Kompliziertes Regelwerk - epd medien

24.07.2024 07:10

In "Faking Bad" überbieten sich Comedians bei der Erfindung von Antworten auf knifflige Fragen. Lukas Respondek erinnert die ARD-Show mit Oliver Kalkofe an eine Mischung aus "Genial daneben" und "Tutti Frutti".

Oliver Kalkofe moderiert die ARD-Show "Faking Bad" mit wechselnden Comedians

epd Mit offener pinker Fliege sitzt "Mattscheiben"-Maestro Oliver Kalkofe mittig am Ratepult seiner neuen Improvisationscomedy-Quizshow "Faking Bad" und bittet die vier ebenfalls am Pult sitzenden Comedians um ihre Lügen. Man möchte Kalkofe, dessen Produktionsfirma Kalk TV die Idee zu dieser ARD-Show lieferte, dafür danken, dass er seinen Kandidaten Kreativität abverlangt, zweifelt dann jedoch daran, wie kreativ Kalkofe selbst bei der Konzeption seiner Show gewesen ist. Denn diese erinnert in ihren Grundzügen zunächst sehr an die von Hugo Egon Balder moderierte Panel-Rateshow "Genial daneben". Dort kommen schon seit mehr als 20 Jahren Comedians zusammen, um auf unterhaltsame Weise Antworten auf Fragen zu erraten.

Was dort frei, enthemmt und unkompliziert daherkommt, erweckt bei "Faking Bad" einen verkopften ersten Eindruck. Vier Comedians starten mit je 1.000 Punkten Startkapital und setzen in fünf Spielrunden einen steigenden Einsatz auf die Antwort, die sie für richtig halten, nachdem sie selbst je eine kreative Antwortmöglichkeit erfunden haben. Ist die Antwort richtig, erhält der Kandidat 100 (in späteren Runden mehr) Punkte, ist sie jedoch falsch, erhält der lügende Kontrahent 100 Punkte des Kandidaten. Bonuspunkte gibt es für denjenigen, der alle anderen im Panel von seiner Falschantwort überzeugt. Weitere Bonuspunkte erhält, wer mehr als die Hälfte des ebenfalls mitratenden Studiopublikums von seiner Antwort überzeugt. "Alles überaus verständlich", findet Kalkofe.

List und Lüge

Den Versuch, die genauen Entwicklungen der vier Punktestände von Runde zur Runde nachzuvollziehen, gibt man als Zuschauer jedoch schnell auf. Es wäre müßig, den Überblick über all die addierten und abgezogenen Punkte zu behalten. ARD-Zahlenfex Jörg Schönenborn könnte Freude daran haben, die Punktestände mithilfe von Diagrammen zu erklären, als handele es sich um Wählerwanderungen. Da er aber fehlt, macht sich ein aus "Tutti Frutti" bekanntes Gefühl der "Länderpunkte"-Ohnmacht breit, das der Erotik-Gameshow damals aber ähnlich wenig geschadet hat wie nun "Faking Bad".

Startkapital, Punktestände und eine kleine Trophäe - all das ist meist bloß schmückendes Beiwerk, das dem Impro-Ratespaß einen kompetitiven Charakter gibt. Das mag dem Format helfen, sich von ähnlichen Panelshows zu unterscheiden, führt aber nur bedingt zu einem ernstzunehmenden Konkurrenzkampf am Ratepult. Immerhin verleiht die ab Runde zwei eingeführte zusätzliche Regel, nach der ein Kandidat einen anderen Kandidaten einer bestimmten Fake-Antwort überführen kann, dem Spiel einen konfrontativeren Charakter, der an Momente des Misstrauens aus der RTL-Realityshow "Die Verräter" erinnert. List und Lüge scheinen neuerdings zum Spielelement der Stunde zu werden.

Dass "Faking Bad" Comedians das Erfinden von Falschantworten anvertraut, über die anschließend nacheinander kurz in offener Runde geplaudert und gescherzt wird, macht aus der Show eine Quizshow, die dank ihrer Multiple-Choice-Antwortmöglichkeiten auf eine ganz andere Weise zum Mitraten einlädt als die radikal simpel aufgebaute Panelshow "Genial daneben", die ihren Comedians offene Fragen stellt. Überraschenderweise hält sich die Komik in vielen von Kalkofes Fragen ebenso wie in vielen abgegebenen Fake-Antworten in Grenzen.

Verlässlicher Pointenlieferant

Es mag vorkommen, dass eine absurd spezifische Antwort wie "ein radioaktiver gynäkologischer Stuhl" dazu führt, dass sich der hier wunderbar aufgehobene Wortakrobat Torsten Sträter schon durch die Formulierung der Antwort als Lügner entlarvt. Doch oft entsteht die eigentliche Komik erst im improvisierten Austausch zwischen den Kandidaten - und das hat die ARD-Show wiederum gemeinsam mit "Genial daneben". Dass "Faking Bad" nicht so öde anzuschauen ist wie andere Quizshows mit unwissend herumratenden Kandidaten - wie in "Wer weiß denn sowas?" -, verdankt die Show ihren überwiegend Panelshow-erprobten Comedians, zu denen in jeder Folge Sträter als verlässlicher Pointenlieferant gehört. Für seine kreativen Einfälle ist "Faking Bad" wie gemacht.

Sollte sich am Ende der Staffel herausstellen, dass Spielleiter Kalkofe bei den nicht leicht nachvollziehbaren Punkteständen seiner Promikandidaten unbemerkt sowohl die Comedians als auch ein Millionenpublikum angeflunkert hat, möge er als Oberlügner eine eigene Trophäe erhalten. Für weitere Preise aber taugt dieses kompliziertere "Genial daneben" trotz einiger spaßiger Momente kaum.

infobox: "Faking Bad - Besser als die Wahrheit", Panelshow mit Oliver Kalkofe, Regie: Kai Schmitt, Produktion: Burda Studios (ARD/WDR/BR/NDR/RBB, seit 11.7.24, donnerstags 22.50-23.35 und seit 27.6.24 in der ARD Mediathek)



Zuerst veröffentlicht 24.07.2024 09:10

Lukas Respondek

Schlagworte: Medien, Fernsehen, Kritik, Kritik.(Fernsehen), KARD, Show, Kalkofe, Respondek

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