Slowakei: Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt RTVS aufgelöst - epd medien

06.08.2024 09:23

Der öffentlich-rechtliche Slowakische Rundfunk (RTVS) ist aufgelöst und durch das Staatsmedium STVR ersetzt worden. Die Opposition kündigte Beschwerde beim Verfassungsgericht an.

RTVS-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter protestierten am 10. Juni in Bratislava gegen die Auflösung der Rundfunkanstalt.

Bratislava (epd). In der Slowakei ist das neue Rundfunkgesetz am 1. Juli in Kraft getreten. Es beinhaltet die Ablösung des öffentlich-rechtlichen Slowakischen Rundfunks RTVS (Rozhlas a televízia Slovenska) durch das Slowakische Fernsehen und Radio STVR (Slovenska televízia a rozhlas), das als künftiger Propagandasender der Regierung gilt. Die nächsten drei Monate bis Ende September 2024 sind als "Übergangszeit" vorgesehen und sollen der Konsolidierung des neuen Rundfunks dienen. Mitte Mai heizte ein Attentat auf Ministerpräsident Robert Fico, das dieser schwer verletzt überlebte, die Situation im Land zusätzlich an.

Bereits am 20. Juni hatte der Nationalrat, das slowakische Parlament, mit den 78 Stimmen der Abgeordneten der drei Parteien der nationalistischen Regierungskoalition von Ministerpräsident Fico, Smer-SD, Hlas-SD und Slowakische Nationalpartei (SNS), dem neuen Gesetz zugestimmt. Insgesamt gehören dem Parlament 150 Abgeordnete an.

Opposition boykottierte Abstimmung

"Heute hat das Parlament definitiv die freien öffentlichen Medien abgeschafft", kritisierte der Vorsitzende der größten, liberalen Oppositionspartei Progressive Slowakei (PS), Michal Simecka, das neue Gesetz. "Vom 1. Juli an werden sie durch den gehorsamen und gezähmten STVR ersetzt", sagte er. Alle Abgeordneten der Opposition boykottierten die Abstimmung und verließen aus Protest das Parlamentsgebäude. Sie kündigten Beschwerde beim Verfassungsgericht an.

RTVS-Intendanten Ľubos Machaj sprach von einem "schwarzen Tag" für die Medien und die Zivilgesellschaft. Es sei traurig, dass "Politiker und Oligarchen diesen Staat in ihren Händen halten und über die Zukunft der Slowakei entscheiden", sagte Machaj, dessen Amtszeit zum 1. Juli nun vorzeitig endete. Der künftige Sender STVR wird voraussichtlich mindestens in den ersten drei Monaten ohne gewählten Generaldirektor und ohne den neuen STVR-Rat tätig sein. In dieser Zeit wird die Medienarbeit von Peter Ziga (Hlas-SD) überwacht. Der amtierende Parlamentspräsident ist ein Parteifreund von Staatspräsident Peter Pellegrini.

Ziga ernannte den Medienmanager Igor Slanina für drei Monate, bis zum 30. September, zum Interims-Intendanten des neuen Senders STVR. Slanina war von September 2017 bis August 2022 Direktor von Media RTVS, einer Tochtergesellschaft von RTVS. Zuvor war er rund 20 Jahre für kommerzielle Medien in der Slowakei tätig, vor allem das Unternehmen Akzent Media. Bis Ende September soll in der Slowakei eine dem neuen Gesetz entsprechende STVR-Führung gewählt werden.

zitat: Verbesserung der Sparsamkeit und der Strukturen

Die Regierung unter dem linkspopulistischen Ministerpräsidenten Robert Fico ist seit Oktober 2023 im Amt und hatte bereits am 24. April der Auflösung des öffentlich-rechtlichen Slowakischen Rundfunks RTVS zugestimmt. Sie nahm den umstrittenen Gesetzesvorschlag der nationalistischen Kulturministerin Martina Simkovisova an. Oppositionspolitiker und regierungskritische Journalisten lehnten die Entscheidung ab. Sie warfen der Koalition vor, den in Umfragen als objektiv und vertrauenswürdig eingeschätzten Slowakischen Rundfunk RTVS durch einen Propagandasender der Regierung ersetzen zu wollen.

Am 15. Juni trat der neugewählte Staatspräsident Pellegrini sein Amt an. Er löste die liberale Staatspräsidentin Zuzana Čaputová ab, die nicht wieder kandidierte. Pellegrini ist ein Verbündeter von Ministerpräsident Fico und stammt wie dieser aus der ehemaligen sozialdemokratischen Bewegung.

Nicht nur Kulturministerin Simkovicova, sondern auch Ministerpräsident Fico hatte die RTVS-Führung wiederholt als voreingenommen kritisiert. Auch der heutige Staatspräsident Pellegrini setzte sich für die Rundfunkreform ein. Seine Partei Hlas-SD werde das Vorhaben unterstützen, erklärte er, und sich für eine "Verbesserung der Sparsamkeit und der Strukturen der Rundfunkprogramme" starkmachen.

Zum 1. Juli 2023 hatte die Slowakei die Rundfunkgebühren abgeschafft. Das entsprechende Rundfunkänderungsgesetz sieht eine "nachhaltige und stabile Finanzierung" in Höhe von 0,17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus dem Staatshaushalt vor.

Die Europäische Rundfunkunion EBU hatte sich im vergangenen März "äußerst besorgt" über die Rundfunkpläne der neuen slowakischen Regierung geäußert. Diese bedrohten die redaktionelle Unabhängigkeit des EBU-Mitglieds RTVS. EBU-Generaldirektor Noel Curran wertete die Pläne als "kaum verhüllten Versuch, den öffentlich-rechtlichen Slowakischen Rundfunk in ein vom Staat kontrolliertes Medium zu verwandeln."

ebe



Zuerst veröffentlicht 06.08.2024 11:23 Letzte Änderung: 06.08.2024 11:24

Schlagworte: Medien, Slowakei, Pressefreiheit, ebe, Rundfunk, Reformen, NEU

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