Abbild der Reality - epd medien

13.02.2025 13:36

Mit "Einsame Herzen - Das Love Camp" parodieren Torge Oelrich und sein Team die zahlreichen Dating-Reality-Shows im Fernsehen. "Freshtorge" selbst verkörpert mit großer Spielfreude die sechs Singles auf Partnersuche.

Türsteher Harald (Torge Oelrich) wittert Stress im "Love Camp"

epd Mitten im wuchernden Genre der Dating-Reality-Shows, zwischen "Love Island", "Are You The One?” und "Too Hot to Handle” wagt sich Internetstar "Freshtorge", der vor allem mit Sketchvideos auf Youtube Berühmtheit erlangte, an eine Parodie derartiger Kennenlernformate. Ob dieses Showgenre mit immer absurderen Charakteren, immer wahnwitzigeren Konzepten und immer alberneren Aktionsspielen überhaupt einer parodistischen Aufarbeitung in größerem Umfang bedarf, kann nach dem Kurzurlaub in Torge Oelrichs "Love Camp" jedoch hinterfragt werden.

In dem Format ziehen sechs unterschiedliche Singles in ein idyllisches Landhaus, um sich kennenzulernen, Challenges zu absolvieren und Punkte für den Verbleib in der Show und für die Chance auf den Gewinn einer Doppelhaushälfte zu sammeln. Vergeben werden die Punkte in Form von "Juice of Love" nach Gutdünken des Guru-artigen Liebescoachs Gesualdo.

Menschliche Abgründe

Für "Einsame Herzen - Das Love Camp" ist das Konzept der ersten Staffel von "Einsame Herzen" grundlegend verändert worden: Zwar spielt Oelrich auch weiterhin alle Singles - egal welchen Geschlechts - selbst. Doch anders als in Staffel eins, in der die Singles weitgehend losgelöst voneinander in Sketchen vorgestellt wurden, agieren sie nun im horizontal, über sechs Folgen erzählten "Love Camp" immer wieder miteinander. Das ermöglicht mehr Reibungen, mehr Intrigen und die Darstellung zwischenmenschlicher Abgründe.

Selbst an den übermäßigen Einsatz generischer Popmusik zur Untermalung der Sendung hat das Team hinter "Einsame Herzen" gedacht. Doch gerade bei Parodien liegt in der Kürze die Würze. "Das Love Camp" aber streckt die Liebesgeschichten, Konflikte und Eigenheiten seiner Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf sechs ungefähr halbstündige Folgen aus, deren anfänglicher Reiz schon ab der zweiten Folge verfliegt - trotz der eigenwilligen Figuren.

One-Man-Show

Torge Oelrich punktet als Darsteller sämtlicher Singles mit seiner riesigen Spielfreude und seinem Talent, sich für keinen noch so schrägen Charakterzug der Figuren zu schade zu sein. Die offensichtlich an Reality-Ikone Claudia Obert anspielende Diva Susanna Nörgel, die aus ihrer Lüsternheit kein Geheimnis macht, mimt er ebenso hemmungslos wie den lauten Macho-Türsteher Harald, der den schüchternen Malte beschützen möchte und mit ihm ein herrlich-ungleiches Duo abgibt. Andere Singles, etwa die junge Lisa, die nach einem Kurzaufenthalt in den USA kaum ohne Anglizismen auskommt, sind da spürbar platter konzipiert.

Auch wenn es Oelrich gelingt, alle Singles und sogar den Liebescoach, den er ebenfalls spielt, auf jeweils eigene Weise zum Leben zu erwecken, ist es eher herausfordernd als beeindruckend, ihn ständig als einzigen Darsteller in sämtlichen Rollen dieser One-Man-Show zu sehen. Nur die Moderatorin des fiktiven Formats wird nicht von Oelrich gespielt, sondern von Annie Hoffmann. Von ihrer Schlagfertigkeit und Spontaneität, die man etwa aus dem ProSieben-Format "Crash Games" kennt, lässt sie in ihrer neuen Rolle nichts durchschimmern. Stattdessen führt sie so uninspiriert, glattgebügelt und austauschbar durch die Sendung, dass man meint, man habe es mit Cathy Hummels in "Kampf der Realitystars" zu tun. Sehr gut getroffen!

Temporeiche Dialoge

Oelrichs aus seinen Youtube-Sketchen bekannte Stärke, Witz in temporeiche Dialoge zu bringen, kommt auch in vielen Szenen seiner Dating-Reality-Parodie zum Vorschein. Das Pointen-Timing passt, an Pseudo-Weisheiten mangelt es nicht ("Die Liebe ist wie eine Banane: Sie schmeckt gut, aber wenn du sie zu früh vom Bäumerle pflückst, ist da noch ein Wurm drin") und die genrebedingt obligatorische Fäkalsprache wird hier zu Blüten wie "Kackpissmilch" oder "Pimmelkopf" getrieben.

Bei aller Kreativität, die in manch eine Figur und manch einen Dialog geflossen ist, bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass viele Situationen, Pointen und Charaktere nicht als Überspitzung des zuhauf in Realityshows von sich gegebenen Quarks taugen, sondern von "echten" Momenten aus "richtigen" Realityshows an Absurdität und Komik noch überboten werden. Zu oft ist "Das Love Camp" keine Steigerung, sondern das bloße Abbild eines Genres. Reality-affine Zuschauer werden über die Dramaturgie der "Einsamen Herzen" nur müde lachen können.

infobox: "Einsame Herzen - Das Love Camp", zweite sechteilige Staffel der Comedyserie mit Torge Oelrich, Regie: Sven Nagel, Edgar Derzian, Buch: Torge Oelrich, Edgar Derzian, Kamera: Philipp Baben der Erde, Produktion: Fabiola (ZDF-Mediathek seit 7.2.25, ZDFneo, 13.2.25, 23.30-1.05 Uhr, 20.2.25, 23.30-0.45 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 13.02.2025 14:36

Lukas Respondek

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), K

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