ARD entwickelt Schulungen für Verdachtsberichterstattung - epd medien

23.04.2025 07:42

Der BR entwickelt für die ARD ein Konzept zur Verdachtsberichterstattung

München (epd). Der Bayerische Rundfunk (BR) entwickelt für die ARD ein übergreifendes Konzept, um die Journalistinnen und Journalisten des Senderverbunds im Umgang mit Verdachtsberichterstattung zu schulen. Damit sollen hierzu bereits bei den einzelnen Landesrundfunkanstalten existierende "hausinterne Regelungen, Orientierungshilfen und/oder Schulungen" ergänzt werden, teilte der BR auf epd-Nachfrage mit. Es gehe um "eine einheitliche Standard-Onlineschulung". Der BR hat in der ARD die Federführung beim Thema Programmrecht.

In dem Konzept sollen "die allgemein geltenden Kriterien der Rechtsprechung für eine zulässige Verdachtsberichterstattung" zusammengetragen werden, hieß es weiter. Das Konzept werde dann zunächst in der ARD abgestimmt. Die Initiative dafür sei bereits im November 2024 innerhalb der Juristischen Kommission der ARD entstanden, erklärte der BR.

"Lehren aus der fehlerhaften Berichterstattung"

Auf dieses geplante ARD-weite Schulungskonzept verwies beim Rundfunk-Berlin-Brandenburg (RBB) zuletzt die noch kommissarisch amtierende Programmdirektorin Katrin Günther. Am 11. April erläuterte sie dem RBB-Rundfunkrat die Maßnahmen, die der Sender nach seiner fehlerhaften Berichterstattung über den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar beschlossen hatte.

Dazu gehört laut Günther unter anderem, dass alle Journalistinnen und Journalisten, die investigativ arbeiten oder arbeiten möchten, "künftig verpflichtend an Schulungen zur Verdachtsberichterstattung teilnehmen" müssen. Das sei nicht nur eine Initiative des RBB, sondern das seien "Lehren aus der fehlerhaften Berichterstattung, die die ganze ARD gezogen hat", sagte Günther.

Schwere journalistische Fehler

Ende Dezember 2024 hatte der RBB über Belästigungsvorwürfe gegen Gelbhaar berichtet, die dieser zurückgewiesen hatte. Später räumte der Sender "schwerwiegende Fehler" in seiner Berichterstattung ein und zog einen Großteil davon zurück. Mitte März legten Programmdirektorin Günther und RBB-Chefredakteur David Biesinger ihre Ämter nieder.

Eine vom RBB eingesetzte externe Untersuchungskommission stellte bei der Gelbhaar-Berichterstattung des Senders schwere journalistische Fehler fest. Sie empfahl unter anderem, dass die Chefredaktion künftig die Einbeziehung von Investigativteams bei brisanten Recherchen sicherstellt und es verpflichtende Schulungen zur Verdachtsberichterstattung gibt.

Regelwerke überarbeiten

In der Rundfunkratssitzung nannte RBB-Intendantin Ulrike Demmer mehrere Gründe, warum es "zu dieser folgenschweren falschen Berichterstattung" kam. Das habe gelegen an "mangelnder journalistischer Sorgfalt, nicht angewendeten Standards, unklaren Strukturen, fehlenden Regeln und einem Defizit an Verantwortungskultur". In der Folge habe der RBB hier mehrere Maßnahmen beschlossen.

So würden beim RBB, wie Programmdirektorin Günther weiter sagte, redaktionelle Regelwerke in Zusammenarbeit mit der Abteilung Qualitätsmanagement überarbeitet: "Die redaktionelle Verantwortung wird in Zukunft klarer geregelt, ebenso wie Abläufe und Abnahmeprozesse." Die im RBB vorhandene investigative Expertise - über das "Kontraste"-Magazin und RBB24 Recherche - werde "stärker und schneller" eingebunden.

Der Umgang mit Quellen, eidesstattlichen Versicherungen und juristischen Abnahmen werde verbindlich geregelt, erklärte Günther. Es werde im Juni eine Dienstanweisung Programmverantwortung geben. Beim BR und beim WDR gebe es solche Anweisungen bereits.

Zentrale angebliche Zeugin

Auch in der Chefredaktion müsse es künftig "klare Verantwortlichkeiten geben", so Günther. Die Chefredakteurin oder der Chefredakteur werde "künftig frühzeitig in Recherchen mit besonderer Tragweite eingebunden". Die endgültige Entscheidung über die Veröffentlichung einer Recherche liege bei der Chefredaktion. Auch das Justiziariat werde frühzeitig einbezogen. Quellen müssten "zwingend persönlich getroffen und zweifelsfrei identifiziert werden", sagte Günther.

Die RBB-Journalisten hatten sich bei ihrer Gelbhaar-Berichterstattung auf eine zentrale angebliche Zeugin verlassen, die aber nicht existierte. Ihre Identität wurde nicht ausreichend überprüft. Es gab kein persönliches Treffen, obwohl ein solches in einem Fernsehbeitrag durch eine entsprechende Nachstellung suggeriert wurde.

vnn



Zuerst veröffentlicht 23.04.2025 09:42

Schlagworte: Medien, Rundfunk, RBB, Gelbhaar, Verdachtsberichterstattung, Nünning, vnn

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