Warum, ZDF? - epd medien

12.01.2025 11:00

Der "Fall Maddie", das Verschwinden der fast vierjährigen Madeleine McCann aus einer Ferienanlage in Portugal, hat 2007 weltweit Aufsehen erregt. Das Mädchen wurde nie gefunden. Das ZDF erzählt nun in dem Zweiteiler "Lillys Verschwinden" eine ähnliche Geschichte.

Noch genießt Robert Bischoff (Heino Ferch) mit seiner Tochter Lilly den Urlaub auf Mallorca

epd Im Mai 2007 verschwand die fast vierjährige Madeleine McCann ("Maddie") aus einer Ferienanlage in Portugal. Ihre Eltern, ein britisches Arztehepaar, versuchten, auch mit Hilfe der Medien, ihr Kind wiederzufinden. Vergeblich. Im Januar 2024 stellt das ZDF einen Film in seine Mediathek, in dem die fünfjährige Arzttochter Lilly aus einer Ferienanlage auf Mallorca verschwindet. Lilly wurde, wie damals Maddie, von ihren Eltern schlafend in der Ferienwohnung zurückgelassen, während sie mit Freunden ein Restaurant der Ferienanlage besuchten.

Warum, ZDF? Warum schon wieder eine "Maddie"-Variation? Eine so gut abgehangene und so oft nacherzählte Geschichte bald 20 Jahre danach noch einmal als TV-Zweiteiler? Eine sichere Bank? Der Fall kam nie aus den Schlagzeilen, zuletzt geriet der Deutsche Christian B. unter Verdacht. Unvorstellbar, wie die Mitglieder der betroffenen Familie - die Eltern gerieten in der Realität ebenso wie im ZDF-Film auch selbst unter Verdacht - das ertragen. Kann man es nicht mal gut sein lassen? Offenbar nicht.

Hanebüchene Motivation

Da gefühlt jeder, der die vergangenen Jahrzehnte nicht völlig medienabstinent verbracht hat, den Fall Maddie im Schlaf nacherzählen kann, hält die ZDF-Variante kaum Überraschungen bereit. Im Gegensatz zur Wirklichkeit findet sich in der ZDF-Fiktion allerdings ein Entführer. Seine Motivation ist derart hanebüchen, dass man sie aus jedem Trivialroman streichen würde.

Lillys Vater Robert Bischoff wird von Heino Ferch gespielt, die Mutter Anna Bischoff von Jessica Schwarz. Mit der Familie ist eine Freundin in die Ferienanlage gereist, Johanna Pohlmann (Natalia Wörner), die zusammen mit Robert Bischoff eine schicke Arztpraxis führt. Sie sind gemeinsam in den Urlaub gefahren, damit die jeweiligen Kinder Spielgefährten haben. Vor Ort haben sie sich mit dem deutschen Paar Sara und Nikolas Grothe (Petra Schmidt-Schaller und Felix Klare) angefreundet.

Man spricht Deutsch

Ferch und Wörner sind um die 60 Jahre alt und spielen hier die Eltern relativ junger Kinder. Warum? Gab es keine Schauspielerinnen und Schauspieler im passenden Alter? Möchte das ZDF eine Lanze für späte Elternschaft brechen? Oder liegt es daran, dass Ferch und Wörner "ZDF-Schauspieler" sind und die Produktionsfirma Network Movie nach wie vor gerne mit den Leuten arbeitet, die sie seit ihrer Gründung um die Jahrtausendwende kennt?

Diese Kombo bewährter deutscher Fernsehschauspieler begibt sich zwischen Port de Sóller und Cala San Vicente (die Drehorte werden nicht genannt) auf die Suche nach Maddie, pardon Lilly. Erleichtert wird das Unternehmen dadurch, dass auf Mallorca offenbar so gut wie jeder fließend Deutsch parliert. Gibt es etwas zu besprechen, tut man das bevorzugt auf einem Parkplatz an der Panoramastraße. Absurder geht es kaum, doch wer sich für Uralt-Kriminalfälle mit erprobten Fernsehstars interessiert, soll auch was fürs Auge haben.

Gute alte Zeitungsreporterin

Am ehesten glaubt man die Verzweiflung noch Mutter Jessica Schwarz, die jedoch manchmal outriert. Insgesamt ist aber bemerkenswert, wie wenig Anteilnahme die ZDF-Variante der Maddie-Geschichte weckt. Wie ist das möglich? Hier ist immerhin ein kleines Kind verschwunden! Warum fühlt man kaum mit? Die Musik zumindest teilt einem in größtmöglicher Eindeutigkeit ständig mit, was man eigentlich gerade zu fühlen hätte.

Ähnlich ist es mit der Spannung. Buch und Inszenierung verschenken sie regelrecht. So wird den Eltern das kinderlose Paar, mit dem man sich im Urlaub angefreundet hatte, zwar irgendwann verdächtig, nicht aber dem Zuschauer. Denn der weiß, dass das Kinderspielzeug rumliegt, weil es bei dem Paar endlich mit der heimlich geplanten Adoption geklappt hat. Seltsame Idee, derart gründlich die Luft aus der eigenen Geschichte zu lassen.

Braucht die Welt noch weitere Filme wie diesen? Die ganze Machart wirkt ziemlich retro - etwa so alt wie der hier erzählte Fall. Moderner wird der Film auch nicht dadurch, dass ganz am Rande Social Media mal Erwähnung finden und Robert Bischoff weiß, dass Twitter jetzt "X" heißt. Eher stößt einen dieser etwas hilflos wirkende Aktualisierungsversuch mit der Nase darauf, dass die Sozialen Netzwerke bei einem aktuellen Fall eine weitaus größere Rolle spielen würden als zu Zeiten des Falls "Maddie". Da weckt die gute alte Zeitungsreporterin, die beim ZDF die Medienberichterstattung ins Rollen bringt, fast schon nostalgische Gefühle.

infobox: "Lillys Verschwinden", zweiteiliger Fernsehfilm, Regie und Buch: Thomas Berger, Kamera: Hannes Hubach, Produktion: Network Movie (ZDF-Mediathek, ab 11.1.25, ZDF, 17. und 19.1.25, 20.15-21.45 Uhr)



Zuerst veröffentlicht 12.01.2025 12:00 Letzte Änderung: 14.01.2025 09:06

Andrea Kaiser

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Fernsehfilm, Berger, Kaiser, NEU

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