BGH: "Augenbalken" reicht nicht immer für Unkenntlichmachung - epd medien

05.02.2025 08:49

Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe

Karlsruhe (epd). Bei der Verdachtsberichterstattung über einen vermeintlich rechtswidrigen Schlagstockeinsatz eines Polizeibeamten darf dessen Identität regelmäßig nicht erkennbar sein. So reiche bei der Presseveröffentlichung eines Fotos ein schwarzer Balken über der Augenpartie des Polizisten zur Unkenntlichmachung nicht aus, wenn anhand anderer körperlicher Merkmale und der Nennung des Einsatzortes der Beamte identifizierbar sei, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zu einem Artikel im Nachrichtenportal "bild.de". (AZ: VI ZR 87/24)

Das am 19. November gefällte Urteil wurde am 30. Januar veröffentlicht. Anlass des Rechtsstreits war eine Verkehrskontrolle auf dem Parkplatz einer Apotheke in Kelsterbach bei Frankfurt. Als die Polizisten gegen einen Autofahrer ein Verwarngeld erhoben, kam der Apotheker hinzu. Dieser forderte die Beamten auf, die Maßnahmen zu unterlassen, da es sich um einen Privatparkplatz handele. Dabei kam es zu Handgreiflichkeiten, bei denen ein Polizist seinen Schlagstock gegen den Apotheker einsetzte und diesen am Bein verletzte. Was sich genau abgespielt hat, ist streitig.

Verlinkung zu "Killer-Cop" von George Floyd

Das Portal "bild.de" berichtete über die "völlig aus dem Ruder" gelaufene Polizeikontrolle. In dem Artikel, der in voller Länge hinter der Bezahlschranke abrufbar war, wurde ein Foto des Polizisten aus einem Handyvideo veröffentlicht. Dieses zeigte den Beamten mit erhobenem Schlagstock und den Apotheker, wie er den Polizisten am Halsausschnitt der Schutzweste anfasste. Die Augenpartien des Beamten waren mit einem schwarzen Balken verdeckt, um eine Identifizierung zu verhindern. Im Text gab es eine Verlinkung zum "Killer-Cop" von George Floyd, der in den USA Opfer tödlicher Polizeigewalt wurde.

Der Polizist klagte auf Unterlassung der Wort- und Bildberichterstattung wegen der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Es sei zu einem gerechtfertigten Schlagstockeinsatz gekommen. Trotz des eingefügten schwarzen Balkens über seinen Augen sei er noch identifizierbar. Das Landgericht und das Oberlandesgericht in Frankfurt gaben der Klage statt.

Kein Dokument der Zeitgeschichte

Dem folgte auch der BGH und verwarf damit die Revision des Medienkonzerns Axel Springer. Zwar sei eine identifizierende Verdachtsberichterstattung möglich, wenn der Betroffene dem zustimmt oder es sich um ein Dokument der Zeitgeschichte handelt. Dies sei hier aber nicht der Fall. Daher hätte "Bild" den Polizisten unkenntlich machen müssen. Der schwarze Augenbalken reiche nicht aus, denn der Beamte sei wegen seiner Frisur und seines Bartes sowie der Nennung des Einsatzortes in dem Text identifizierbar gewesen.

Zum Zeitpunkt der Berichterstattung habe sich der Kläger auf die Unschuldsvermutung berufen können, da lediglich ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei. Ein überwiegendes Interesse an einer identifizierbaren Berichterstattung habe nicht bestanden. Die Textberichterstattung sei zudem verkürzt und fehlerhaft gewesen.

Das Amtsgericht sprach den Polizisten später vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt frei. Das Verfahren gegen den Apotheker wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wurde mangels "hinreichenden Tatverdachts" eingestellt.

fle



Zuerst veröffentlicht 05.02.2025 09:49

Schlagworte: Medien, Justiz, BGH, Augenbalken, Bild, Springer, Polizei, fle

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