Vaunet: Öffentlich-Rechtliche umgehen Werbeverbot für Telemedien - epd medien

27.02.2024 09:25

"Talk ohne Gast" mit integrierter Werbung bei Spotify

Frankfurt a.M. (epd). Der Verband Privater Medien Vaunet bekräftigt seine Kritik daran, dass Tochterfirmen öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten ihre Vermarktungsaktivitäten ausweiten. Die Unternehmen würden "mittlerweile im Online-Bereich als eigene Publisher - parallel zum öffentlich-rechtlichen Angebot der Anstalten - auftreten", erklärte der Verband auf epd-Anfrage. Dabei vermarkteten sie die produzierten Inhalte "unter Umgehung des Telemedienwerbeverbots".

So würden etwa Podcasts auf Drittplattformen mit Werbung verbreitet, führte Vaunet aus. Entsprechende Kritik hatte bereits der Vorstandsvorsitzende des Verbands, Claus Grewenig (RTL), in einem epd-Interview geäußert. Die RBB Media, die WDR Mediagroup und ZDF Studios halten die von dem Verband kritisierten Angebote hingegen für zulässig.

"Pre-, Mid- und Post-Roll-Position"

Vaunet verwies beispielhaft auf den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), dessen Werbetochter RBB Media den wöchentlichen Podcast "Talk ohne Gast" der Comedians Till Reiners und Moritz Neumeier auf Online-Plattformen wie Spotify oder Apple Podcasts mit eingebauter Werbung vermarktet. Diese ist Bestandteil der Audiospur und kann auch von Nutzern mit werbefreiem Premium-Abo nicht ausgeblendet werden. Gleiches galt bis Dezember 2023 auch für den Podcast "Schroeder & Somuncu", der damals eingestellt wurde.

Die RBB Media bestätigte dem epd am 26. Februar, bei der Verwertung des Podcasts "Talk ohne Gäste" werde Werbung "auf der Pre-, Mid- und Post-Roll-Position auf kommerziellen Plattformen" eingesetzt. "Talk ohne Gast" ist eine Gemeinschaftsproduktion des RBB und der RBB Media, so war es auch bei "Schroeder & Somuncu".

Kürzere Folgen von Copyright: Screenshot: epd

Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gilt ein Werbeverbot in Telemedien. Somit dürfen die Sendeanstalten in ihren Online-Angeboten keine Werbung platzieren, außerdem dürfen sie durch die Verbreitung ihrer Inhalte über Drittplattformen keine Werbeerlöse erzielen. Geregelt ist dies im Medienstaatsvertrag (Paragraf 30). Doch der Staatsvertrag erlaubt ARD und ZDF auch "kommerzielle Tätigkeiten" (Paragrafen 40 bis 44). Über Tochterfirmen dürfen die Sender demnach kommerziell agieren, also etwa Werbevermarktung, Verwertungsaktivitäten oder Merchandising betreiben. Diese Geschäfte müssen marktkonform sein und über eigenständige Firmen laufen, hierfür dürfen keine Rundfunkbeitragsgelder eingesetzt werden.

Die RBB Media hält die Werbevermarktung des Podcasts "Talk ohne Gast" als "Advertised Audio-on-Demand (AAoD)" rechtlich für zulässig. Man agiere hier marktkonform, erklärte das Unternehmen. Um als öffentlich-rechtliche Tochtergesellschaft marktkonform Rechte zu erwerben, gebe es zwei Möglichkeiten: entweder durch Lizenzverträge oder durch die Koproduktion von Inhalten. Die AAoD-Verwertung von Podcasts sei eine kommerzielle Tätigkeit im Sinne der Regelungen im Medienstaatsvertrag.

Die staatsvertraglichen Regelungen zum öffentlich-rechtlichen Auftrag wie auch das Telemedienwerbeverbot griffen hier nicht, argumentierte die RBB Media. Das werde in Paragraf 30 auch explizit geregelt (Absatz 2 Satz 2).

