Ziemlich cringe - epd medien

28.02.2025 09:23

Die 3Sat-Doku "Politik im Popmodus" beschäftigt sich damit, wie die Parteien im Wahlkampf und bei Veranstaltungen Musik einsetzen. Dabei wird auch deutlich, wie skurril manche popkulturell gefärbten Politiker-Auftritte sind - etwa die von Markus Söder oder Bodo Ramelow.

Der Musiker Sebastian Krumbiegel hat sich schon für mehrere Parteien engagiert

epd Zugegeben: Es fällt schwer, nach diesem Wahlkampf und diesem Wahltag eine Dokumentation zu rezensieren, die sich mit dem Musikeinsatz der Parteien beschäftigt. Zu gering erscheint die Fallhöhe des Sujets angesichts eines Wahlkampfs, in dem es um alles zu gehen schien und der doch zugleich so viele Problemlagen ausblendete. Ein Wahlkampf, der von schrecklichen Gewalttaten und deren Instrumentalisierung geprägt war und in dem die AfD mit jedem Auftritt in den wie auch immer betitelten TV-Wahlarenen ohne Not weiter normalisiert wurde und in dem sich zeigte, dass die Kompromissfähigkeit der politischen Mitte bedenklich wackelt.

Dazu brachte die Trump-Regierung vermeintliche Gewissheiten noch brutaler als gedacht ins Wanken. Bisweilen meinte man, Zeuge folgenschwerer Verwerfungen zu werden, die, um Philip Roths "Verschwörung gegen Amerika" zu zitieren, die Geschichtsschreibung wohl als unvermeidlich verzeichnen wird, während sie uns als das schonungslos Unvorhergesehene erscheinen.

Balsam für konservative Patrioten

In der Kulturdokumentation "Politik im Popmodus", die 3sat am Vorabend des Wahltags ausstrahlte, war von dieser Fallhöhe nicht viel zu spüren. Die Zuspitzung dieses Winterwahlkampfs schimmerte erst gegen Ende durch, als der Berliner Kultursenator, CDU-Politiker und "Partei-DJ" Joe Chialo konstatierte, der aktuelle Wahlkampf brauche keine Musik, die Emotionalität sei schon sehr hoch.

Anschließend widmete sich der Film in den letzten acht Minuten noch der Frage, wie populistische Parteien Musik einsetzen. Viel mehr als Binsen wie die Bemerkung der Off-Kommentatorin, dass die bei Trump-Events verwendeten Songs Balsam für konservative Patrioten seien und die Musik beim AfD-Wahlkampfauftakt in Halle die Botschaft verbreite, die Zeit sei wieder reif für Nationalstolz, kamen dabei aber nicht heraus. Ähnliche Plattitüden klangen auch an, wenn gesagt wurde, dass der Wahlkampf-Sound der Grünen wohl eine akademische Mittelschicht ansprechen soll.

Das innere Party Animal

Die Autorin Mariietta Rebekka Schultz näherte sich dem Thema in dem nur 37-minütigen Film mit Interviewpartnern aus Politik und Musik. Sie förderte aber kaum Überraschendes zutage. Dieser Eindruck wurde durch die thematische Überfrachtung und dadurch, dass im Off-Kommentar permanent das Offensichtliche noch einmal erwähnt wurde, zusätzlich verstärkt.

Die Doku fragt, welche Musik die Parteien im Bundestagswahlkampf für Spots und bei Veranstaltungen verwendet haben, fokussiert aber auch darauf, wie Politiker tanzen und - wie Annalena Baerbock - ihr "inneres Party Animal" entdecken. Politiker, die selbst zum Mikro greifen, hat der Film ebenfalls in petto: Etwa die Tiktok-Raps der linken Bundestagsabgeordneten Caren Lay, Markus Söders Auftritte als Schlagersänger oder Bodo Ramelows Coverversion des Neue-Deutsche-Welle-Klassikers "Da Da Da".

Ein Berliner Abiturjahrgang kommentiert, wie cringe solche Politikerauftritte sind. Der langjährige SPD-Wahlkampfmanager Frank Stauss erklärt, welchen Einfluss der Musikeinsatz auf den Wahlausgang nehmen kann. Spoiler: So genau weiß man das nicht.

Ikonische Sounds

Dann geht es in der Dokumentation auch noch um Musiker, die Parteien die Verwendung ihrer Songs untersagen, Wahlappelle aussprechen oder sich umgekehrt damit zurückhalten. Ein Blick in die USA, wo Musik und wahlkämpfende Popstars ganz selbstverständlich zum Wahlkampfbusiness gehören, fehlt nicht. Der Film greift neben aktuellem Material auch auf fast schon ikonische Bilder und Sounds zum Thema zurück - etwa von Walter Scheels Interpretation von "Hoch auf dem gelben Wagen" oder von der angesichts ihres Wahlsiegs 2013 zu "Tage wie diese" jubelnden damaligen CDU-Spitze. Deren leicht dissonante Interpretation des "Tote Hosen"-Songs dient auch als Titelmusik.

Eine Posse des aktuellen Wahlkampfs beleuchtet der Film anhand von Interviews mit Beteiligten: Der nicht mehr ganz so junge CDU-Abgeordnete Philipp Amthor ließ sich Ende Januar im Bundestag vom Rapper Fler besuchen. Amthor hatte zuvor einen Ausschnitt aus einem Interview mit Fler aus dem Kontext gerissen, um für die Energiepolitik der CDU zu werben, was der Rapper zunächst nicht goutierte. Hier kann der Film glänzen, zeigt er doch, wie Popkultur und Politik insbesondere in sozialen Medien eine manchmal skurrile Symbiose eingehen.

Den passenden Kommentar zu dem Film liefert einer der befragten Abiturienten, der sich über die Inhaltsleere von Caren Lays Tiktok-Videos wundert: Wenn es links sein solle, S-Bahn zu fahren und Minirock zu tragen, finde er das ein bisschen bedauerlich.

infobox: "Politik im Popmodus. Wie Parteien Musik benutzen", Dokumentation, Regie und Buch: Mariietta Rebekka Schultz, Kamera: Holger Braune, Udo Kreter, Anna-Lena Stephan, Tristan Saul, Produktion: Kobalt (3sat/ZDF, 22.2.25, 19.20-20.00 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 28.02.2025 10:23

Dominik Speck

Schlagworte: Medien, Kritik, Fernsehen, Kritik.(Fernsehen), K3sat, Dokumentation, Schultz, Speck

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