ProSiebenSat.1: PPF macht Weg frei für Berlusconi-Holding MFE - epd medien

28.08.2025 09:33

Fotomontage: Berlusconi-Gruppe Media for Europe greift bei ProSiebenSat.1 zu

Unterföhring/Amsterdam (epd). Der Weg für eine Übernahme des deutschen Medienkonzerns ProSiebenSat.1 durch die italienische Holding Media For Europe (MFE) ist frei: Der tschechische Großaktionär PPF steigt aus. Die Aktien in Form von 15,68 Prozent des ausstehenden Grundkapitals an ProSiebenSat.1 werden MFE angeboten, wie das in Amsterdam registrierte Unternehmen am Mittwochabend mitteilte. Die verbleibenden Finanzinstrumente in ProSiebenSat.1 werden demnach abgewickelt. MFE kann damit auf etwa 60 Prozent der Anteile kommen.

Im Bieterwettbewerb mit MFE, das der Familie des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zugerechnet wird, hatte PPF im vergangenen Mai sieben Euro je Aktie angeboten. Der tschechische Konzern, der zu dem Zeitpunkt 15 Prozent der Anteile hielt, wollte seine Beteiligung auf bis zu 29,99 Prozent aufstocken. Bis zum Ablauf seines Angebots Mitte August hatte sich PPF jedoch lediglich 18,4 Prozent gesichert.

PPF verweist auf geringe Annahmequote

"Aufgrund der geringen Annahmequote ihres Angebots kann PPF ihre ursprüngliche Rolle als strategischer Investor mit dem Anspruch, auf Augenhöhe mit MFE zusammenzuarbeiten und ihre Expertise beim Aufbau digitaler Medienplattformen einzubringen, nicht fortführen", erklärte der tschechische Investor.

MFE hatte im März angekündigt, ProsiebenSat.1 übernehmen zu wollen. Im Bieterwettbwerb mit PPF verbesserte MFE sein Übernahmeangebot im Juli auf einen impliziten Wert von rund 8,07 Euro pro Aktie. Nach Ablauf der Annahmefrist Mitte August hielten die Italiener knapp 43,6 Prozent der Anteile an der Senderkette aus Unterföhring. Eine weitere zweiwöchige Annahmefrist endet am 1. September.

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) hegt Bedenken gegen eine Kontrolle des deutschen Medienunternehmens durch MFE. Es gehe um die Frage, ob die journalistische und wirtschaftliche Unabhängigkeit auch nach einem Eigentümerwechsel gewahrt bleibe. Weimer hat Pier Silvio Berlusconi, Sohn des früheren italienischen Ministerpräsidenten, zu einem Gespräch ins Kanzleramt eingeladen.

Journalistenorganisationen: Folgen der Übernahme prüfen

Nach Ansicht von Journalistenorganisationen wirft die geplante Übernahme der Mehrheit von ProSiebenSat.1 durch MFE grundlegende Fragen zur Medienvielfalt und dem ökonomischen Einfluss großer Konzerne in Europa auf. Die Präsidentin der Europäischen Journalisten Föderation Maja Sever erklärte am Freitag, die Übernahme sei "Teil einer breiteren Entwicklung: Die Medienvielfalt in vielen europäischen Staaten gehe zurück, die Eigentümerstrukturen konzentrierten sich. "Diese Entwicklung dürfen wir nicht einfach so laufen lassen. Medienfreiheit lebt von Unabhängigkeit", sagte Sever.

Der Co-Vorsitzende der deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) Lars Hansen sagte, es bestehe die Gefahr, dass ProSiebenSat.1 "auf Kosten der Beschäftigten und der Programmvielfalt allein auf Rendite ausgerichtet wird". Er befürchte, "dass MFE stärker als deutsche Großverleger versuchen wird, die politischen Agenden internationaler Großverleger medial zu verbreiten".

Die beiden Organisationen verwiesen auf den im August in Kraft getretenen European Media Freedom Act. Er verpflichte die Mitgliedstaaten unter anderem dazu, Eigentümerstrukturen transparent zu machen und Übernahmen auf mögliche Auswirkungen für Pluralismus und redaktionelle Freiheit zu prüfen. Sie forderten die zuständigen Medienaufsichtsbehörden dazu auf, eine unabhängige Bewertung vorzulegen, welche Folgen die Übernahme für Beschäftigte, Medienvielfalt und redaktionelle Unabhängigkeit haben könne.

nbl/dir



Zuerst veröffentlicht 28.08.2025 11:33 Letzte Änderung: 01.09.2025 09:17 (Stellungnahmen von Verbänden ergänzt)

Schlagworte: Medien, Unternehmen, ProSiebenSat.1, MFE, dju EFJ, nbl, Roether, NEU

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