01.08.2024 09:47
Wer erzählt im Fernsehen vom Osten?
epd Deutschland ist wieder eins, hieß es 1990, nach der Wiedervereinigung von BRD und DDR. Doch 35 Jahre nach dem Fall der Mauer wird immer noch über "Wessis" und "Ossis" gesprochen, über "ostdeutsche Identität" und den "westlichen Blick". Kein Wunder, dass sich auch in der Fernsehproduktion immer wieder die Frage stellt, ob westdeutsche Autoren über Ereignisse in der DDR schreiben dürfen. Die Bereitschaft, über dieses Thema zu sprechen, ist zwar groß, aber nicht jeder, der sich dazu äußert, möchte auch zitiert werden. Das sei "vermintes Gelände", erst recht seit der Europawahl, sagte ein Gesprächspartner dem epd. Niemand will den Graben zwischen Ost und West noch mehr vertiefen.
Häufig beschweren sich ostdeutsche Zuschauerinnen und Zuschauer, Filme und Serien über Ostdeutschland gäben selten ihre tatsächliche Lebenswirklichkeit wieder - womöglich, weil die Geschichten von Menschen erzählt würden, die im Westen sozialisiert worden sind. Schnell steht der Vorwurf im Raum, die jeweiligen Autorinnen und Autoren hätten ihre Bücher nicht aus der Region heraus entwickelt, sondern sich ein Thema "ergoogelt" und einer Gegend übergestülpt, ohne jemals dort gewesen zu sein. Charaktere und Schauplätze seien durch Klischees und Vorurteile geprägt.
"Der Blick auf ostdeutsche Geschichten ist möglicherweise tatsächlich vorurteilsbehaftet", sagt ein westdeutscher Gesprächspartner, der nicht namentlich genannt werden möchte, aber das gelte für den ostdeutschen Blick nicht minder: "Ein ostdeutscher Autor hat doch ebenfalls Klischees seines Landes im Kopf. Vielleicht wirkt es authentischer, wenn jemand aus dem eigenen Fundus schöpfen kann, dafür ist der Blick von außen sachlicher und nüchterner. Folgt man der Logik, dass jeder nur seine eigene Geschichte erzählen darf, dann dürfen Alte nicht mehr über Junge schreiben, Städter nicht über die Provinz, Männer nicht über Frauen. Das ist eine sehr kurz gedachte Sichtweise."
Der 1967 in Dresden geborene Schauspieler Martin Brambach, der Mitte der 80er Jahre mit seiner Mutter in die BRD übersiedelte, verkörpert seit 2016 den Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel im Dresdener "Tatort". Als er die Rolle übernommen habe, sei es sein ausdrücklicher Wunsch gewesen, "dass Schnabel in der Region verwurzelt ist und politisch auch mal querschießen darf", sagt er. "Unser damaliger Autor Ralf Husmann, ein gebürtiger Westfale, hat diese Rolle so wunderbar entwickelt, dass die Leute sagen: Das ist einer von uns." Im Osten, sagt Brambach, "gibt es sehr viele Menschen, die keine Lust mehr haben, sich pädagogisch belehren zu lassen, und sich darüber ärgern, dass ihre Heimat regelmäßig auf die AfD reduziert wird. Und es gibt eine spezielle Befindlichkeit, die viel mit der Wende zu tun hat. Viele haben die Wiedervereinigung als feindliche Übernahme empfunden, das wirkt immer noch nach."
Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB), hält es deshalb für wichtig, "dass von den Menschen und ihrem Leben im Ostblock und in der untergegangenen DDR erzählt wird". Die Erinnerung präge den Alltag und die Mentalität in ostdeutschen Familien bis heute. Der einstige Bürgerrechtler, 1959 in Thüringen geboren, hält es jedoch nicht für allein entscheidend, welche regionale Herkunft die Erzählenden hätten: "In der Zeitgeschichtsforschung gibt es das Bonmot über Zeitzeugen, die der größte Feind der Historikerinnen sind, denn im Kern wird immer zurechtgebogen, wie es wirklich gewesen ist."
