Bundesverwaltungsgericht setzt "Compact"-Verbot teilweise aus - epd medien

14.08.2024 15:19

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot des rechtsextremen "Compact"-Magazins in Teilen vorläufig aufgehoben. Grund sind Zweifel an der Verhältnismäßigkeit. Der Deutsche Journalisten-Verband sieht in dem Beschluss ein Bekenntnis zur Pressefreiheit, das Bundesinnenministerium hält das Verbot weiter für begründet.

Ausgaben des rechtsextremen "Compact"-Magazins in einer Bahnhofsbuchhandlung

Leipzig/Frankfurt a.M. (epd). Das rechtsextremistische Magazin "Compact" hat einen ersten Teilerfolg gegen sein Verbot durch das Bundesinnenministerium errungen. Das Bundesverwaltungsgericht gab einem Eilantrag der Compact-Magazin GmbH auf aufschiebende Wirkung ihrer Klage in Teilen statt, wie das Gericht am Mittwoch in Leipzig mitteilte. (AZ: BVerwG 6 VR 1.24)

Zur Begründung hieß es, einzelne Ausführungen in den Print- und Online-Publikationen von "Compact" ließen zwar Anhaltspunkte insbesondere für eine Verletzung der Menschenwürde erkennen. Zudem deute "Überwiegendes" darauf hin, dass die Magazin-Macher in vielen Beiträgen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen einnehmen.

Zweifel an der Verhältnismäßigkeit

Mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit bestehen laut Gericht jedoch Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Verbots. Vor dem Hintergrund von in weiten Teilen nicht zu beanstandenden Beiträgen in den "Compact"-Ausgaben stelle sich die Frage, ob verletzende Passagen für die Ausrichtung der Vereinigung insgesamt derart prägend sind, dass ein Verbot gerechtfertigt sei.

Statt eines generellen Verbots schlagen die Bundesverwaltungsrichter in ihrem Beschluss presse- und medienrechtliche Maßnahmen vor, wie Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote sowie Einschränkungen und Verbote von Versammlungen. Ob "Compact" sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet und damit rechtmäßig verboten wurde, könne erst in einem Hauptsacheverfahren abschließend beurteilt werden.

Rückgriff auf das Vereinsrecht

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das Magazin Mitte Juli unter Rückgriff auf das Vereinsrecht verboten. Die Publikation richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, teilte das Ministerium zur Begründung mit. Faeser bezeichnete "Compact" als "zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene".

Neben anderen hatten die Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler und Christoph Degenhart Kritik an dem Verbot geäußert und von einem massiven Eingriff in die Pressefreiheit gesprochen. "Compact" reichte beim Bundesverwaltungsgericht, das hier in erster und letzter Instanz zuständig ist, einen Eilantrag und eine Klage ein.

Auswertung von Beweismitteln

Das Bundesinnenministerium hält das Verbot indes weiter für begründet. Man habe das verfassungsfeindliche und aggressiv-kämpferische Agieren der Compact-Magazin GmbH in der Verbotsverfügung umfassend begründet und durch Beweismaterial der Sicherheitsbehörden belegt, erklärte ein Ministeriumssprecher nach der Gerichtsentscheidung am Mittwoch in Berlin. Das Gericht habe bestätigt, dass das "Compact"-Verbot mit den Mitteln des Vereinsrechts möglich sei.

Das Ministerium werde seine Rechtsauffassung für das Verbot im Hauptsacheverfahren umfassend darlegen, so der Sprecher. Dazu würden derzeit auch Beweismittel ausgewertet, die bei Durchsuchungen zur Durchsetzung des Vereinsverbots sichergestellt wurden.

In ihren reichweitenstarken Publikationen verbreite die Compact-Magazin GmbH "antisemitische, rassistische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte", betonte das Ministerium. Sie agitiere gegen ein pluralistisches Gesellschaftssystem, das die Menschenwürde des Einzelnen achte, und propagiere ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept, das "ethnisch Fremde" aus dem Staatsvolk ausschließen wolle.

Elsässer: "David siegt gegen Goliath"

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) kritisierte am Mittwoch das Vorgehen Faesers beim Verbot von "Compact": "Es wäre in einem Rechtsstaat hilfreich, vor der Einleitung von derartigen drakonischen Maßnahmen auch mildere Mittel in Betracht zu ziehen", sagte Kubicki den Zeitungen der Funke Mediengruppe (online).

Der Deutsche Journalisten-Verband sieht in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das Verbot von "Compact" außer Kraft zu setzen, ein klares Bekenntnis des Gerichts zum Grundrecht der Pressefreiheit. Bundesvorsitzender Mika Beuster sagte: "Damit steht fest, dass das 'Compact'-Verbot ein politischer Schnellschuss war." Vor den Konsequenzen habe der Verband bei Bekanntgabe des Verbots gewarnt. Bis eine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache vorliege, könne noch viel Zeit vergehen.

Der Leiter des "Compact"-Magazins, Jürgen Elsässer, sagte in einem auf der Plattform X verbreiteten Video nach der Entscheidung des Gerichts: "Sieg, Sieg, Sieg!" "David siegt gegen Goliath, 'Compact' siegt über Faeser, die Demokratie siegt über die Diktatur und das Volk siegt über das Regime!" Er kündigte an, das Magazin fortsetzen zu wollen.

lob/ema/kfr



Zuerst veröffentlicht 14.08.2024 15:33 Letzte Änderung: 14.08.2024 17:19

Schlagworte: Bundesgerichte, Rechtsextremismus, Medien, Compact, Bundesverwaltungsgericht, lob, NEU

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