In keiner guten Verfassung - epd medien

18.09.2024 07:02

Nachdem die Bundesregierung das Thema Zustellförderung beerdigt hat, dringen die Zeitungsverleger weiter auf politische Unterstützung. Doch Bundeskanzler Scholz hat beim BDZV-Kongress wenig im Gepäck.

Der BDZV-Jahreskongress in Berlin

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim BDZV-Jahreskongress in Berlin

epd Presseähnlichkeit, Leistungsschutzrecht, Zustellförderung, Absenkung der Mehrwertsteuer - zum Auftakt des Jahreskongresses des Bundesverbandes Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) am 12. September in Berlin präsentierten die Vorstandsvorsitzenden Matthias Ditzen-Blanke, Stefan Hilscher und Hauptgeschäftsführerin Sigrun Albert eine hinlänglich bekannte Programmatik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vermied es, sich hierzu konkret zu äußern, und betonte stattdessen die Bedeutung von Journalismus für die Demokratie - und seine Überzeugung, dass hierin weiterhin ein funktionierendes Geschäftsmodell liege.

"Lokale Medien sind das Rückgrat unserer Medienlandschaft", sagte Scholz, er sei fest überzeugt: "Local News bleiben ein Geschäftsmodell. Lokale Medien haben eine Zukunft." In der krisengeplagten Branche hörte man derlei Bekenntnis gerne, jedoch beließ es der Bundeskanzler weitgehend bei einer anekdotenhaften Zustandsbeschreibung.

Seelenbalsam vom Kanzler

Seine Worte waren Balsam auf die Seelen der Verleger, allerdings auch nicht mehr. Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen zeigen sich inzwischen tiefe Risse in der Verbandsstruktur. Es kriselt auf vielen Ebenen. Anfang September, nur wenige Tage vor seinem Jahreskongress, kündigte der BDZV an, dass Hauptgeschäftsführerin Albert den Verband auf eigenen Wunsch verlasse. Sie wolle sich "neuen Herausforderungen stellen". Albert, die seit April 2022 im Amt ist, soll dieses nach einer Übergabe-Phase niederlegen. Ein genaues Datum steht bislang nicht fest.

Die personelle Unruhe an der Verbandsspitze dürfte auch damit zu tun haben, dass der BDZV zusehends Mitglieder verliert - und damit letztlich Geld und Einfluss. Schon im Sommer 2022 war die Funke Mediengruppe ausgetreten, im Frühjahr 2023 folgte die "Neue Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Vergangenen Juni kündigte schließlich die Bild-Gruppe aus dem Medienhaus Axel Springer an, den BDZV zum Ende dieses Jahres zu verlassen. Anfang August erklärte auch die SV Gruppe, zu der die "Schwäbische Zeitung" und der "Nordkurier" gehören, ihren Austritt.

Beim BDZV-Kongress, der diesmal unter der Überschrift "Freie Presse, starke Demokratie - in guter Verfassung?" stand, bemühte sich der Verband darum, seine internen Baustellen auszublenden. Die scheidende Hauptgeschäftsführerin Albert betonte, dass es Verbände "heute dringender denn je" brauche, und appellierte an die Verleger, "gemeinsam solidarisch zusammenzuhalten", was angesichts der Schwunderscheinungen ein dringendes Anliegen gewesen sein dürfte. Ditzen-Blanke erklärte, dass es unter den Verlegern mit Blick auf die medienpolitischen Ziele "keinen Dissenz" gebe, wohl aber unterschiedliche Auffassungen darüber, wie diese in den Unternehmen umzusetzen seien. Er sei zuversichtlich, dass man den einen oder anderen Verlag wieder in den Verband zurückführen könne.

zitat: Text ist unser großes Thema.

Im Beisein des ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke, der vorübergehend am Kongress teilnahm, gab sich BDZV-Vorstandsvorsitzender Hilscher zuversichtlich, was den Streit über die Internetangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angeht. Hierzu hatte der BDZV im Mai die EU-Kommission eingeschaltet, indem er eine formelle Beihilfebeschwerde einreichte. "Text ist unser großes Thema", sagte Hilscher und äußerte die Hoffnung, dass das Thema zum Verbandskongress im kommenden Jahr gelöst sei. Anschließend sei man auch zu einer Zusammenarbeit mit den öffentlich-rechtlichen Sendern bereit.

Eindringlich forderte Ditzen-Blanke die Politik zur Unterstützung der Verlagsbranche auf. Nachdem die Bundesregierung einer staatlichen Förderung für die Zustellung gedruckter Zeitungen und Magazine für diese Legislaturperiode im Sommer eine Absage erteilt hatte, plädiert der Verband nun unter anderem weiterhin für eine Absenkung der Mehrwertsteuer. Diese wirke kurzfristig, sei leicht umsetzbar, staatsfern und ordnungspolitisch unbedenklich, sagte Ditzen-Blanke. "Der Mehrwert einer freien Presse ist für unsere Demokratie existenziell - der Staat sollte genau an diesem Mehrwert nicht verdienen wollen."

Entwaldungsfreie Lieferketten

Bundeskanzler Scholz indes unterstrich stattdessen die Notwendigkeit eines gesunden Geschäftsmodells, mit dessen Zukunftsfestigkeit sich die Branche nach Jahrzehnten der Digitalisierung weiterhin schwertut. Scholz empfahl in Zeiten grenzenloser Informationsflut im Internet und in den sozialen Medien die Rückbesinnung auf gutes journalistisches Handwerk, und es wirkte ein wenig so, als vermisse er dieses bei allen Verbandssorgen derzeit. Mit einem Interviewpartner "eine echte Unterhaltung zu führen, die mehr ist als Profilierung oder Geschwätz", sei eine hohe Kunst. "Das ist die Kunst des guten Journalismus", sagte Scholz.

Immerhin in einem Punkt sicherte Scholz dann doch noch konkrete Unterstützung zu. Bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) habe er sich dafür eingesetzt, dass die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten ausgesetzt werde, solange Fragen der Verleger zu den Auswirkungen auf Printprodukte nicht geklärt seien, erklärte er. Die Verordnung soll entwaldungsfreie Lieferketten sicherstellen und droht das immer noch papierlastige Zeitungswesen offenkundig stark zu schädigen. Als Beweis der Zukunftsfähigkeit kann auch dieser Zustand nach Jahrzehnten der Digitalisierung nicht gelten.

Ellen Nebel Copyright: epd-bild/Heike Lyding Darstellung: Autorenbox Text: Ellen Nebel ist Redakteurin bei epd medien.



Zuerst veröffentlicht 18.09.2024 09:02

Ellen Nebel

Schlagworte: Medien, Kongresse, Verbände, BDVZ, Jahreskongress, Bundeskanzler, nbl

zur Startseite von epd medien