Marathon der Ermittlungsarbeit - epd medien

08.02.2025 10:15

Der vierteilige Fernsehfilm "Spuren" basiert auf zwei realen Kriminalfällen, die sich 2016 in Freiburg und Umgebung zutrugen. Im Mittelpunkt des Films von Stefan Krohmer steht die Ermittlungsarbeit der Sonderkommission, der es gelang, beide Morde aufzuklären.

Nina Kunzendorf spielt in "Spuren" Kriminaloberrätin Barbara Kramer, die zu zwei Frauenmorden ermittelt

epd True Crime-Hörer könnten den Fall kennen, um den es in "Spuren" geht, etwa aus dem Podcast "Stern Crime - Spurensuche": In der Doppelfolge "Am falschen Ort zur falschen Zeit - Der Mordfall Carolin G." war Walter Roth zu Gast, ehemaliger Polizeisprecher und Mitglied der "Sonderkommission Erle", die sich bemühte, den Mord an einer Joggerin am Kaiserstuhl aufzuklären. Walter Roth hat auch ein Sachbuch geschrieben, das die langwierigen Ermittlungen und den so unwahrscheinlichen wie spektakulären Durchbruch bei der Aufklärung nachzeichnet.

Im November 2016 wurde in Endingen am Kaiserstuhl eine Joggerin ermordet. Nur drei Wochen zuvor war im knapp 30 Kilometer entfernten Freiburg eine weitere junge Frau getötet worden. Die Ermittlungen standen unter besonderem Druck. Ein Serienmörder zwischen beschaulichen Weinbergen auf der Lauer nach Zufallsopfern? Monatelang, so erzählt es Roth, sammelte und bewertete das Team Spuren, fand Indizien, wurde frustriert, weitete den Radius der Ermittlungen nach und nach aus.

Durchbrüche und Frustrationen

In der Rekonstruktion der Ermittlungen in "Spuren" klingelt an Tag 197 nach der Tat Hauptkommissar Thomas Riedle (Tilmann Strauß) beim Witwer Tobias (David Richter), um ihm die Nachricht zu überbringen: "Wir haben den Täter." Es öffnet niemand. Tobias ist unterwegs, er wird angerufen, hält an, steigt aus. Macht die Autotür zu, als ein Fahrradfahrer vorbeifährt: "Gut", sagt er.

Seit dem ersten Erscheinen der Kriminalbeamten im Dorf, wo jeder jeden kennt, und jeder weiß, dass das Opfer immer durch die Weinberge gejoggt ist, ist ein halbes Jahr vergangen. Mit Verdächtigungen und Entlastungen. "Spuren" zeigt den Marathon dieser Ermittlungsarbeit.

Wenn Realismus die Steigerung naturalistischen, also abbildenden Darstellens ist, dann ist "Spuren" nach dem exzellenten Drehbuch von Robert Hummel und Martina Mouchot im besten Sinn realistisch. Detailliert, akribisch, exakt, mit unaufdringlicher, präziser Dramaturgie werden hier die Aufs und Abs, die Durchbrüche und Frustrationen der Ermittlungsarbeit gezeigt. Held oder Heldin sind nicht die Kommissare, sondern die Spuren selbst. Sie werden entdeckt, gelesen, interpretiert, bewertet durch die Mitglieder der Soko, durch die Kriminaltechnik. Auch die Sackgassen werden nicht ausgelassen, zu sehen ist, wie sich das Team immer wieder neu motiviert, nicht aufgibt. Wie bei einem Marathon, aber nicht zum sportlichen Selbstzweck, sondern für die Opfer und ihre Angehörigen.

Den Ermittlern bei der Arbeit zuschauen

Dass es hier tatsächlich um zwei Täter geht, von denen einer schnell gefasst ist, verkompliziert die Ermittlung. Immer wieder kehrt die Handlung zum Flussufer nahe des Fundorts der getöteten jungen Frau in Freiburg zurück. Kriminaloberrätin Barbara Kramer (Nina Kunzendorf) hat eine Idee: Vielleicht finden sich Spuren in den dichten Pflanzen der Uferböschung. Folglich suchen junge Polizistinnen in den kommenden Tagen jeden einzelnen der zwei Meter hohen Halme und jedes einzelne lanzettförmige Blatt mit Lupen ab.

Geschützt von Zelten, werden die Pflanzen zum Zentrum der Aufmerksamkeit. Mal macht eine Kollegin Feierabend, mal geht es morgens weiter, mal schaut die Kamera selbst durch die Lupe. Dass das spannend bleibt, liegt an Stefan Krohmers Inszenierungsstil. Denn so vordergründig nüchtern der Film auch erzählt, Krohmer, versteht sich auf allmähliche Verdichtungen und beiläufige Dynamikänderungen wie kaum ein anderer Fernsehfilmregisseur. Handelsübliche Dramatik und Figurenzeichnung suche man hier nicht. Krohmers Filme wirken eher, als ob man Menschen beim Leben zuschauen würde. Selbst wenn es sich um außergewöhnliche Ereignisse, gar um hochdramatische wie Mord handelt.

Der Zuschauer wird nicht zum Komplizen

Interessant ist insbesondere die Kameraarbeit von Ahmed El Nagar. Die erste Tat ist nicht zu sehen, eingangs begleitet die Kamera die suchenden Dorfbewohner, die Spuren finden, aber auch vernichten könnten. Bei der zweiten Tat wird der Zuschauer Zeuge des Überfalls auf die junge Frau, allerdings von fern. Der Täter, im Halbdunkel an einer Wegbiegung, löst sich erst aus der Bildtotale der Landschaft, als er sich bewegt und sein Opfer mitten in der Fahrt vom Rad stößt. Ein Schleifen, Schreien - die Kamera ist weit weg. Macht den Zuschauer nicht zum Augenzeugen oder Komplizen der Tat.

Die Täter interessieren gerade so viel, wie sie in kurzer Zeit als Mensch abgebildet werden können - mit einer rudimentären Lebensgeschichte, aus der die Motivation erkennbar werden kann. So, wie die Ermittler sich für sie interessieren müssen, um ihre Arbeit machen zu können. So außergewöhnlich sachlich-lebendig wie die Erzählweise ist auch das Ende. Kramer klingelt beim Vater des ersten Opfers, dann feiert das (hervorragend gecastete) Team den durch zähe Arbeit erreichten Erfolg. Nicht die Chefin, sondern Kollege Riedle hält eine Rede. Klatschen bei der Pressekonferenz, stilles Gedenken am Dorfbrunnen.

infobox: "Spuren", vierteiliger Fernsehfilm, Regie: Stefan Krohmer, Buch: Robert Hummel, Martina Mouchot nach dem Sachbuch "Soko Erle" von Walter Roth, Kamera: Ahmed El Nagar, Produktion: Lailaps Film (ARD-Mediathek, seit 7.2.25, ARD/SWR, 15.2.25, 20.15-23.15 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 08.02.2025 11:15 Letzte Änderung: 10.02.2025 12:48

Heike Hupertz

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, KSWR, Fernsehfilm, Krohmer, Hummel, Mouchot, Hupertz, NEU

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