Krüger nennt die im Frühjahr mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Disney-Plus-Produktion "Sam - ein Sachse" über Samuel Meffire, den ersten schwarzen Polizisten Ostdeutschlands: "Kann einer solchen Serie überhaupt ein wie auch immer gearteter Blick zugeschrieben werden, wenn die Personen hinter Regie und Drehbuch teils in der Bonner Republik, teils in der DDR aufgewachsen sind, manche aber auch erst nach der Wende geboren wurden?" Der allseits gelobte Darsteller von Meffire, Malick Bauer, ist gebürtiger Bremer - für Krüger ein weiterer Beleg dafür, dass die Furcht vor kultureller Aneignung "maßlos überzogen ist". Seiner Meinung nach sei es an der Zeit, endlich damit aufzuhören, "den Osten ohne den Westen zu denken und umgekehrt".
Frank Schmuck, 1964 in Ost-Berlin geboren und dort aufgewachsen, ist Geschäftsführer der Potsdamer Produktionsfirma Dokfilm. In den frühen 1990er Jahren, erinnert er sich, "wurde aus dem Osten überwiegend mit westlichem Blick berichtet. Ostdeutsche Filmemacher galten als staatsnah und damit nicht geeignet, Geschichte und Geschichten des Ostens zu erzählen."
Dazu passt, was der Medienwissenschaftler Wolfgang Mühl-Benninghaus 2022 in einem Aufsatz über den Aufbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Ostdeutschland schrieb: "Der gesamte Prozess hatte offensichtlich als wichtigstes Ziel, die zentralen DDR-Sender zu zerschlagen und eine reine Ost-Anstalt aller neuen Länder zu verhindern." Die ARD habe kein Interesse gehabt, das westdeutsche TV-Publikum mit den ostdeutschen Erfahrungen zu konfrontieren, daher habe sich kein "kritisch-kontrollierender und reflektierender Journalismus" entwickeln können. Die zwangsläufige Folge sei "eine bis in die Gegenwart reichende fehlende Repräsentanz und Stimmlosigkeit des Ostens in der Publizistik von ARD und im ZDF." Das kurz zuvor erworbene politische Bewusstsein "verwandelte sich in Entmündigung und Belehrung.
Aus Sicht vieler Ostdeutscher hat sich das bis heute anscheinend nicht verändert. Der aus Braunschweig stammende Johannes Unger, Leiter der RBB-Abteilung Dokumentation und Zeitgeschehen, widerspricht: "Natürlich gab es lange Zeit einen westdeutsch dominierten Blick auf den Osten. Anfangs war die ARD für einen selbstverständlichen Umgang mit dem Osten so wenig offen wie andere Bereiche von Staat und Gesellschaft auch. Das hat mit Elitenbildung zu tun und mit einer gewissen institutionellen Ignoranz. Inzwischen hat sich das sehr ausdifferenziert."
Schmuck sieht das genauso: Gerade die ARD-Sender NDR, MDR und RBB würden ihrer Verantwortung sowohl quantitativ als auch qualitativ gerecht. Trotzdem kann er eine gewisse ostdeutsche Unzufriedenheit nachvollziehen. Der Vorwurf beziehe sich jedoch eher darauf, "dass die erzählten Geschichten häufig als nicht relevant und die Zeichnung der Lebenswelten als nicht stimmig empfunden" würden. "Die Kritik gilt also eher der Haltung und der erzählerischen Sorgfalt der Filmschaffenden, weniger ihrer Herkunft. Um glaubwürdige Figuren, stimmige Milieus und realistische Konflikte zu schaffen, an Schauplätzen, die mehr sind als nur Kulisse, braucht es geografische, soziokulturelle und historische Ortskenntnis, und die erlangt man nur, wenn man sich auf den Weg macht, mit Leuten spricht und dem Ganzen unvoreingenommen gegenübersteht. Der Rückgriff auf gängige Klischees ist da in vielerlei Hinsicht bequemer."
