26.01.2025 10:00
epd Der erste Film mit Nadja Uhl in der Rolle der Staatsanwältin Judith Schrader lief im Jahr 2019, er hieß: "Gegen die Angst". Auch damals war Robert Hummel der Autor und Dirk Borchardt als LKA-Mann Jochen Montag Uhls Partner bei der Verbrecherjagd. Inzwischen hat sich die Reihe etabliert, "Die Jägerin - Gegen die Wut" ist der vierte Film. Wieder ist Berlin ein Schauplatz, der mit- und in die Handlung hineinwirkt; diesmal aber ist Schrader nicht mehr in der Abteilung Organisierte Kriminalität (OK) tätig, sondern in der vergleichsweise weniger herausfordernden Abteilung Verkehr, natürlich strebt sie zurück in die OK - und bekommt eine Chance. Ihr Vorgesetzter verspricht ihr die Rückkehr, wenn sie in einem komplizierten und dann auch noch politisch brisanten Fall Klarheit schafft.
Die designierte Polizeibeauftragte des Landes Berlin, Sirin Dogan (Idil Üner), wurde in ihrer gerade erst bezogenen Wohnung von einem Eindringling überfallen und bedroht - woher wusste der Täter die hochgeheime Adresse der Politikerin? Stecken womöglich Polizisten dahinter? In Chatprotokollen rechter Gruppierungen bei der Polizei finden sich Hinweise. Wann wird es den angedrohten Anschlag geben? Die Gefahr ist da, denn Dogan ist bekannt dafür, sich gegen Polizeigewalt zu stemmen und damit die Wut rechtsgerichteter Ordnungshüter auf sich zu ziehen. Und: Angeblich sicher gelagerter Sprengstoff wurde entwendet.
Schrader macht sich an die Arbeit, an ihrer Seite LKA-Mann Jochen Montag. Die beiden mögen sich. Das ist mal etwas anderes als die ewigen Duos, die einander spontan verabscheuen und dann nach und nach entdecken, dass da irgendwo doch Sympathie keimt. Bei Schraders und Montags Dialogen, die von der Arbeit handeln, aber auch vom Tod und vom Weiterleben, schimmert viel durch von dem, was als Berliner Lakonie bekannt ist, aber auch als Berliner Bodenständigkeit überzeugen kann. Und die beiden reden und gucken berlinerisch cool, da ist nichts aufgesetzt.
Und so geht die Geschichte weiter: Ex-Polizist Sven Temme (Nicholas Reinke), gefeuert wegen körperlicher Übergriffe, hat mit Dogan eine Rechnung offen. Ein Killer, der Temmes Schwester auf dem Gewissen hat, hätte vor der Bluttat abgeschoben werden müssen, wovor die Dogan ihn bewahrte. Temme kann das nicht vergessen. Jetzt betreibt er eine Kneipe. Und er hat eine Freundin: Jana Bloch (Sarah Mahita), auch sie bei der Polizei, aber suspendiert - ebenfalls wegen eines, wie sich herausstellt, scheinbaren Übergriffs. Schrader schaut sich bei diesen beiden Ex-Polizeidienstleistenden um, sie versucht, Bloch dazu zu bewegen, ihren Freund auszuspionieren. Gerade noch rechtzeitig wird der Bombenanschlag verhindert. Und Judith Schrader darf zurück zur OK.
All die einzelnen Schritte, die bei dem Versuch, einen erwarteten Anschlag zu verhindern, gegangen werden müssen, vollzieht der Film nach: Observation, Hausdurchsuchung, Abhörmaßnahmen, Einsatz von VPs (Vertrauenspersonen), Verfolgung und Show-down, dabei wechselt er immer wieder die Perspektive und zeigt nicht nur die Polizei und die Staatsanwälte bei ihrer Jagd, sondern auch die Täter bei ihren Anschlagsvorbereitungen, ihrer Flucht, ihren Zwistigkeiten.
Mit ruhiger Hand geleitet Regisseur Ismail Sahin sowohl die Schauspieler als auch das Publikum durch das unübersichtliche Gelände dieses Plots. Im Zentrum stehen Schrader mit ihrem guten Geist Montag und Temme mit seinem bösen Geist Bloch. Dem Autor Robert Hummel ist ein hochspannender Krimi gelungen, in dem das Publikum stets weiß, was beide Seiten vorhaben und erfährt, dass die Guten manchmal Böses tun und die Bösen ebenfalls gespaltene Persönlichkeiten sind. Die Themen Polizeigewalt und Rechtsradikalismus in der Polizei werden nach allen Seiten hin durchdekliniert, dabei lahmt der Film nirgends. Er vermeidet es auch, die Lage zu erklären, er zeigt sie.
Die schauspielerischen Leistungen sind beeindruckend. Nadja Uhl hat sich ihre Schrader so ganz zur zweiten Natur gemacht, das gilt auch für Borchardt mit seinem Montag; Nicholas Reinke gibt seinen Temme keineswegs als dumpfen Rachegott, sondern als verstörten Trauernden, und Sarah Mahita glänzt in dramatischen Situationen als suspendierte Polizistin Bloch, der Unrecht geschah, das dann aber von der "Jägerin" wiedergutgemacht wird. Auch sonst haben wir es hier mit einem glücklichen Cast zu tun. Selbst die Bullen auf dem Revier wirken wie aus dem Leben gegriffen.
Filme, in denen interne Ermittler gegen ihre eigenen Leute antreten müssen, machen es dem Publikum naturgemäß schwerer, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und die Linie nachzuvollziehen, entlang derer sich die anständigen von den korrupten oder auch extremistischen Gesetzeshütern scheiden. "Die Jägerin - Gegen die Wut" macht aus dieser Not eine Stärke, er zeigt, dass die "unübersichtliche Lage" bis in die Seelen der Protagonisten hineinreicht.
infobox: "Die Jägerin - Gegen die Wut", Krimi, Regie: Ismail Sahin, Buch: Robert Hummel, Peter Dommaschk, Kamera: Jana Lämmerer, Produktion: Real Film Berlin (ZDF-Mediathek, seit 25.1.25, ZDF, 3.2.25, 20.15-21.45 Uhr)
Zuerst veröffentlicht 26.01.2025 11:00
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Krimi, Sahin, Hummel, Sichtermann
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