Kritik an nicht besetzter Schlichtungsstelle von Sendern und Verlagen - epd medien

10.09.2025 10:04

Seit anderthalb Jahren liegt die Schlichtungsstelle von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Presseverlagen auf Eis. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) kritisiert dies. Medienrechtler Dieter Dörr weist darauf hin, dass nur im Ausnahmefall von der gesetzlichen Vorgabe abgewichen werden dürfe.

Alexander Schweitzer ist Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder

Mainz (epd). Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) hat die anhaltende Nichtbesetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Schlichtungsstelle von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Presseverlagen kritisiert. Es sei "sicherlich nicht" im Sinne des Gesetzgebers, dass die für Streitfälle zu Internetangeboten der Sender zuständige Stelle seit mehr als anderthalb Jahren nicht besetzt sei, sagte Schweitzer, der auch Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder ist, in einem Interview mit dem epd. "Aber das heißt nicht, dass die Institution als solche überflüssig ist, sondern sie muss eben wieder entsprechend aufgebaut werden." Diese Konfliktfelder könnten "nur miteinander" gelöst werden.

Schweitzer verteidigte die Entscheidung der Ministerpräsidenten, auch in der aktuellen Novelle des Medienstaatsvertrags Regelungen zum Verbot der Presseähnlichkeit für öffentlich-rechtliche Internetangebote vorzuhalten. "Wenn Qualitätszeitungen, die von Zeitungs-Abonnements und Werbung leben, nicht mehr die Möglichkeit haben, die regionale und lokale Identität abzubilden, weil öffentlich finanzierte Medienangebote ihnen das wegnehmen, dann schränke ich die Medienvielfalt ein. Das wollen wir nicht", sagte er. "Der Öffentlich-Rechtliche muss nicht dahin gehen, wo andere die Arbeit schon machen. Das gilt zumindest noch für die meisten Regionen Deutschlands."

Außergerichtliche Klärung

Seit vielen Jahren monieren die Verleger, dass durch kostenlose presseähnliche Textangebote der Sender im Internet ein ungleicher Wettbewerb zum Schaden der Zeitungen stattfinde. Das Schlichtungsverfahren war 2019 gesetzlich verankert worden. Anschließend hatten die Sender mit dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und dem Verband deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), der Vorgängerorganisation des heutigen Medienverbandes der freien Presse (MVFP), Schlichtungsstellen mit Spitzenvertretern jeweils beider Seiten eingerichtet. Dadurch sollten Unstimmigkeiten bei der Ausgestaltung öffentlich-rechtlicher Telemedienangebote außergerichtlich geklärt werden.

Der BDZV kündigte die Vereinbarung Mitte September 2023 mit Wirkung zum Jahresende, nachdem zuvor in keinem Fall eine Schlichtung gelungen war. Zur Begründung wurden Umstrukturierungen innerhalb des BDZV genannt.

Die entsprechende Vorschrift zur Schlichtungsstelle findet sich in Paragraf 30, Absatz 7, Satz 6 des Medienstaatsvertrags. Dort heißt es: "Zur Anwendung der Sätze 1 bis 5 soll von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Spitzenverbänden der Presse eine Schlichtungsstelle eingerichtet werden." Wie der Medienrechtler Dieter Dörr, langjähriger Professor an der Uni Mainz, dem epd erläuterte, ist der Vorgabe einer derartigen Soll-Vorschrift "im Regelfall" Folge zu leisten.

Stets offen für eine einvernehmliche Anpassung der Schlichtungsvereinbarung

Nur im Ausnahmefall dürfe von der gesetzlichen Vorgabe abgewichen werden, so Dörr. Dieser Ausnahmefall sei darzulegen und zu belegen. "Eine Sollvorschrift ist also keineswegs eine reine Empfehlung. Vielmehr muss derjenige, der davon abweichen will, darlegen und belegen, dass ein Ausnahmefall vorliegt", betonte der Jurist. "Ob ein Ausnahmefall gegeben ist, kann von den Gerichten voll nachgeprüft werden." Die ARD könne durchaus argumentieren, dass ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben sei und daher die Schlichtungsstelle eingerichtet werden muss, sagte Dörr.

Die ARD erklärte auf epd-Nachfrage, der Senderverbund sei "stets offen für eine einvernehmliche Anpassung der Schlichtungsvereinbarung". Bereits kurz nach der BDZV-Kündigung seien Verhandlungen über den Abschluss einer neuen Vereinbarung aufgenommen worden. Diese seien zwischenzeitlich aber ausgesetzt worden, um etwa Anpassungen der Regelungen im Reformstaatsvertrag "angemessen berücksichtigen zu können". Die Verhandlungen würden derzeit "in konstruktiver Atmosphäre fortgesetzt und sollen zeitnah abgeschlossen werden". Eine BDZV-Sprecherin bestätigte laufende Gespräche, äußerte sich darüber hinaus jedoch nicht.

Verschärfungen im Reformstaatsvertrag

Der Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk enthält zum Thema Presseähnlichkeit einige Verschärfungen. So heißt es nun, zulässige sendungsbegleitende Texte seien "Sendungstranskripte, Zusammenfassungen der wesentlichen Inhalte einer Sendung sowie solche, die der nachträglichen Aufbereitung von Inhalten aus einer konkreten, nicht länger als vier Wochen zurückliegenden Sendung einschließlich Hintergrundinformationen dienen (…)." Die Novelle wird derzeit in den Landesparlamenten ratifiziert und soll am 1. Dezember in Kraft treten.

Im Dauerstreit über das Thema Presseähnlichkeit hat der BDZV auch die EU-Kommission eingeschaltet. Dazu reichten die Verleger eine formelle Beihilfebeschwerde in Brüssel ein.

nbl/rid



Zuerst veröffentlicht 10.09.2025 12:04 Letzte Änderung: 10.09.2025 12:17

Schlagworte: Medien, Presse, Verlage, Rundfunk, Internet, nbl, Schweitzer, Dörr, Schlichtungsstelle, BDZV, ARD, NEU

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