Rein quantitativ ist der sogenannte Osten bei ARD und ZDF gut vertreten. Laut Christoph Pellander, Redaktionsleiter bei der ARD-Tochter Degeto Film, liegt der Anteil ostdeutscher Geschichten beim Freitagsfilm im Ersten bei 25 Prozent. Dazu gehören unter anderem die Reihen "Praxis mit Meerblick" (Rügen, seit 2017) und "Einspruch, Schatz" (Leipzig, seit 2023). Mit dem NDR produziert die Degeto seit 2014 die Donnerstagsreihe "Usedom-Krimi", mit dem MDR seit 2016 "Wolfsland" (Görlitz) und seit 2023 die in Thüringen spielende Reihe "Tod am Rennsteig". Pellander sagt, aus seiner Sicht würden "mehr Stoffe denn je" im Osten gedreht.
Zu erwähnen sind neben den "Polizeiruf 110"-Filmen aus Rostock (NDR), Frankfurt/Oder (RBB), Magdeburg und Halle (beide MDR) noch die Dienstagsserien "In aller Freundschaft" (Leipzig, seit 1998) und "Tierärztin Dr. Mertens" (Leipzig, seit 2006) sowie der Vorabendableger von "In aller Freundschaft", "Die jungen Ärzte" (seit 2015).
Daria Moheb Zandi, beim RBB für den "Polizeiruf" zuständig, hat allerdings den Eindruck, "dass Regionen und Milieus in ihrer historischen Dimension nicht selten auf wenige Merkmale und Aspekte reduziert werden. DDR-Biografien werden dann gern mit Stasi-Themen in Verbindung gebracht oder strukturschwache Gegenden als Keimzelle für rechtsextreme Gesinnung gezeigt. So kommt es immer wieder zu ähnlichen, teilweise holzschnittartigen Erzählungen, in denen bestimmte Themen mit bestimmten Milieus in Zusammenhang gebracht werden und auf bestimmte Weise über das Szenenbild und die Kamera visualisiert werden."
Auch im ZDF ist der Osten dank Krimireihen wie "Spreewaldkrimi" (seit 2006), "Stralsund" (seit 2009), "Das Quartett" (Leipzig, seit 2019), "Erzgebirgskrimi" (seit 2019) und "Theresa Wolff" (Jena, seit 2021) sehr präsent. Matthias Pfeifer, Redaktionsleiter Fernsehspiel 2 und Koordinator der Samstagskrimis, hat einst die Vorabendserie "Soko Leipzig" (seit 2001) aufgebaut und betreut derzeit die Fortsetzung der in Ostdeutschland als überaus stimmig und authentisch empfundenen Event-Serie "Der Palast" (2021).
Pfeifer stammt aus Halle an der Saale. Er ist 1993 zum ZDF gekommen und hat daher einen besonderen Blick auf die Frage, ob Ostthemen nur von Ostdeutschen erzählt werden sollten. Er beantwortet sie mit "Ja und Nein". Da spielten Aspekte eine Rolle, zuallererst die Berufsfelder Autor, Regie, Schauspiel. Wer fordere, man dürfe nur das erzählen, inszenieren und spielen, was man selbst erlebt hat, ignoriere die eigentliche Kreativität dieser Berufe. Gerade bei Ostthemen zahle es sich aus, wenn ein Team gemischt sei.
Pfeifer verweist beispielhaft auf die "Erzgebirgskrimis" des gebürtigen Bochumers Jürgen Pomorin alias Leo P. Ard: "Wenn es in seinen Büchern um ostdeutsche Befindlichkeiten geht, ist nicht zu spüren, dass er nicht im Osten aufgewachsen ist." Der Autor selbst preist die gründliche Vorbereitung durch Sender und Produktionsfirma (NFP). Bei den Recherchen habe es Gespräche "mit Bürgermeistern, Heimatvereinen, ehemaligen Bergleuten und Kriminalbeamten gegeben. Wir besuchten Manufakturen, fuhren in Stollen ein. Diese Vorbereitungsreisen waren sehr inspirierend und hilfreich."
Auch Holger Karsten Schmidt, gebürtiger Hamburger, hat in den vergangenen 20 Jahren einige DDR-Geschichten erzählt: "Der Stich des Skorpion" (WDR, 2004), ein Polit-Thriller mit Jörg Schüttauf als ostdeutscher Fluchthelfer, "Jenseits der Mauer" (WDR/NDR, 2009), ein Drama über eine durch ihre "Republikflucht" getrennte Familie, "Mord in Eberswalde" (WDR, 2013), ein Krimi über den 1972 in Leipzig hingerichteten Kindermörder Erwin Hagedorn, und schließlich "Die Toten von Marnow" (ARD, 2021), eine Thriller-Serie über die Medikamententests westdeutscher Pharmakonzerne in der DDR. Diese Stoffe, sagt der mehrfache Grimme-Preisträger, seien frei zugänglich gewesen.