Kein Anlass für rechtsaufsichtliche Maßnahmen

Die RBB Media sieht sich in ihrer Rechtsauffassung auch dadurch bestätigt, dass die Berliner Senatskanzlei im vorigen Jahr keine rechtsaufsichtlichen Maßnahmen eingeleitet habe. Bei der Senatskanzlei, die seit 2023 die Rechtsaufsicht über den RBB hat (im zweijährigen Wechsel mit der Staatskanzlei Brandenburg), hatte Vaunet Anfang 2023 eine Rechtsaufsichtsbeschwerde wegen der Vermarktungsaktivitäten eingereicht. Man habe Vaunet "nach umfassender Prüfung" mitgeteilt, dass es keinen Anlass gebe, rechtsaufsichtliche Maßnahmen zu ergreifen, teilte die Senatskanzlei auf epd-Nachfrage mit.

Die Prüfung habe keine Anhaltspunkte ergeben, die auf einen Verstoß gegen das Werbeverbot in öffentlich-rechtlichen Telemedien hingedeutet hätten, so die Senatskanzlei. Bei den 2023 auf kommerziellen Drittplattformen angebotenen Podcasts "Talk ohne Gast" und "Schroeder & Somuncu" habe es sich um Angebote der RBB Media gehandelt, was auch durch den Hinweis "released by RBB Media" deutlich gemacht worden sei. Der RBB hat der Senatskanzlei zufolge weder an der Akquise noch an der Integration von Werbespots mitgewirkt.

Auch ARD Plus und ZDF Select in der Kritik

Vaunet ist indes weiter Auffassung, dass sich die kommerziellen Tochterunternehmen der Öffentlich-Rechtlichen immer weiter ausdehnten, auch durch die "Vermarktung der Bezahlangebote ARD Plus und ZDF Select". ARD Plus wurde im Oktober 2022 als eigenständiger Streamingdienst gestartet, der 4,99 Euro pro Monat kostet. Buchbar ist er auch über Drittplattformen wie Amazon Prime Video oder Apple TV.

Betrieben wird er von der ARD Plus GmbH, die zur WDR Mediagroup GmbH gehört, der Werbetochter des WDR. Bei ARD Plus sind von der ARD produzierte Filme, Serien und Dokumentation abrufbar. Über ZDF Select vermarktet seit Ende 2018 die ZDF Studios GmbH als Tochterfirma des ZDF Programminhalte der Fernsehanstalt. Lizenziert würden die Formate an Streaming-Plattformen, die dann mit den Inhalten eigene Kanäle betreiben, erklärte ZDF Studios auf epd-Anfrage. ZDF Select ist etwa bei Amazon und Apple TV verfügbar und kostet dort jeweils monatlich 4,99 Euro.

Die WDR Mediagroup sieht ARD Plus von den geltenden Vorschriften gedeckt: Es handele sich um ein "kommerzielles Angebot der rechtlich selbstständigen und privatrechtlich organisierten ARD Plus GmbH", teilte die Firma dem epd mit. Es würden keine Rundfunkbeitragsgelder verwendet. Die Refinanzierung erfolge über "marktübliche Geschäftsmodelle". Ähnlich äußerte sich ZDF Studios: Bei ZDF select gehe es um Verwertungsaktivitäten im Sinne von Paragraf 40 des Medienstaatsvertrags.

Dass die öffentlich-rechtlichen Tochterfirmen ihre Online-Werbevermarktung ausbauen und auch ins Streaming-Geschäft expandieren, stößt bei Vaunet insgesamt auf deutliche Kritik: "Wenn man dieser Entwicklung nicht einen Riegel vorschiebt, würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk neben seinem Beitragssystem ein zweites kommerzielles System etablieren können, das die ganze Systematik des dualen Mediensystems ad absurdum führen würde, ebenso jegliche Form der Auftragsdebatte." Hier sei daher der Gesetzgeber gefordert. Man erwarte und hoffe, dass "diese Regelungslücken in der weiteren Reformdebatte geschlossen werden", so Vaunet.

vnn



Zuerst veröffentlicht 27.02.2024 10:25 Letzte Änderung: 27.02.2024 18:04

Schlagworte: Medien, Vaunet, Werbung, Podcasts, Telemedien, RBB, RBB Media, WDR, WDR Mediagroup, ARD Plus, ZDF Select, vnn, NEU

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