13.06.2024 08:18
Frankfurt a.M. (epd). Der Drehbuch-Autor Christian Jeltsch sagt, Lobbyisten seien wichtig für die Politik. Bei den Recherchen für die ARD-Serie "Wo wir sind, ist oben" sei er in Brüssel, Berlin und Wien "vielen Menschen begegnet, die wirklich engagiert sind", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Lobbyisten hätten "viel Wissen, das Politiker nicht haben können". Problematisch werde es, "wenn die Informationen der Lobbyisten von der Politik eins zu eins übernommen werden".
Jeltsch ist Headautor der Serie über Lobbyisten in der Berliner Politik, die ab Freitag in der ARD-Mediathek steht. Dem epd sagte er: "Ich wollte hinter die Kulissen blicken lassen, wo Politik entschieden wird und wie es zu bestimmten Entscheidungen kommt." Er wünsche sich Politiker, die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen: "Ich möchte, dass da eigenständige, selbst denkende Menschen unterwegs sind, nicht Leute, die aus Machtgründen mit der Partei stimmen müssen".
Da fehlt mir der Humor, die Generosität den anderen gegenüber.
"Verantwortung ist für mich das Thema unserer Zeit", sagte Jeltsch. Das gelte nicht nur für Politiker, sondern für alle: "Die Menschen übernehmen zu selten Verantwortung für sich. Wir geben so viel Verantwortung ab für unser Leben. Papa Staat soll es richten. Und dann macht Papa Staat alles falsch, so dass wir schön schimpfen können. Das macht uns so klein." Viele Menschen würden einfachen Wahrheiten anhängen, "anstatt zu gucken, wo sind die Grautöne zwischen Schwarz und Weiß".
infobox: "Wo wir sind ist oben" (ARD/Degeto) mit Helgi Schmid, Nilam Farooq und Ulrike Kriener, Regie: Wolfgang Groos, Buch: Christian Jeltsch, Sebastian Bleyl, Anneke Jannsen, Produktion: Isarstraßen Film (ARD, 14.6.24, 23.35-2.35 Uhr und 15.6.24, 0.35-3.45 Uhr und ab 14.6. in der ARD-Mediathek)
Dass Politiker in Zeiten von Handy-Kameras und Social Media ständig beobachtet würden, führe dazu, dass sie mit ihren Äußerungen sehr viel vorsichtiger würden, sagte Jeltsch. "Wenn ich immer nur im Kopf habe, wie wirke ich jetzt, kann ich nicht authentisch sein. So ist dann auch das Auftreten, die Wortwahl. Und wenn mal einer die falschen Worte wählt, stürzen sich alle darauf. Da fehlt mir der Humor, die Generosität dem anderen gegenüber."
Politiker wie Willy Brandt, Franz Josef Strauß oder Herbert Wehner hätten heute "ständig einen Shitstorm", sagte Jeltsch: "Wenn diese charismatischen Figuren heute das sagen würden, was sie wirklich denken, wäre das schwierig."
Wir brauchen den Mut zur politischen Unkorrektheit im Erzählen.
Auch bei der Produktion von Serien merke er, dass die Sender und Streaming-Portale vorsichtiger mit brisanten Themen umgehen, sagte Jeltsch: "Man versucht, Themen so zu erzählen, dass sie nicht provokant werden, man tendiert eher dazu, politisch korrekt zu erzählen. Auf der anderen Seite brauchen wir aber den Mut zur politischen Unkorrektheit im Erzählen. Es wäre schrecklich, wenn wir an den Punkt kommen, wo wir bestimmte Themen nicht mehr erzählen, weil das politisch brisant wäre."
Christian Jeltsch (66) ist Autor zahlreicher Bücher für Filme und Fernsehen. Unter anderem schrieb er für die Krimireihen "Tatort" und "Polizeiruf 110" im Ersten, "Kommissarin Lucas" (ZDF) und "Kreuzer kommt" (ProSieben).
dir
Zuerst veröffentlicht 13.06.2024 10:18
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Serien, ARD, Jeltsch
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