Dass die jeweils westdeutschen Produktionsfirmen ihn und nicht einen Autor aus Ostdeutschland engagiert haben, kann man ihm kaum vorwerfen. Die 1977 in Leipzig geborene UFA-Produzentin Katharina Rietz, die "Soko Leipzig" produziert, sieht das ähnlich: Die eigene Sozialisation könne nicht "der Maßstab dafür sein, worüber man erzählen kann oder gar darf. Entscheidend ist doch die Bereitschaft, sich mit dem gewählten Stoff wirklich auseinanderzusetzen." Ihre Kollegin Henriette Lippold (1981 in Wittenberg geboren) ergänzt: "Bei jeder Geschichte muss sich ein Erzähler oder eine Erzählerin in erster Linie für die Story interessieren. Er muss recherchieren, zuhören, beobachten, dramaturgisch verdichten und mit einem guten Händchen fürs authentische Nachempfinden die einzelnen Puzzleteile zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügen."
Auch RBB-Redakteurin Moheb Zandi hält nichts davon, nur aus dem eigenen Kosmos zu erzählen: "Ein frischer und unverstellter Blick, den man auf Unbekanntes und Fremdes hat, kann hilfreich sein, um die Essenz zu erkennen und sich inhaltlich-erzählerisch zu lösen. Wichtig ist, dass man unterschiedliche Lebenssituationen und Realitäten in Betracht zieht und sich nicht aus bloßer Unkenntnis darüber hinwegsetzt."
Neben der Darstellung von realistischen Lebenswirklichkeiten in Filmen und Serien fordert ARD-Programmdirektorin Christine Strobl auch die "Abbildung von politischen Themen und Diskussionen aus den Regionen sowie die Auseinandersetzung damit in Dokumentationen, und da geht es immer auch ums Gesehen- und Gehörtwerden, um Repräsentanz."
Es geht nicht um die Herkunft, sondern um guten oder schlechten Journalismus.
Strobl nennt beispielhaft die Dokumentation "Machen wir unsere Demokratie kaputt?" von und mit Jessy Wellmer, die Ende August im Ersten gezeigt wird. Die "Tagesthemen"-Moderatorin, 1979 in Güstrow geboren und dort auch aufgewachsen, gilt als Expertin für das Ost-West-Thema, seit sie 2023 die Reportage "Hört uns zu! Wir Ostdeutsche und der Westen" gedreht hat.
Das Problem, sagt Wellmer, sei oft nicht das Wer, sondern das Wie. Manchmal werde "über den Osten berichtet, als handele es sich nach wie vor um ein fremdes Land." Es gebe auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung "immer noch so einen Ton wie in Reportagen aus dem Ausland. Wenn man diesen Ton einmal gehört hat, dann kriegt man ihn schwer wieder aus dem Ohr. Und dann haben Ostdeutsche manchmal das Gefühl, die berichten nicht über uns, sondern über 'die da'." Trotzdem hält sie die Frage, wo jemand aufgewachsen sei, für zweitrangig: "Es geht nicht um die Herkunft, sondern um guten oder schlechten Journalismus."
Reportagen beschäftigen sich meist mit der Gegenwart. Das Bild der Vergangenheit wird aber stark durch fiktionale Erzählungen beeinflusst. Filme und Serien, sagt Christoph Pellander, "können kulturelle, soziale und persönliche Aspekte des Lebens reflektieren und auch beeinflussen. Figuren bieten Identifikationspotential, gerade für junge Menschen, die sich mit ihren Charakteren und Eigenschaften identifizieren können und auch mit den Werten und Normen, die sie transportieren."
