Bitte leiser - epd medien

15.05.2024 07:10

In "Edins Neo Night" findet Edin Hasanović sein "Ventil", wie er selbst sagt. Für Senta Krasser fällt die ZDFneo-Show drei Nummern zu laut aus.

Edin Hasanović posiert vor einem Oldtimer

epd Erinnert sich noch jemand daran, wie der Schauspieler Edin Hasanović im April vor vier Jahren zum zweiten Mal nach 2018 Gastgeber bei der Verleihung der Lolas war? Wegen der Corona-Pandemie war die Verleihung des Deutschen Filmpreises damals in ein publikumsloses TV-Studio gewandert, Laudatoren und Preisträgerinnen waren nur auf übermannsgroßen LED-Wänden zugeschaltet. Einsam auf der Bühne stand der gerade einmal 28-jährige Hasanović und ließ all die widrigen Umstände schnell vergessen.

Wie er tanzte und sang, wie er sich zwischen einem Briefkasten und einer Telefonzelle ("Ich fühle mich fast wie James Bond") bewegte, wie er mit geplanten Pannen unterhielt, wie er überhaupt den sonst so steifen Rahmen einer Preisverleihung sprengte, das war neu, das war ein Ereignis, das blieb unvergesslich. So gesehen war es nur eine Frage der Zeit, bis ihm das Fernsehen eine Show mit eigenem Namen spendiert.

In "Edins Neo Night" auf ZDFneo kann der hauptberuflich schauspielernde Gastgeber ("Skylines", "Im Westen nichts Neues") nun Talente und Temperament ausleben. Es wird getanzt, gesungen, getalkt und gespielt. "Alles ist möglich" ist das Versprechen der Show. Als "Creative Producer" hat Hasanović das Konzept mitentwickelt, gemeinsam mit Seapoint Productions. Der Kölner Produktionsfirma, deren Brot-und-Butter-Geschäft "Let’s Dance" und "Sommerhaus der Stars" (beide RTL) sind, gelingt nach "Studio Schmitt", mit der Podcast-Größe Tommi Schmitt, ein erneuter Aufschlag bei ZDFneo. Und wieder wird ein bis dato unerfahrenes Late-Night-Gesicht ausgetestet.

Hinausgebrüllter Lobgesang

Seapoint und Hasanović denken groß, sehr groß, am Rande zum Größenwahn. Schon beim Vorspann zu "Edins Neo Night" ging es offensichtlich nicht eine Nummer kleiner als James Bond: Edin Hasanović rast, nein, er fliegt im Auto durch die Nacht, reißt von Scheinwerfern geblendet plötzlich das Lenkrad um und landet in einem Gewässer, aus dem er sehr smart und blitzgetrocknet wieder auftaucht, "ready for the show".

Diese Hommage an den Film setzt sich im Set fort. Die Band spielt auf der Oberfläche eines imaginierten Pools, aus dem offenbar das Heck jenes Wagens ragt, in dem Hasanović eben noch fuhr. Dass in ihm ein Showtier schlummert, wird schnell klar, als er im eleganten Zwirn standesgemäß eine Treppe heruntertänzelt und gar nicht mehr mit dem Singen aufhören will - wobei "singen" es nicht ganz trifft. Es ist ein hinausgebrüllter Lobgesang auf sich selbst, der vermutlich nur deshalb so laut gerät, damit es auch in der letzten Sitzreihe jeder kapiert: "Ich bin einer von Euch (…) / nur ein bisschen schöner und ein bisschen talentierter." Er denke immer "in Show", heißt es weiter in seinem Text. "Ich bin ein Showman." Und diese Show hier sei nun endlich sein "Ventil".

Nur ein einziges Thema

Suchte man nach der Personifizierung der Redensart "Bescheidenheit ist eine Zier, aber weiter kommt man ohne ihr", in Edin Hasanović wäre sie gefunden. Das ist zunächst einmal der sehr charmante, erfrischende Ansatz. Entertainer, die ihr Selbstbewusstsein derart maßlos zur Schau stellen, sieht man im deutschen Fernsehen selten. Nur hätte spätestens in der zweiten Ausgabe von "Edins Neo Night" etwas mehr passieren müssen, was diese demonstrative Unbescheidenheit rechtfertigt. Zumal Hasanović die Erwartungen mit Sprüchen wie "Ich bin Martin Luther King" selbst ins Unermessliche hochschraubt.

Leider überfrachten Host und Redaktion die 30 Minuten Sendezeit, die sie zur Verfügung haben, nicht mit spritzigen Ideen und außergewöhnlichen Themen. Denn im Grunde hat diese Show nur ein einziges Thema: Edin Hasanović. Seine "Personality" ist die Show. Auch wenn er Gäste einlädt, dreht sich die Welt nur um ihn.

So kam zur Premiere Katrin Bauerfeind, eine ihm ebenbürtige Entertainerin, weil auch sie den Knopf zum Herunterdrehen ihres Stimmpegels selten dreht. Der Gastgeber stellte entzückt eine Gemeinsamkeit fest: "Wir sind beide auf die Welt gekommen und sofort waren die Scheinwerfer da." Im Licht von "Edins Neo Night" übten sich nun beide in der Disziplin "Wer kann unbescheidener?". Hasanović toppte das Ego-Messen mit seinem Gastgebergeschenk: einer Kuscheldecke mit seinem Konterfei drauf. Bauerfeind tat, als würde sie sich ehrlich darüber freuen.

Immer auf die Zwölf

Die Youtube-Zwillinge Dennis und Benni Wolter, zu Gast in der zweiten Show, dürfen sich ein eingerahmtes Edin-Hasanović-Poster an die Wand dübeln. Sollte er an seinen Gästen wirklich interessiert gewesen sein, dann konnte es Hasanović gut verbergen.

Es ist schon sehr mutig, dass ZDFneo dem Show-Neuling erlaubt, dass er sich so gibt, wie er vorgibt zu sein. Unbestritten ist Hasanović komisch, wenn er den Großkotz gibt. Sei es, dass er zur Hymne "Conquest of Paradise" von Vangelis die Show eröffnet, als wäre er der Boxgroßmeister Henry Maske, oder sei es, dass er sein Stand-up über das richtige Auftreten in einer Straßenschlägerei in einer Schauspielimprovisation nachstellt. Wenn es aber immerzu auf die Zwölf geht, nie auch mal reduziert und subtil, sind Ermüdungseffekte beim Zuschauen programmiert. "Bitte leiser", möchte man dem "King of Late Night" zurufen.

infobox: "Edins Neo Night", sechsteilige Late-Night-Show mit Edin Hasanović, Regie: Johannes Spiecker, Buch: Finn Christoph Stroeks (Headautor), Eva Friedrich, Patrick Wollny, Produktion: Seapoint Productions (ZDFneo, seit 27.4.24, jeweils samstags ab 20.00 Uhr in der ZDF-Mediathek und sonntags, 22.15-22.45 Uhr auf ZDFneo)



Zuerst veröffentlicht 15.05.2024 09:10 Letzte Änderung: 16.05.2024 10:30

Senta Krasser

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), Krasser, Stroeks, KZDFneo, NEU

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