25.07.2024 07:33
epd Da ist sie wieder, die mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete, auch international erfolgreiche Netflix-Serie "Kleo", über die sich sogar Stephen King lobend geäußert hat. Knapp zwei Jahre nach der Premiere hat der Streaminganbieter der Figur der ehemaligen Stasi-Killerin auf Rachefeldzug eine zweite Staffel spendiert: sechs neue Folgen mit "Fack ju Göhte"-Star Jella Haase als Riot Braut aus Ostberlin.
Kurze Rekapitulation: Die ersten acht Folgen handelten davon, wie die von ihrem Opa aufgezogene Enkelin eines Stasi-Generals 1987 in der West-Berliner Disco "Big Eden" im Auftrag "der Firma" einen Mann liquidierte, kurz darauf von den eigenen Genossen aus heiterem Himmel wegen Hochverrats und Spionage inhaftiert wurde und bei einem Kampf auf dem Gefängnishof ihr ungeborenes Kind verlor. Erst durch den Mauerfall und die mit ihm einhergehende Generalamnestie für politische Gefangene kam sie im Mai 1990 frei - um fortan in den Wirren der Nachwendejahre die Hintergründe dieses Verrats zu erforschen und eine Vendetta gegen all jene zu starten, die ihr so übel mitgespielt hatten.
Ihren Großvater erschoss sie bereits in Folge eins, betonierte ihn mit einem Lenin-Buch im Garten ein und bezog seine Villa. Stasi-Chef Erich Mielke vergiftete sie zunächst mittels eines in die Haftanstalt Hohenschönhausen geschickten Gugelhupfs, um ihn dann nach Verhör im Krankenhaus zu töten.
In Staffel zwei nun haben die Showrunner Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad ("4 Blocks") sowie ihre Co-Autorin Katharina Brauer ("Para - Wir sind King") die Suche nach jenem roten Koffer zum Leitmotiv erhoben, dem schon Kleos "Big Eden"-Einsatz galt. Dessen Inhalt muss etwas mit der deutschen Wiedervereinigung zu tun haben, jedenfalls bemühen sich BND, CIA und KGB darum. Und er muss etwas über Kleos Familiengeschichte erzählen - ein klassischer Hitchcock’scher MacGuffin.
Während Jella Haase in Trainingskleidung und anderen schrägen Klamotten nahtlos an ihre furiose Darstellung aus der Auftaktstaffel anknüpft - insbesondere ihr charakteristisches "hrrrrm", eine Art genervtes Räuspern, wirkt sofort wieder vertraut -, verändert sich jedoch der Tonfall der Serie: Die tragische Wucht des Anfangs strahlt nicht mehr ganz so stark aus, der Zuschauer hat sich daran gewöhnt, dass die Protagonistin einstecken und austeilen kann und die unglaublichsten Anschläge überlebt. "Kleo 2" ist leichter als pures Entertainment zu konsumieren, ein kreatives Feuerwerk in Sachen Ausstattung und Musik.
An Bedeutung gewinnt die Figur des Westberliner Polizisten Sven Petzold (Dimitrij Schaad), der seinerzeit zufällig Zeuge des Mords im "Big Eden" wurde, bei seinem Vorgesetzten mit seinen Theorien jedoch nicht durchdrang und daher notgedrungen auf eigene Faust ermittelte. Der Sprücheklopfer in "Miami Vice"-Gedächtnisanzügen avanciert vom Gegenspieler zu Kleos tragikomischem Sidekick, nach unermüdlichem Buhlen schließlich sogar zu ihrem akzeptierten Partner in Crime.
Ebenfalls wieder mit von der Partie ist der verstrahlte Techno-Jünger Thilo (Julius Feldmeier), der mit einer gleichwertig zugedröhnten Freundin (Alli Neumann) bei Kleo einzieht, kosmische Weisheiten beisteuert und nebenbei die Love Parade erfindet. Und auch Slapstick-Bösewicht Uwe (Vincent Redetzki), eine optische Reminiszenz an den jungen Quentin Tarantino, treibt weiter sein Unwesen. Mit anderen Finsterlingen arbeitet er an einem "antiimperialistischen Gegenschlag", dessen Ziel es ist, die Währungsunion zu verhindern und den Anschluss der BRD an die DDR zu erreichen.
Getreu dem vorangestellten Motto "Dies ist eine wahre Geschichte. Nichts davon ist wirklich passiert" bricht die Heldin im Lauf der irrwitzigen Handlung bei "Tante Margot" Honecker (Steffi Kühnert) ein, erlebt Flashbacks in die eigene Kindheit und reist nach Belgrad, Moskau und zum Weltraumbahnhof Baikonur, um die Leerstellen ihrer Vergangenheit zu füllen. Dass bei all den Actionsequenzen auf Hochhausdächern, in verlassenen Steinbrüchen und entlegenen Datschen wieder Leichen ihren Weg pflastern, versteht sich. Zwar ruft Sven sie des Öfteren zur Mäßigung auf ("Können wir nicht einmal unsere Probleme klein halten?"), erreicht aber im Zweifel nur, dass sie statt zur Kalaschnikow zu einem kleineren Kaliber greift.
Mag zwischendurch mal der Gedanke aufkommen, dass es irgendwann auch genug sein könnte mit all den Winkelzügen, Doppelagenten und Überläufern, so gelingt den neu dazugestoßenen Regisseurinnen Isabel Braak und Nina Vukovic auf der Zielgeraden ein bemerkenswertes Kunststück: Sie schaffen es nicht nur, den aktuellen Erzählstrang zu einem befriedigenden Ende zu bringen, sondern auch, noch eine Pointe zu setzen, die eine weitere Fortsetzung quasi unumgänglich macht.
infobox: "Kleo", zweite sechsteilige Staffel der Thrillerserie, Regie: Isabel Braak, Nina Vukovic, Buch: Hanno Hackfort, Richard Kropf, Bob Konrad, Katharina Brauer, Kamera: Tobias Koppe, Jonathan Ibeka, Produktion: Zeitsprung Pictures (Netflix, ab 25.7.24)
Zuerst veröffentlicht 25.07.2024 09:33
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Streaming, Kritik, Kritik.(Streaming), KNetflix
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