maximaler Wirkung auszuspielen". Der NDR braucht aber keine Markenbotschaften "mit maximaler Wirkung", er braucht relevante Inhalte und echte Kommunikation. Er braucht nicht mehr kommerzielle Logik, er braucht eine Rückbesinnung auf die öffentlich-rechtlichen Tugenden, die da heißen: Information, Bildung, Kultur.

Wenn dann ein neuer Intendant gefunden ist, müssen die vier Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, für die der NDR sendet, endlich auch die Regularien für die Wahl des neuen Mannes oder der Frau an der Spitze des Senders ändern. In den vergangenen fünf Jahrzehnten waren die NDR-Intendanten stets zunächst im Sender (manchmal mit Wechseln zu anderen ARD-Sendern) aufgestiegen und schließlich an die Spitze gelangt. Dieses korporative Verfahren funktioniert nicht mehr, wie sich jetzt gezeigt hat. Wenn man also das Verfahren für Bewerberinnen und Bewerber von außen öffnet, was sinnvoll ist, muss man auch wirklich ein offenes Verfahren daraus machen: Mit öffentlichen Bewerbungen, in denen mehrere Kandidaten und Kandidatinnen ihre Strategie für den Sender vorstellen.

Diemut Roether Copyright: epd-bild/Heike Lyding Darstellung: Autorenbox Text: Diemut Roether ist Verantwortliche Redakteurin von epd medien.



Zuerst veröffentlicht 17.04.2025 09:40 Letzte Änderung: 17.04.2025 12:28

Diemut Roether

Schlagworte: Medien, Rundfunk, NDR, Personalien, Gremien, Intendantenwahl, Rundfunkrat, Verwaltungsrat, Harzer-Kux, Roether, NEU

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