Bundesverwaltungsgericht hebt Verbot von "Compact" auf - epd medien

24.06.2025 08:12

Das rechtsextreme "Compact"-Magazin darf weiter erscheinen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht als oberste Instanz entschieden und dem Grundsatz der Meinungsfreiheit eine hohe Bedeutung beigemessen.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig

Leipzig (epd). Das Bundesinnenministerium ist mit seinem Versuch gescheitert, das rechtsextreme "Compact"-Magazin dauerhaft zu verbieten. Das Bundesverwaltungsgericht entschied am Dienstag in Leipzig, dass "Compact" weiterhin erscheinen darf. Der sechste Senat gab damit einer Klage von "Compact" statt und hob das Verbot durch das Innenministerium vom Juni 2024 auf. "Das Grundgesetz garantiert im Vertrauen auf die Kraft der freien gesellschaftlichen Auseinandersetzung selbst den Feinden der Freiheit die Meinungs- und Pressefreiheit", sagte der Vorsitzende Richter Ingo Kraft zur Begründung. (AZ: 6 A 4.24)

Gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts können keine Rechtsmittel eingelegt werden. Bereits im August vergangenen Jahres hatte das Gericht in einem Eilverfahren das Vereinsverbot vorübergehend aufgehoben und das Erscheinen des Magazins unter Auflagen wieder zugelassen.

Letztlich zulässige Kritik

In der Entscheidung des Gerichts vom Dienstag heißt es, die Verfassung vertraue mit der Vereinigungsfreiheit grundsätzlich auf die freie gesellschaftliche Gruppenbildung und die Kraft des bürgerschaftlichen Engagements im freien und offenen politischen Diskurs. Ein Vereinsverbot sei deshalb nur gerechtfertigt, "wenn sich die verfassungswidrigen Aktivitäten für die Vereinigung als prägend erweisen". Für "Compact" gelte aber, dass "die verbotsrelevanten Äußerungen und Aktivitäten noch nicht die Schwelle der Prägung" erreichten. Eine Vielzahl der vom Bundesinnenministerium "als Beleg für den Verbotsgrund angeführten migrationskritischen oder migrationsfeindlichen Äußerungen" ließen sich auch als überspitzte, aber letztlich zulässige Kritik an der Migrationspolitik deuten, sagte Richter Ingo Kraft.

Darüber hinaus enthielten vor allem die Printmedien von "Compact" auch Veröffentlichungen abseits des im Fokus stehenden Migrationsthemas, etwa zu Corona-Maßnahmen und zum Krieg in der Ukraine. Die darin zum Ausdruck kommende polemisch zugespitzte Machtkritik sowie die bedienten Verschwörungstheorien und geschichtsrevisionistischen Betrachtungen stünden unter dem Schutz der Pressefreiheit.

Bundesinnenministerium will sorgfältig prüfen

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) erklärte, sein Haus werde das Urteil sorgfältig auswerten. Die Argumente für ein Vereinsverbot seien in dem Fall nicht ausreichend gewesen. Vereinsverbote blieben aber auch in Zukunft ein anwendbares Mittel gegen extremistische Bestrebungen.

Das Verbot auf Grundlage des Vereinsgesetzes hatte Dobrindts Vorgängerin Nancy Faeser (SPD) im Juli 2024 veranlasst. Es betraf die Compact-Magazin GmbH sowie die Conspect Film GmbH. Zudem warf das Ministerium "Compact" vor, gegen die verfassungsmäßige Ordnung zu verstoßen. In einem Eilverfahren hatte das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag von "Compact" das Erscheinen des Magazins im August unter Auflagen vorerst wieder erlaubt.

Ministerium sah beachtliches Gefährdungspotenzial

Nach Auffassung des Ministeriums verstößt das Magazin gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Laut Verbotsverfügung vertritt "Compact" ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept und ist stark vernetzt im rechtsextremistischen Spektrum. Dazu zählten etwa Kontakte zu Martin Sellner von der Identitären Bewegung, zur AfD, den Freien Sachsen und der Partei "Die Heimat". Das Ministerium sieht in den Beiträgen von "Compact" eine aggressiv-kämpferische Haltung und die Absicht, das demokratische System fortlaufend zu delegitimieren. In dem Magazin überwögen verfassungsfeindliche Positionen, von der Publikation gehe ein beachtliches Gefährdungspotenzial aus. In der Verhandlung wies der Vertreter des Ministeriums am 10. Juni darauf hin, dass schon vor dem Verbot in Berichten der Verfassungsschutzämter "Compact" als gesichert extremistisch eingestuft worden war.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) begrüßten das Urteil. Der DJV-Vorsitzende Mika Beuster sprach von einer "Bekräftigung des hohen Stellenwerts der Meinungs- und Pressefreiheit". Die Gerichtsentscheidung dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass "Compact" rechtsextreme und menschenfeindliche Inhalte verbreite, "die mit den journalistischen Standards nichts am Hut haben".

Die Pressefreiheit gilt nicht nur für jene, deren Inhalte wir teilen.

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di sieht in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eine "wichtige Bestätigung für die Unabhängigkeit der Justiz und den hohen verfassungsrechtlichen Rang der Pressefreiheit". "Das Urteil macht deutlich, dass der Rechtsstaat funktioniert - auch dann, wenn es um Medien geht, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung stellen", sagte der dju-Co-Vorsitzende Lars Hansen: "Die Pressefreiheit gilt nicht nur für jene, deren Inhalte wir teilen. Sie ist ein hohes Gut, das nicht vorschnell eingeschränkt werden darf - und genau das hat das Gericht betont."

Nach Einschätzung des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena hat das rechtsextreme Magazin durch das Verbotsverfahren in den sozialen Medien seine Reichweite und damit seine Anhängerschaft erheblich vergrößern können. Das sagte Christian Donner, Senior Data Scientist am IDZ, den Funke-Zeitungen (Dienstag).

Das "Miteinander"-Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt erklärte in Magdeburg, die Aufhebung des Verbots werde das politische Selbstbewusstsein der extremen Rechten stärken. "Compact" bleibe ein zentraler Multiplikator rechtsextremer Ideologien im politischen Vorfeld der AfD, betonte der Rechtsextremismusexperte David Begrich. Das Magazin wird seit einiger Zeit in Sachsen-Anhalt publiziert.

Das Internationale Auschwitz Komitee bedauerte das Urteil. Für Überlebende des Holocaust sei es "enttäuschend und ein entlarvendes Beispiel für eine Demokratie, die der Gerissenheit ihrer Gegner noch immer allzu naiv und realitätsfern gegenübersteht", erklärte Geschäftsführer Christoph Heubner.

lob



Zuerst veröffentlicht 24.06.2025 10:12 Letzte Änderung: 25.06.2025 11:44

Schlagworte: Bundesgerichte, Medien, Rechtsextremismus, NEU

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