Aus der Sicht des Fans - epd medien

07.06.2024 09:30

Für den ZDF-Film "Heimvorteil" begleitete der Moderator Tommi Schmitt drei Fußball-Nationalspieler in der Vorbereitungsphase vor der Europameisterschaft. In der Dokumentation verschwimmen die Grenzen zwischen Fan und Berichterstatter.

Tommi Schmitt hat für die Dokumentation "Heimvorteil" drei Nationalspieler getroffen

epd Sportjournalisten stehen im Ruf, dass ihnen die gebotene Distanz zum Objekt ihrer Berichterstattung fehlt. "Heimvorteil" mit Tommi Schmitt läuft zwar unter dem Label "ZDF-Dokumentation", doch der Moderator und Podcaster ("Gemischtes Hack", "Neo Ragazzi") verzichtet auf jegliche Distanz. Stattdessen geht er eng auf Tuchfüllung zu den drei Fußball-Nationalspielern Marc-André ter Stegen, Robin Gosens und Niclas Füllkrug. Von September 2023 bis zur Nominierung des Europameisterschafts-Kaders Ende Mai begleitete Schmitt die Profis bei der Vorbereitung auf das Turnier in Deutschland, das am 14. Juni beginnt.

Schmitt traf die Spieler im Training und im Stadion, im Lokal und zu Hause. Die Zuschauer erhalten so manchmal recht private Einblicke, etwa beim gemeinsamen Spaziergang mit Gosens und dessen Hund oder wenn ter Stegen für Schmitt in seinem Haus mit Meerblick in Barcelona Kaffee zubereitet. Mit Füllkrug misst sich der Moderator auf dem Bolzplatz im Lattenschießen - der Nationalspieler verliert.

Das Trikot mit dem Bundesadler

Es gelingt Schmitt, eine Vertrauensbasis zu den Spielern herzustellen, die ihre Situation offen und kritisch reflektieren und meist ohne die üblichen Phrasen analysieren. Alle drei vermitteln glaubwürdig ihre Begeisterung dafür, das Trikot mit dem Bundesadler zu tragen. "Es gibt nichts Größeres", sagt Gosens.

Die Dokumentation nimmt das Publikum mit auf die emotionale Achterbahnfahrt der Spieler. Ter Stegen zeigt seit Jahren beim FC Barcelona Weltklasseleistungen. Weil DFB-Stammkeeper Manuel Neuer fast ein Jahr verletzt war, durfte er sich Hoffnungen machen, als Nummer eins zur EM zu fahren. Im Frühjahr legte sich Bundestrainer Julian Nagelsmann jedoch auf Neuer fest. Doch kurz darauf stand wieder ter Stegen im Tor, weil sich der Münchner Keeper im Training verletzt hatte.

Die Nähe zu den Stars

Gosens, der von allen drei Spielern in den höchsten Tönen von der Nationalmannschaft schwärmt, ist am Ende der Einzige, der nicht für das Turnier nominiert wird. "Das reißt dir alles unter den Füßen weg", erzählt der Spieler, der auch seine Tränen nicht verhehlt, als ihn Schmitt in seinem Elternhaus am Niederrhein besucht.

Die große Nähe zu den Protagonisten und dem Thema ist zugleich aber auch die größte Schwäche des Films. Dass Schmitt mit Gänsehaut und den großen Augen eines kleinen Jungen vor Anpfiff eines Länderspiels in der Umkleidekabine die aufgehängten Trikots der deutschen Spieler bestaunt, mag man noch durchgehen lassen. Aber am Ende steht er selbst dann doch zu oft im Fokus. Er ist in den meisten Einstellungen selbst im Bild, genießt sichtlich die Nähe zu den Stars und demonstriert stolz, wie er mit ihnen Whatsapp-Nachrichten austauscht. Seine Einschätzungen über die Chancen der Nationalmannschaft bei der EM fahren ebenfalls Achterbahn. Es ist eben die Sicht eines Fans.

infobox: "Heimvorteil - mit Tommi Schmitt", Regie und Buch: Christian Twente, Leonard Claus, Kamera: Martin Christ, u.a., Produktion: Gruppe 5 Filmproduktion (ZDF, 1.6.24, 23.45-1.15 Uhr und bis 1.6.25 in der ZDF-Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 07.06.2024 11:30

Stephan Köhnlein

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KZDF, Dokumentation, Twente, Claus, Köhnlein

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