Wellmer, die zum Zeitpunkt des Mauerfalls noch ein Kind war, erzählt von ihrem 16-jährigen Sohn, der kürzlich "Das Leben der Anderen" (2006) gesehen habe: "Der Film prägt sein DDR-Bild wahrscheinlich mehr als manche Erzählung aus der eigenen Familie." Für Brambach ist der Polit-Thriller mit Ulrich Mühe als Stasi-Hauptmann, dem während der Überwachung eines Dramatikers Zweifel an seinem Tun kommen, ein Beleg dafür, dass auch ein "Wessi" wie Florian Henckel von Donnersmarck einen "ganz wunderbaren Film über die DDR" drehen könne.
Gesamtdeutsch, glaubt Johannes Unger, "haben uns vermutlich am ehesten die humorvollen Meilensteine weitergebracht, 'Sonnenallee' und 'Good Bye, Lenin', weil Klischees und Vorurteile dort gebrochen und ironisiert wurden." Bei der vielfach ausgezeichneten ARD-Serie "Weissensee" (2010 bis 2018) hätten viele Ostdeutsche andocken können, "weil es eine breite Palette von Figuren gab, mit denen man sich identifizieren konnte. Bei aller holzschnittartigen Darstellung der DDR hatten die Geschichten doch eine gewisse Tiefe und Differenziertheit."
Wellmer ist allerdings aufgefallen, dass ostdeutsche Film- oder Serienfiguren oft von der DDR und den Umbrucherfahrungen der frühen 90er geprägt seien. Sie fragt sich, was das wohl mit ostdeutschen Zuschauern mache: "Erkennen die sich wieder? Und neigen sie wegen dieser Role-Models vielleicht mehr dazu, für ihr eigenes Schicksal die DDR, den Umbruch oder 'den Westen' verantwortlich zu machen?"
Andererseits weiß Wellmer, welchen Stellenwert die "Nachwende-Traumata" für viele Ostdeutsche bis heute haben. Sie hat selbst ein Buch darüber geschrieben: "Die neue Entfremdung - Warum Ost- und Westdeutschland auseinanderdriften und was wir dagegen tun können". Allerdings empfindet sie es als schwierig, "dass jetzt, wo für das ganze Land so viel zu verhandeln ist, ausgerechnet diejenigen im Osten den Debattenton vorgeben, die alte Rechnungen offen haben." Trotzdem sei das Bild von Deutschland im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Ost wie West, viel differenzierter, als es manchmal erscheine: "Man muss aufpassen, dass man nicht das Klischee vom Westfernsehen fortschreibt, bloß weil einem nicht immer passt, was dort gesagt oder gesendet wird."
Unger sagt, die stärker werdenden Angriffe auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschäftigten diesen sehr. "In meinem Programmverständnis können regionale filmische Sympathiebekundungen wie unsere heimatkundlichen Land-und-Leute-Roadmovies mit einem alten DDR-Robur-Bus gut neben einer kritischen Investigation über die Umtriebe rechter Netzwerke stehen. Beides gehört zusammen, beides zeigt Realität und Lebensgefühl." Wichtig sei es, die Alltagsprobleme der Menschen aufzugreifen. Im Übrigen gebe es "auch im Osten keinen einheitlichen Blick auf den Osten".
Produzentin Lippold fühlt sich unwohl, wenn die Gruppenbezeichnung "die Ostdeutschen" fällt: "Eine Suche nach der ostdeutschen Mentalität kann nur scheitern, dafür sind die gemachten Erfahrungen und die Erinnerung daran viel zu unterschiedlich. Umso wichtiger ist es, diesen Ambivalenzen Raum im Fernsehen zu geben und ihre Bedeutung für die Gegenwart ernst zu nehmen." Sie würde es daher begrüßen, "wenn die neu gelernte Sensibilität rund um die gegenwärtigen Identitätsdebatten auch die Menschen aus dem Osten einschließt". Filme und Serien könnten einen wichtigen Beitrag leisten, um wieder mehr ins Gespräch zu kommen. Deshalb versuche sie gemeinsam mit ihrer Kollegin jetzt erst recht, "Geschichten zu erzählen, die nicht verallgemeinern, sondern differenzieren, die nicht trennen, sondern verbinden".
Zuerst veröffentlicht 01.08.2024 11:47 Letzte Änderung: 01.08.2024 14:32
Schlagworte: Medien, Fernsehen, Produktion, Osten, Geschichte, Gangloff, NEU
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