Blaues Auge - epd medien

30.10.2025 14:23

Der sächsische Landtag hat den Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit knapper Mehrheit ratifiziert. Dass das Vertragswerk nun voraussichtlich zum 1. Dezember in Kraft treten kann, darf für die Medienpolitik jedoch kein Anlass sein, sich auszuruhen, findet Michael Ridder.

Gebäude des sächsischen Landtags in Dresden

epd Die deutsche Medienpolitik ist am Mittwoch noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. In Sachsen schaffte es die Minderheitskoalition von CDU und SPD mit Ach und Krach, den Reformstaatsvertrag durchs Parlament zu bringen - dank der oppositionellen Grünen und Linken. Die Linken rangen sich erst nach einer von der CDU-Fraktion beantragten "Überlegenspause" zur Zustimmung durch.

Das Vertragswerk kann damit voraussichtlich wie geplant am 1. Dezember in Kraft treten. Drei Landtage müssen noch zustimmen, in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gilt die Annahme als sicher. In Brandenburg hält die mitregierende BSW-Fraktion den Reformstaatsvertrag zwar nicht für ausreichend, lässt aber durchblicken, dass sie die Novelle als ersten Reformschritt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unterstützen könnte.

Schwächen des Gesetzgebungsverfahrens

Die Medienpolitik darf sich jetzt aber nicht auf dem Ergebnis ausruhen, dass sie es geschafft hat, den Reformstaatsvertrag in Kraft zu setzen, und blauäugig davon ausgehen, dass es auch in Zukunft so läuft. Das Ratifizierungsverfahren in den Landtagen hat große Schwächen des üblichen Gesetzgebungsverfahrens zu Medienfragen offengelegt. Die Parlamente sind immer weniger bereit, Staatsverträge abzunicken, die von 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten fertig ausverhandelt worden sind. Und das liegt beileibe nicht nur an renitenten Abgeordneten von AfD oder auch BSW, die sich zugegeben oft in ihrer Fundamentalopposition gegen jeglichen "Mainstream" gefallen.

Es liegt auch daran, dass sich die Länderchefs als durchaus anfällig für Lobbyeinflüsse erwiesen haben. In der Landtagsdebatte am Mittwoch in Sachsen, die überwiegend sachlich und auf fachlich hohem Niveau geführt wurde, kritisierten Sprecher nahezu aller Fraktionen, dass der Reformstaatsvertrag das umstrittene Verbot "presseähnlicher" Internetangebote von ARD und ZDF weiter verschärft. Dies sei falsch, sagte auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der mitregierenden SPD, Laura Stellbrink. Die Grünen-Politikerien Claudia Maicher führte aus, den Presseverlagen nütze die Restriktion gegen die Sender überhaupt nichts.

Breite Skepsis

Berichtet wurde in der Debatte etwa von Gesprächen mit ARD-Verantwortlichen aus dem mittleren Management, wonach nun mehr "Alibi-Videos" produziert werden müssten, damit man Bewegtbild habe, zu dem dann Text gestellt werden könne. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gestand ein, diese Frage sei im Staatsvertrag nicht optimal geregelt. Er versprach, sich bei künftigen Novellen für Nachbesserungen einzusetzen. Wenn es aber so breite Skepsis gegen die vorgesehene Regelung gibt - warum hat sie dann überhaupt ihren Weg in den Reformstaatsvertrag gefunden?

Ein anderes Beispiel ist die Deckelung des Sportrechte-Budgets von ARD und ZDF auf fünf Prozent der zusammengerechneten Gesamtausgaben der Sender. Damit wird das Budget auf dem aktuellen Niveau eingefroren, was offenbar einer Intervention der Sender zu verdanken ist: In einem vorherigen Entwurf der Rundfunkkommission war die Bezugsgröße der "gesamte Programmaufwand" in einer Beitragsperiode gewesen, in einem noch früheren Entwurf sollte der Rechteerwerb zuzüglich der Programmherstellungskosten im Bereich Sport ins Verhältnis zum Gesamtprogrammaufwand gesetzt werden.

Regelung verwässert

Die Verwässerung der ursprünglich angedachten Regelung kritisierte in Sachsen sogar der medienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Andreas Nowak. Eine Deckelung auf fünf Prozent des Programmbudgets wäre aus seiner Sicht die bessere Lösung gewesen, sagte er. Angesichts solcher Einlassungen verwundert es nicht, dass Ministerpräsident Kretschmer die Anspannung während der Debatte deutlich anzumerken war. Nach der "Überlegenspause" ergriff er selbst das Wort und warnte davor, den "kooperativen Föderalismus" durch ein Scheitern des Staatsvertrags an sein Ende kommen zu lassen.

Kretschmers Appell hatte am Ende Erfolg, auch weil die Linken nach eigener Aussage den Gegnern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keinen Triumph ermöglichen wollten. Doch die Aussprache in Sachsen zeigte: Mit Blick auf die demokratische Legitimierung von Medien-Staatsverträgen ist dringend ein neuer Konsultationsmechanismus erforderlich, wenn die Ministerpräsidenten die Schere zwischen sich und den Parlamenten nicht immer weiter vergrößern wollen - was auch das Risiko des Scheiterns enorm erhöhen und letztlich zur kompletten Handlungsunfähigkeit der Medienpolitik führen würde.

Partizipation sicherstellen

Handlungsunfähig ist die Medienpolitik bereits in einem anderen Feld, nämlich bei der Sicherung der Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Die Novelle des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags ist gescheitert. Niemand glaubt mehr an ein Last-Minute-Einlenken der Regierungschefs von Sachsen-Anhalt, Sachsen und Bayern und an anschließende Turbo-Sondersitzungen der Landtage bis Ende November. Das "Widerspruchsmodell", das freilich nicht überzeugend war und in sich Widersprüche erhielt, wird nicht kommen.

Für die Höhe des Rundfunkbeitrags ist einmal mehr das Bundesverfassungsgericht zuständig, das über die Beschwerden von ARD und ZDF gegen die ausgebliebene Beitragserhöhung zu befinden hat. Anders als von Ländern und Sendern erhofft, werden die Karlsruher Richter aber nicht mehr in diesem Jahr eine Entscheidung fällen - die medienpolitische Hängepartie geht also weiter.

Nur auf Hinweise des Bundesverfassungsgerichts zu setzen, wäre allerdings auch die falsche Einstellung. Karlsruhe wird aus guten Gründen nicht willens sein, alle paar Jahre über Beitragshöhen oder gar über Verfahrensdetails in der Mediengesetzgebung zu urteilen. Die Länder müssen sich in einer gemeinsamen Kraftanstrengung am Riemen reißen und selbst zeitgemäße Lösungen finden, die dauerhaft umsetzbar sind und gleichzeitig demokratische Partizipation ausreichend sicherstellen.

Michael Ridder Copyright: epd-bild/Heike Lyding Darstellung: Autorenbox Text: Michael Ridder ist stellvertretender Verantwortlicher Redakteur von epd medien.



Zuerst veröffentlicht 30.10.2025 15:23 Letzte Änderung: 30.10.2025 15:30

Michael Ridder

Schlagworte: Medien, Rundfunk, NEU

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